Lösch dich!

Uploadfilter & Co Die EU macht sich mit ihren Plänen zur Reform des Urheberrechts zum Deppen – und nebenbei das Internet kaputt
Ausgabe 08/2019

Seit vergangener Woche sprechen viele vom Ende des freien Internets. Grund dafür ist die Einigung zur Reform des EU-Urheberrechts. Es geht um Leistungsschutzrecht und Uploadfilter. Eine Petition gegen die „Zensurmaschine“ haben bis Redaktionsschluss etwa 4,8 Millionen Menschen unterschrieben, am Samstag demonstrierten laut Veranstalter circa 2.000 Menschen in Köln gegen die Reform. Die EU-Parlamentsabgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei sagte im Interview mit dem Podcast Lage der Nation, es sei „fünf vor zwölf“. Wenn eine Expertin wie Reda das sagt, sollte man ruhig hinhören.

Noch einmal zur Erinnerung: Das Leistungsschutzrecht gibt es in Deutschland seit 2013, es soll News-Aggregatoren und Suchmaschinen verpflichten, Verlagen Geld für die Textausschnitte zu zahlen, die sie auflisten. In Wahrheit ist es ein Rohrkrepierer. Die Kosten für Rechtsstreitigkeiten übersteigen die Einnahmen um ein Vielfaches. Den Platzhirschen räumten die Verlage Gratislizenzen ein, kleine Suchmaschinen hatten es schwerer.

Nun wird der Unfug auf EU-Ebene wiederholt – inklusive einer Ausweitung: Nun sind nicht mehr nur Suchmaschinen betroffen, sondern alle kommerziellen Online-Plattformen.

Dass das Leistungsschutzrecht den Internetriesen nicht sonderlich schadet, kann man in Deutschland sehen. Wem es nutzt, das sind die großen Verlage, so legt es zumindest Reda nahe. Denn wenn Nachrichtenangebote im Netz weniger weit verbreitet sind, zieht es die Leser direkt auf die Seiten der großen Medienhäuser, von Axel Springer zum Beispiel.

Wer sich da also um eine vielfältige Debatte sorgt, der ist kein Spinner.

Ebenso wenig wie jene, die bei Uploadfiltern ihre Zweifel haben. Die werden kommen, wenn Plattformen wie etwa Youtube verpflichtet werden, Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Doch was ist, wenn eine Persiflage dann nicht als solche erkannt wird? Und wie sollen kleinere Seiten solche Inhalte prüfen? Am Ende sind die Kleinen also die Deppen. Plattformen, die es sich nicht leisten können, verklagt oder abgemahnt zu werden, aber eben auch die Menschen, die im Netz diskutieren, zitieren, persiflieren.

Eine Debatte – gerade im Netz – lebt von der Verknüpfung, vom Zitat, von der Auseinandersetzung. Das muss jetzt nicht zwingend alles verschwinden, aber es wird Rechtsunsicherheit geschaffen. Das bremst zumindest.

Zum Deppen gemacht hat sich auch die EU. Leider. Nicht nur wegen der Richtlinie, sondern auch wegen des Umgangs mit Kritik. In einem Blogbeitrag bezeichnete die EU-Kommission die Gegner der Reform als „Mob“. Das wurde gelöscht, später entschuldigte sich die Kommission. Man könnte witzeln, dass in diesem Fall ein Uploadfilter vielleicht gut gewesen wäre. Man könnte aber auch sagen, dass es so immerhin eine Auseinandersetzung gab. Und die braucht es.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

Benjamin Knödler

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