Öffentliche sticht unsichtbare Hand

Bodenspekulation Die Mieten steigen weiter. Das hat auch mit knappem Bauland zu tun. Mehr Staat kann da nicht schaden
Für bezahlbaren Wohnraum braucht es Visionen – auch und gerade ohne private Investoren
Für bezahlbaren Wohnraum braucht es Visionen – auch und gerade ohne private Investoren

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Es ist normal geworden. Beinahe jede Woche gibt es eine neue Initiative, eine neue Studie, eine neue Zahl, die aufzeigt, wie zentral und drängend die Frage nach bezahlbarem Wohnraum ist. In dieser Woche belegt das der Wohngeld- und Mietenbericht 2018, den die Bundesregierung gestern vorgelegt hat. Zwischen 2016 und 2018 stiegen demnach die Mieten bei Erst- und Wiedervermietung um 5 Prozent jährlich, in den Metropolkernen waren es rund 6 Prozent. Die Mietbelastung, die 2017 im Bundesdurchschnitt bei 29,5 Prozent lag, hängt stark vom Einkommen ab: Wer mehr verdient ist meist geringer belastet, bei Personen in armutsgefährdeten Haushalten liegt die Mietbelastung bei 43 Prozent.

Da kommen Fragen auf. Was ist eigentlich aus den Absichten nach dem Wohngipfel vergangenes Jahr im Kanzleramt geworden? Was macht das Bauministerium – und wer ist nochmal Bauminister?

Bauminister ist nach letztem Kenntnisstand nach wie vor Horst Seehofer, wobei der – man ist es inzwischen gewohnt – meist mit anderen Baustellen beschäftigt ist. Dieser Tage ist das der rechtsextreme Terror, was sehr verständlich ist, aber einmal mehr die Frage aufwirft, wie sinnvoll der aktuelle Ressortzuschnitt ist. Was die Folgen des Wohngipfels sowie die sonstigen Aktivitäten im Bauministerium angeht, gibt es neuerdings auch weitere Antworten.

Es geht um einen zentralen Preistreiber

Am vergangenen Dienstag hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Marco Wanderwitz (CDU) gemeinsam mit der Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt (SPD), die Empfehlungen der sogenannten Baulandkomission vorgestellt. Die Kommission, die nach dem Wohngipfel im Kanzleramt eingesetzt wurde, mag nach einem weiteren wirkungslosen Arbeitskreis klingen. Doch die Empfehlung könnten durchaus Signalwirkung haben. Denn es geht hier immerhin um einen der Preistreiber in Sachen bezahlbarem Wohnraum.

Laut Bericht der Kommission sind die Baulandpreise seit 2010 bundesweit um 50 Prozent gestiegen, in den größten Städten haben sie sich in den letzten 5 Jahren gar verdoppelt. Der Boden ist beliebtes Spekulationsobjekt geworden – auch ohne ihn zu bebauen. Es geht eben um ein Gut, das endlich ist. Daran zeigt sich auch, dass die Forderung, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch eine „Entfesselung“ des Marktes zu beseitigen, reichlich gefährlich anmutet.

Die Frage nach einem der Lage angemessenen Umgang mit dem knappen Gut Bauland, ist also wichtig. Dementsprechend lassen einen die Vorschläge der Kommission zwiegespalten zurück. Weil manches in die richtige Richtung zeigt, der Mut zum ganz großen Wurf allerdings fehlt – und am Ende deshalb eine Menge Stückwerk bleibt.

Unter anderem sollen die Haushaltsordnungen so angepasst werden, dass Grundstücke leichter verbilligt abgegeben werden können, wenn dort günstiger Wohnraum entsteht. Planungsämter sollen mehr Personal bekommen, eine Aus- und Fortbildungsoffensive gestartet, Planungsprozesse digitalisiert werden. Dachgeschosse sollen leichter ausgebaut werden können. Kommunen sollen Bauland und Boden bevorraten. Außerdem schlägt die Kommission vor, das kommunale Vorkaufsrecht zu verlängern und das Baugebot zu erleichtern. Allerdings heißt es bei den Empfehlungen auch: „Weitere Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in Eigentumsrechte durch Gestaltung auf Bundesebene werden dabei nicht verfolgt.“

Wirklich radikale Forderungen bleiben aus

Hier zeigt sich die Zwiespältigkeit der Empfehlungen. Einerseits scheinen auch in der Kommission Zweifel zu bestehen, ob die derzeitig angespannte Situation ganz ohne das Regulativ der öffentlichen Hand beseitigt werden kann. Andererseits bleiben wirklich radikale Forderungen aus – was allerdings auch niemanden wirklich überraschen dürfte. Ganz abgesehen von der Empfehlungsrethorik selbst, die naturgemäß viele Konjunktive enthält.

Chris Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen Bundestagsfraktion und Daniela Wagner, Sprecherin für Stadtentwicklung, loben die Stärkung der Kommunen: „Die Kommission zeigt auf, wie dringend notwendig es ist, die Kommunen in der Bodenpolitik zu unterstützen. Das ist ein wichtiger Impuls”, erklären sie und meinen damit wohl vor allem auch eine Erleichterung des Baugebots und die Verlängerung des kommunalen Vorkaufsrechts. Diese Empfehlungen seien „die einzig zählbaren Empfehlungen”, sagt Caren Lay, Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik der Linkspartei. Ansonsten seien die Empfehlung mehr als enttäuschend und nicht geeignet, steigende Mieten und Baupreise in den Griff zu bekommen.

Wie ein stärkerer Eingriff durch die öffentliche Hand aussehen könnte, zeigt ein „10-Punkte-Plan für eine soziale Bodenpolitik“, den die Linksfraktion des Bundestags verabschiedet hat. Darin wird unter anderem gefordert, Bundes- und landeseigene Liegenschaften nicht mehr an Private zu verkaufen, sondern stattdessen Boden und Bauland zu rekommunalisieren. Außerdem solle es einen Bodenpreisdeckel geben, Bodenwertzuwächse sollen besteuert werden.

Davon sind die aktuellen Empfehlungen noch weit entfernt. Und viele der Maßnahmen aus dem 10-Punkte-Plan wären sicherlich wirksamer, um Spekulationen mit Boden zu verhindern und so auch mehr bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Zumindest jedoch bleibt das Signal, dass der Markt allein es nicht richten wird. Entscheidend wird sein, wie die Empfehlungen politisch umgesetzt werden, wie stark die öffentliche Hand eingreift. Wie rigoros lässt sich beispielsweise ein Baugebot durchsetzen? Oder wäre es bei einer vergünstigten Abgabe von Bauland für bezahlbaren nicht sinnvoll, Modelle wie eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit mit dauerhaft bezahlbaren Wohnungen und gemeinnützigen Akteure mitzudenken?

Auf Fragen wie diese braucht es weiterhin Antworten. Dass die gegeben werden, daran können auch zivilgesellschaftliche Initiativen mitwirken. Gerade Berlin hat gezeigt, dass es möglich ist, den Diskurs entscheidend mitzuprägen.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts.

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