Knurrigkeit statt Kumpelei

Berichterstattung Vor der WM nichts Neues: Der Sportjournalismus verharrt in devoter Ranschmeißerpose. Dabei ginge es doch so viel besser
Ausgabe 20/2018
Statt über Doping oder Depressionen zu berichten, geht es Journalisten öfter um Fanmeilen und Bratwurstbegeisterung
Statt über Doping oder Depressionen zu berichten, geht es Journalisten öfter um Fanmeilen und Bratwurstbegeisterung

Foto: imago/snapshot

Hajo Seppelt dürfte die letzten Tage als recht unangenehm empfunden haben. Der Investigativreporter der ARD berichtet seit einigen Jahren unter anderem über systematisches Doping bei russischen Olympioniken. Nun war ihm zwischenzeitlich das Visum für die Fußball-WM verweigert worden. Auch wenn Seppelt nun wohl doch einreisen darf: Die Causa selbst und das Schweigen der Fifa zeigt deutlich, welche Art von Sportjournalismus offensichtlich als entbehrenswert erachtet wird.

So oder so wird auch in diesem Sommer wieder eine glatte Wohlfühlberichterstattung die Fußball-WM dominieren. „Taktikanalysen“, die wenig Tiefe, aber unglaublich viele animierte Pfeile liefern, Interviews vor Sponsorenwänden, die endlich einmal enthüllen, „wie man sich vor so einem Spiel so fühlt“. Garniert wird das Ganze von embedded journalism der schlimmsten Sorte, Berichten aus dem Hotel der „Mannschaft“ – der Fokus so eng, dass die hintergründigen Themen völlig außer Sicht geraten. Fanmeile und Bratwurstbegeisterung werden oft für berichtenswerter erachtet.

Das ist ernüchternd, letztlich jedoch die Konsequenz der Entwicklung vieler anderer Sportarten. Es geht um ein zu vermarktendes Produkt. Und so versuchen Fußballvereine, aber auch Verbände längst, ihre eigenen Medien zu etablieren – nach dem Motto: Selbst produzierten Bilder sind immer die besten.

Gestattet ist dann nur noch zahnloser Journalismus, der Nähe sucht statt kritischer Distanz. Die Fußball-WM ist einmal mehr bestes Beispiel: Drei der ARD-Experten stehen auch auf dem Gehaltszettel des DFB. Mit derlei Kumpelei wird man weder der eigenen Profession noch der Bedeutung des Sports gerecht. Kulturelle, ästhetische, gesellschaftliche oder politische Dimensionen spielen meist kaum eine Rolle.

Glücklicherweise werden Leerstellen wie diese in aller Regel neu gefüllt. So auch hier: Eurosport liefert mit einem knurrig-begeisterten Matthias Sammer bemerkenswerte Taktikanalysen. Im Schatten der großen Medien hat sich außerdem eine veritable Zahl an Fußball-Podcasts entwickelt. Max-Jacob Ost beispielsweise widmet sich im „Rasenfunk“ viel intensiver Themen wie Taktik, Doping oder Depression im Fußball. Neulich war Rafael Buschmann zu Gast, um über die Football-Leaks zu sprechen – jene Enthüllungen, die einen düsteren Blick hinter die Fassade des Fußballs gewähren. Dass diese Geschichten auch im Sport aufgedeckt werden, über ihre Ursachen und Konsequenzen diskutiert wird, das sollte der gute Sportjournalismus leisten.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

Benjamin Knödler

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