William Shakespeare hat mit seinem Drama Viel Lärm um nichts nicht nur den Theaterkanon bereichert, er hat dem deutschsprachigen Journalismus damit auch eine der abgenudelsten Überschriften überhaupt beschert. Insofern ist es doch bemerkenswert, dass nicht jeder zweite Artikel zur derzeitigen Debatte rund um das “Solidarische Grundeinkommen” mit eben jenen Worten überschrieben ist. Selten wäre die Titelzeile passender gewesen.
Schon allein der Aussage wegen. Denn die Frage, worum es beim solidarische Grundeinkommen genau gehen soll, fördert doch Erstaunliches zutage: Um kaum etwas. Ein konkret ausgearbeitetes Konzept hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nämlich noch gar nicht. Die Grundidee lässt sich dennoch erahnen – und wenig hoffen: Langzeitarbeitslose sollen auf freiwilliger Basis einen Arbeitsplatz auf kommunaler Ebene bekommen können. In einem Bereich, der der Gesellschaft nutzt – von Babysitting für Alleinerziehende bis zur Pflege städtischer Grünanlagen – auf jeden Fall vergütet mit Mindestlohn. So würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Arbeitslose sind nicht länger arbeitslos, erhalten zudem etwas mehr Lohn als zuvor Hartz IV, und klamme Städte könnten Dienste anbieten, die sie sich zuvor nicht mehr leisten konnten – billigen Arbeitskräften sei Dank. Denn ein Mindestlohn ist eben genau das: Lohn am untersten Ende der Skala. Zudem soll mit einer der Gesellschaft dienlichen Tätigkeit sowohl die Anerkennung als auch das Selbstwertgefühl gesteigert werden.
Doch die Gefahren und Mängel dieser Idee liegen auf der Hand: Es würden vor allem diejenigen die Stellen bekommen, die auch auf dem freien Arbeitsmarkt – gerade in seinem gegenwärtigen Zustand – eher gute Chancen hätten, wieder eine Stelle zu bekommen. Zumal es vorerst vermutlich gerade einmal um 100.000 bis 150.000 solcher Stellen geht. Angesichts von etwa 1,7 Millionen Hartz IV-Empfängern ist das eine verschwindend geringe Zahl. Diejenigen, die es besonders schwer haben, die beispielsweise an einer Suchterkrankung laborieren oder jegliche Hoffnung verloren haben, werden weiter Hartz IV bekommen. Sie werden weiter von Sanktionen gegängelt oder in sinnlose Schulungen geschickt werden, weiter in relativer Armut leben. Hinzu kommt, dass ihnen das Etikett “nicht nützlich für die Gesellschaft” noch schneller und noch nachdrücklicher als bisher angeheftet würde.
Für den Lärm reicht es
Auf diesen Fehler in der Matrix ist man wohl auch bei der SPD aufmerksam geworden. So hat Michael Müller inzwischen gesagt, er könne sich auch vorstellen, Hartz IV ganz abzuschaffen. Unterstützt wird er dabei unter anderem von Ralf Stegner. Wie genau soll das vonstatten gehen, jetzt, nachdem die SPD gerade erneut in einer Regierung mit der Union und Jens Spahn eingetreten ist? Dazu: Schweigen. Ist aber auch egal, denn für viel Lärm um dieses “nichts” reicht es trotzdem. Müller tönt mit seinem Vorschlag. Stegner stimmt ein. Der Agenda-2010-Mann Hubertus Heil, der es vergangene Woche geschafft hat, Hartz IV in seiner Regierungserklärung geflissentlich zu ignorieren, kann sich plötzlich die Abschaffung von Hartz IV vorstellen. Heureka, da wird die SPD wieder zum luftigen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit – zumindest, bis Olaf Scholz das Wort erhebt. Abschaffung von Hartz IV? Mitnichten. Das Kernprinzip der sozialdemokratischen Arbeitsmarktreform bleibe bestehen. „Auch Herr Müller und Herr Stegner stellen das Prinzip des Förderns und Forderns nicht infrage“, sagte der Bundesfinanzminister.
Was bleibt ist eine Inszenierung in Reinkultur, die die SPD wieder als echte Sozialdemokraten erscheinen lassen soll. Es ist und bleibt allerdings das, was schon die Shakespeares “Viel Lärm um nichts” einst war: Eine Komödie. Das Problem ist: Bei Hartz IV gibt es wenig zu lachen.
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