Es ist noch nicht lange her, da tönte Armin Laschet: „Die Energiewende muss sozialverträglich sein. Das fehlt mir bei den Grünen“. Ganz sozialverträglich wollen sie es also angehen bei der Union. Nun ist es wohl keine steile These, hinter dieser Neuentdeckung der sozialen Ader bei Unionspolitiker*innen primär Wahltaktik zu vermuten – den Grünen eins reinwürgen, das geht immer.
Was allerdings schon überrascht, ist das Tempo, mit dem die Union ihre sozialen Versprechungen ad absurdum führt: Zehn Tage nach Laschets Interview mit der Bild am Sonntag verhinderte die CDU-Bundestagsfraktion eine Entlastung von Mieter*innen bei den CO2-Preisen, auf die man sich in der Koalition bereits geeinigt zu haben schien. Diese Einigung sah vor, dass sich Vermieter*innen und Mieter*innen den CO2-Preis auf Öl und Gas in Zukunft hälftig teilen sollten. Die Idee dahinter: Vermieter*innen könnten Häuser und Wohnungen für mehr Klimaschutz energetisch sanieren, Mieter*innen bewusster heizen.
50-50, das mag für viele fair klingen, nicht aber für einige Unionspolitiker*innen – obwohl selbst Bauminister Horst Seehofer der Änderung zugestimmt hatte. Schließlich hätten die Eigentümer*innen ja keinen Einfluss auf das Heizverhalten der Mieter*innen. Ein Argument, so schwach wie entlarvend. Denn noch immer müssen Mieter*innen schließlich die Hälfte des CO2-Preises auf Strom und Gas bezahlen. Der Anreiz, bewusst zu heizen, ist also noch immer da. Zudem gilt umgekehrt freilich, dass Mieter*innen keinen Einfluss auf das Dämmverhalten ihrer Vermieter*innen haben.
Entlarvend ist die Argumentation aber vor allem deshalb, weil sie viel über den Blick der Union auf Mieter*innen aussagt – immerhin knapp 60 Prozent aller deutschen Haushalte. Denn die scheinen ein Schlag Mensch zu sein, dem man nicht recht trauen kann, einer, der die armen Vermieter*innen schröpft und ihnen das Leben schwer macht, wo es nur geht. Ganz zu schweigen von dem fehlenden Bewusstsein für die Klimakrise.
„70 Euro mehr für einen Mallorca-Flug können sich Besserverdienende locker leisten, für so manche Familie aber kann das den Traum vom Sommerurlaub beenden“, hat Armin Laschet gesagt. Bei den Nebenkosten geht es mitunter um ähnliche Summen, sonderlich besorgt hat er sich darüber noch nicht geäußert. Oder anders gesagt: 70 Euro mehr Nebenkosten können für so manche Familien den Traum vom Sommerurlaub beenden. Sogar, wenn der mit dem Fahrrad an die Ostsee gegangen wäre. Ganz zu schweigen davon, dass die Nebenkosten auch diejenigen treffen, die am Monatsende null auf null rauskommen. Während man bei der CDU mit aller Verve für den Traum vom Mallorca-Urlaub kämpft, ist die Sozialverträglichkeit in Sachen Mieten sekundär.
Implizite Herablassung
Dabei findet auch Armin Laschet, dass bezahlbares Wohnen wichtig ist: „Ich möchte, dass in ganz Deutschland ein bezahlbares Eigenheim für Familien Realität wird.“ Eigentümer*innen braucht das Land also, eine Gruppe, der sich die CDU weitaus näher fühlt. So steht am Ende die Botschaft: Politik für euch machen wir, wenn ihr etwas besitzt! All das sind keine ungewöhnlichen Positionen für eine konservative Partei. Abwegig wird es, wenn man sich gleichzeitig auf der Seite der „kleinen Leute“ wähnt.
In der Debatte um teurere Benzinpreise, in der sich die Unionsparteien gratismutig als Ritter der Gerechtigkeit inszenieren, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak: „Ich glaube, dass die Forderung der Grünen ein Stück weit an der Lebenswirklichkeit von vielen Menschen vorbeigeht." Die Grünen hätten vor allem das urbane Milieu im Blick. Das wird in solchen Fällen häufig gesagt. Ganz so, als seien ökonomische Nöte dort kein Problem. Das stimmt freilich nicht. Gerade in Städten – und zwar längst nicht nur in den Metropolen – stellt die Miete für viele Menschen eine hohe Belastung dar. Luczak weiß das, er kennt sich gut mit der Immobilienwirtschaft aus. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller bezeichnete ihn einst als den schlimmsten Immobilienlobbyisten im Deutschen Bundestag.
Sollten Unionspolitiker*innen vom Druck, der auf vielen Mieter*innen in Deutschland lastet, doch nichts mitbekommen haben, lohnt sich dieser Tage ein Blick nach Berlin. Dort haben Aktivist*innen der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen über 350.000 Unterschriften für einen Volksentscheid über die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne gesammelt. Die Mieter*innen, denen manche Unionspolitiker*innen mit impliziter Herablassung begegnen, entpuppen sich als bemerkenswert schlagkräftig. In Berlin haben sie scheinbar besser verstanden als so manche in der Union: Sozialverträgliche Politik muss sich der Frage des Wohnens annehmen.
Kommentare 3
Freut mich sehr, dass hier revolutionärer Zug rein kommt!
Warum nicht die unseligen Verkäufe von ehemals gemeinnützigen Wohnungen an dubiose Investoren zu Lasten der Mieter wieder rückgängig machen?
Übrigens wurde das Verscherbeln seinerzeit als Marktliberalismus gefeiert, das Zurückholen wird jetzt aber als Sozialismus diffamiert!
Was wir zur Kenntnis nehmen können:
CDU, CSU und FDP haben wenig bis nichts für die Mieter übrig! Sie stehen ganz offensichtlich auch bei diesem Thema auf der Seite der Reichen und Mächtigen! Hier insbesondere auf der Seite der Immobilienwirtschaft und der Grundbesitzer. Und das seit Jahrzehnten! Insofern ist es nur konsequent, dass sich die gigantischen Gewinne aus Immobilien und Grund in den Taschen der Reichen und Mächtigen anhäuften, während die Mieter zunehmend vor unbezahlbaren Wohnungstüren Schlange stehen.
Haben sie doch gut gemeinte Ansätze für eine Mietpreisbremse konterkariert und verwässert. Ja, haben sie doch sogar mit der verwässerten Bundes-Mietpreisbremse noch einen Länder-Mietendeckel wie in Berlin konterkariert!
Haben sie doch zusätzlich eine Gelegenheit verpaßt, die Grunderwerbsteuer - wie früher - wieder aus den Mietnebenkosten zu eliminieren. Haben sie doch Bestrebungen, die unseligen Verkäufe von öffentlichen Wohnungen an private Investoren zu Lasten der Mieter wieder rückgängig zu machen, als Sozialismus verteufelt. Hat die CDU auf ihrem Parteitag im Herbst 2019 eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Berliner Mietendeckel angekündigt, die jetzt erfolgreich war! Haben sie doch überfällige Bodenrechtsreformen immer wieder blockiert.
Propagieren sie stattdessen „Bauen, bauen, bauen“ mit dem Ergebnis, dass z.B. in München die Quadratmeter-Mietpreise für Neubauten mittlerweile bei über 27,00 EUR, die Quadratmeter-Kaufpreise bei über 27.000 EUR angelangt sind. Aber selbst beim Neubau von Wohnungen im Rahmen seiner offensichtlich gescheiterten Wohnungsbauinitiative hat Bauminister Seehofer das GroKo-Ziel von 1,5 Mio neuen Wohnungen um 20% verpasst!
Haben sie doch darüber hinaus den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen gebracht. Haben sie doch dafür gesorgt, dass die Immobilienbesitzer exorbitante Gewinne abschöpfen können und die Mieter exorbitante Mietsteigerungen abdrücken müssen. Haben Sie doch sinnvolle und wirksame Instrumente im Rahmen einer seit über 50 Jahren fälligen Bodenrechtsreform immer wieder verhindert.
Insofern nicht verwunderlich, dass CDU, CSU und FDP einen Mietendeckel als Teufelszeug verunglimpften, auf dem Rechtsweg verhinderten und weitere finanzielle Engagements für die von unbezahlbaren Wohnungen Ausgeschlossenen als „Geldverschwendung ohne Ende“ betitelten.
Und wir erinnern uns:
Weitgehende Einstellung des sozialen Wohnungsbaus durch Kohl seit Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts - der Bestand an Sozialwohnungen ging von rd. 5.5 Mio auf mittlerweile rd. 1 Mio zurück! Der Rest an öffentlichen Wohnungsbeständen wurde privatisiert!
Nichts geht mehr!
Vage anstelle vegan! Almosen anstelle Wumms! Einfalt statt Vielfalt - nicht nur, wenn es um queere Themen geht! Bremser anstelle Stürmer - nicht nur wenn es um erneuerbare Energien geht! Blockierer anstelle Erneuerer - nicht nur wenn es um ökologische Landwirtschaft und verbraucherfreundliche Lebensmittelherstellung geht!
Verschwender anstelle Sparer - nicht nur wenn es um PKW-Mautdesaster, Maskenbeschaffung, Corona-Test-Kosten, Beraterkosten ... geht!
Das Wahlprogramm von CDU und CSU ist so bieder, so verstaubt, so aus der Welt gefallen, so Kohl-2.0, so unwuchtig, so Reichen-und Mächtigen-hörig, so Abgehängten-ungehörig, so wenig Post-Corona, so wenig Klima-neutral - also nicht verfassungsgemäß! -, so ziellos, so unseriös, so scheinfinanziert, so unzeitgemäß, so Reform-unfähig, so uninspiriert, so rückwärtsgewandt wie auch deren Protagonisten Laschet, Söder, Spahn, Altmaier, Karliczek, Klöckner, Merz, Maaßen, Scheuer, Dobrindt, Bär...!
Wie lange soll durch das Regierungs-Handeln bzw. Nicht-Handeln bzw. gesetzwidriges Handeln von CDU und CSU die Demokratie weiter diskreditiert und in die Hände der wahren Demokratiezerstörer der AfD und anderer Rechtsextremer getrieben werden?
Insbesonsere nachdem ja das Eindringen von rechtsextremen Demokratiefeinden in Bundeswehr, Schulen, Universitäten, Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichten etc. nicht unterbunden wurde, nachdem gar gesetzliche Voraussetzungen wie z.B. Polizeiaufgaben- und Überwachungsgesetze geschaffen wurden, die ja zum Aushöhlen unserer Demokratie von Innen geradezu einladen!
Ein paar typische „Schmankerl“ zur Glaubwürdigkeit von CDU und CSU:
1. Zur Weigerung der UEFA, das Münchner Fußballstadion in den Regenbogen-Farben zu beleuchten:-
- CSU-Söder/Aigner: ich bin für Beleuchtungsdemonstrationen
- wenige Tage später: CSU-Landtagsfraktion stimmte zusammen mit der AfD gegen eine Beleuchtungsdemonstration des Landtagsgebäudes in Regenbogen-Farben ab!
2. Schulunterricht zu Corona-Zeiten:
- CDU/CSU vor den Ferien: Päsenzunterricht für die Schulkinder muss künftig Priorität haben
- CDU-Spahn: die Schulen müssen sich nach den Sommerferien 2021 auf Wechselunterricht einstellen
3. Sommerurlaub in Corona-Zeiten:
- vor den Sommerferien hatte die Bundesregierung Länder wie z.B. Portugal für Reisen ohne Beschränkungen freigegeben
- kaum hatten die Sommerferien und die ersten Auslands-Urlaube begonnen, hatte das Bundesgesundheitsministerien für die Rückreise aus Ländern wie z.B. Portugal eine 14-tägige Quarantäne - auch für bereits vollständig Geimpfte - angeordnet
4. Konservatives Verständnis von Tierwohl:
- CDU-Landwirtschafgsministerin Klöckner: „hin zu mehr Tierwohl“
- CDU-Landwirtschaftsministerin Klöckner verhindert Verbot von - insbesondere bei Tierschützern und Veterinärmedizinern umstrittener - Tiertransporte (Rinder, Schafe) in Staaten außerhalb der EU, um später scheinheilig ein Tiertransportverbot der EU in Drittstaaten zu fordern!
5. Demonstrationsrecht:
- CDU-Laschet-2020: „Demonstrationen sind absolut legitim“
- Laschet-CDU/FDP-Regierung will 2021 Demonstrierende wie Kriminelle behandeln
6. Integration:
- 2018: CSU-Seehofer kritisiert seine Behörde wegen unzulänglicher Kontrolle von Integrationskursen
- 2021: CSU-Seehofer macht Integrations-Defizit von Flüchtlingen für Messer-Morde in Würzburg verantwortlich
7. Wohnungsbau:
- 2017-2021: der Bundes-Innen- und Bauminister verfehlte das Ziel, 1,5 Mio neue Wohnungen zu bauen um 300.000 - also -20%!
- 2021: Seehofer bemäntelte diesen Misserfolg in seiner üblichen Selbstbeweihräucherung mit der Bemerkung: „ein Rekordwert, der seinesgleichen sucht“!
8. EM 2020/21 in Corona-Zeiten:
- CSU-Seehofer vor der EM: Seehofer beschließt Ausnahmeregelungen für EM: „Wir werden die Fußball-EM für die Teams so organisieren, dass wir dem Infektionsschutz gerecht werden“,
- CSU-Söder während der EM: Söder bietet der UEFA an, für London vorgesehene Spiele nach München zu verlagern,
- CSU-Seehofer und CSU-Söder am 1.7.2021, nachdem massenhaft Corona-Infektionen in übervollen Stadien nachgewiesen wurden: „UEFA handelt absolut verantwortungslos“, „nicht akzeptabel“
9. Klimawandel:
- CDU-Laschet: fordert als Unions-Kanzlerkandidat den Ausbau der erneuerbaren Energie zur Erreichung der Klimaschutz-Ziele
- CDU/FDP-Laschet-Regierung in NRW 7/2021: neue Abstandsregelung für Windräder - analog zu Bayern - würgt Ausbau der erneuerbaren Energie ab
10. Energiewende:
- CDU-Laschet: „Die Energiewende muß sozialverträglich sein. Das fehlt mir bei den Grünen.“
- 10 Tage später: CDU-Bundestagsfraktion verhinderte eine Entlastung von Mieter*innen bei den CO2-Preisen, auf die man sich in der Koalition bereits geeinigt zu haben schien!
Gut für CDU und CSU, dass sie sich auf die ihnen trotz alledem gewogenen alt-konservativen Medien aus den Häusern SPRINGER, BURDA und anderen verlassen können, die mit dem Glaubwürdigkeitsthema bei den Grünen gerne ablenken!
Schlecht für unsere Demokratie!