Gibt es doch Gerechtigkeit im Staate Malta?

Panama Papers Zwei Jahre nach dem Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia kommen ihre Enthüllungen wieder auf den Tisch
Ausgabe 49/2019
Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat – das sieht man auch daran, dass sie tödlich enden kann
Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat – das sieht man auch daran, dass sie tödlich enden kann

Foto: Dan Kitwood/Getty Images for the Daphne Project

An großen Aufgaben und Erwartungen an den Journalismus hat es nie gemangelt, das macht die Figur der Journalistin so spannend, weil sie immer auch das Potenzial enthält, die Erwartungen nicht erfüllen zu können. Sucht man jedoch nach Vorbildern, die all die eingangs genannten Eigenschaften in sich vereinen, kommt man an Daphne Caruana Galizia nicht vorbei. Über viele Jahre arbeitete sie auf Malta als Journalistin, oft genug als Einzelkämpferin, und deckte kriminelle Machenschaften und Korruption auf, die im kleinsten EU-Mitgliedsstaat oft genug direkt in hohe Regierungskreise wiesen. Bis sie im Oktober 2017 mit einer Autobombe ermordet wurde.

Etwas mehr als zwei Jahre ist das nun her, und wenn man es als eine weitere zentrale Aufgabe des Journalismus begreift, dafür zu sorgen, dass Unrecht nicht in Vergessenheit gerät, hätte der Fall Daphne Caruana Galizia auch das Zeug gehabt, die unglückselige Schnelllebigkeit der medialen Öffentlichkeit zu demonstrieren. Denn mit der Zeit ist der Fall zumindest außerhalb Maltas mehr und mehr in Vergessenheit geraten, war zwar noch irgendwie da, aber auch nicht wirklich, von Zeit zu Zeit in Erinnerung gerufen durch Organisationen wie Reporter ohne Grenzen. Auf deren Rangliste der Pressefreiheit nimmt Malta übrigens Platz 77 ein.

Nun aber ist Bewegung in den Fall gekommen. Innerhalb weniger Tage hat die Ermordung der Investigativjournalistin, die zuletzt über die Panama Papers berichtet hatte, doch noch die wirklich Mächtigen zu Fall gebracht. Denn kurz nach der Tat waren zwar drei Männer für den Mord verhaftet worden. Die wahren Drahtzieher, die Auftraggeber aber blieben unbekannt.

„Mafiafilm“ – das ist eines der besonders beliebten Bilder, wenn es um die Charakterisierung dessen geht, was in den letzten Tagen auf Malta geschehen ist. Die Geschichte geht etwa so: Ein Taxifahrer wird wegen Geldwäsche festgenommen. Um einer Strafe zu entgehen, nennt er den Auftraggeber für den Mord an Daphne Caruana Galizia. Es soll Yorgen Fenech gewesen sein, ein maltesischer Oligarch und Besitzer einer Offshore-Gesellschaft, zu der Daphne Caruana Galizia recherchiert hatte, weil über sie maltesische Politiker bezahlt wurden.

Auch Fenech wird festgenommen, als er gerade dabei ist, sich auf seiner Jacht davonzumachen. Fenech wiederum benennt einen anderen Drahtzieher: Keith Schembri, den engsten Vertrauten des maltesischen Premiers Joseph Muscat. Zwar bestreitet Schembri die Vorwürfe, trotzdem tritt er schnell von seinem Amt zurück – ebenso wie unter anderem auch der Tourismusminister. Beide sollen Geld über die Offshore-Firma von Fenech erhalten haben. So gerät auch der Premier selbst in den Fokus, der sich zwar gerne als höchster Aufklärer im Mordfall geriert, am Ende aber wenig unternommen hat. Hat er möglicherweise seine Vertrauten gedeckt? Inzwischen hat auch der Premier seinen Rücktritt angekündigt – Anfang Januar vielleicht. Die Familie der ermordeten Journalistin fordert indes den sofortigen Rücktritt, befürchtet sie doch, Muscat könne seine Macht nutzen, um Dinge zu vertuschen.

Zwei Jahre nach ihrer Ermordung kommen so nun auch wieder die Machenschaften auf den Tisch, über die Daphne Caruana Galizia berichtet hat. Für ihre Arbeit wurde sie immer wieder diffamiert, als Hexe bezeichnet, entmenschlicht. Das zeichnet eine Dokumentation nach, die aktuell in der Mediathek von arte zu sehen ist. Daphne Caruana Galizia hat trotzdem weitergemacht – und damit mit dafür gesorgt, dass auf Malta eine kritische Zivilgesellschaft entstanden ist, die auf den Straßen „Mafia, Mafia“ und „Mörder, Mörder“ skandiert. Vielleicht ist das so etwas wie Gerechtigkeit.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

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