Höhö-Tölpel

Digitalisierung Geht es um den Breitbandausbau, flüchtet man sich in Deutschland in Galgenhumor. Doch wer hier zuletzt lacht, lacht nicht am besten
Ausgabe 48/2018
Bisher nur auf Plakaten zu bewundern: Breitband in Deutschland
Bisher nur auf Plakaten zu bewundern: Breitband in Deutschland

Foto: Josep Lago/AFP/Getty Images

Vielleicht war die Sache mit der Milchkanne am Ende ein verhältnismäßig genialer Schachzug von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Denn als sie vor einigen Tagen erklärte, 5G sei nicht an jeder Milchkanne notwendig, verhalf sie dem zugegebenermaßen trockenen Thema der Vergabe von 5G-Mobilfunkfrequenzen zumindest kurzzeitig zu etwas mehr Aufmerksamkeit. 2019 sollen Mobilfunkanbieter die Frequenzen ersteigern, auf denen sie besonders schnelle Internetverbindungen anbieten können. Das ist wichtig für Industrie 4.0, selbstfahrende Autos, aber auch für eine flächendeckende Versorgung mit mobilem und schnellem Internet.

Hightech hier, Kuhstall dort – das scheint sich zu beißen, oder eben gerade nicht? Auf jeden Fall reicht es für ein paar Artikel, für aufgebrachte Kritik von politischen Gegnern und „Rückendeckung“ von politischen Freunden – sprich für das, was man dann so gemeinhin Debatte nennt.

Zugegeben, es war dann doch eher ein Debättchen. Doch es zeigte wieder einmal, was das eigentlich Provinzielle an der Auseinandersetzung mit Digitalisierung in Deutschland ist: ein alles übertönendes „Höhö“ ob der Tölpelhaftigkeit, mit der die Regierenden eines der zentralen wie zukunftsweisenden Themen der Gegenwart angehen. Es ist ein „Höhö“, das nach Sarkasmus klingt, nach Galgenhumor, nach Resignation.

In der Tat ist man ja so einiges gewohnt. Da war Kanzlerin Merkel, die das Internet 2013 als Neuland bezeichnete. Da war Andreas Scheuer, der als frisch gekürter Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur eine App ins Spiel brachte, um Funklöcher melden zu können. Jetzt die Milchmädchenrechnung der Forschungsministerin.

Es ist eine ähnliche Resignation, wie sie aus vielen Texten und Tweets über die Bahn spricht. Immer Verspätung, Klimaanlage funktioniert wieder nicht, Klos alle verstopft. Höhö. Haben wir uns ja dran gewöhnt. Das Problem ist nur, dass es eigentlich um ziemlich viel geht. Das gilt für die Bahn ebenso wie für den Ausbau des 5G-Netzes. Es geht um Infrastruktur, um Netze und damit nicht nur um Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch um Zusammenhalt. Denn wer abgehängt ist vom Netz – sei es Mobilfunk oder das der Bahn –, der fühlt sich auch so. So entstehen die Gräben, die dann wiederum sehr viel Raum in den Medien einnehmen. Mit dem gebotenen Ernst.

Damit wir uns nicht missverstehen: Dies ist kein Plädoyer für die Spaßbefreitheit. Doch man sollte nicht im Galgenhumor verharren.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

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