Spotify will mit Promis zum Monopol werden

Podcasts Der schwedische Anbieter verwandelt sich in den Traum jedes Plattformkapitalisten. Das Prinzip: Populäre Namen und Vereinheitlichung
Ausgabe 10/2021
US-Vizepräsidentin bei einer Aufnahme für das Spotify-Podcastformat „House Of Are & Be“
US-Vizepräsidentin bei einer Aufnahme für das Spotify-Podcastformat „House Of Are & Be“

Foto: Daniel Boczarski/Getty Images für Spotify

Jetzt hat Barack Obama wirklich alles erreicht: Erst ist er US-Präsident gewesen, jetzt ist er auch noch Podcaster. Der Mann weiß, welche Jobs en vogue sind. Renegades: Born in the USA heißt das Format, in dem er sich mit keinem Geringeren als Bruce Springsteen unterhält. Die beiden sprechen über „ihr Leben, Musik und die anhaltende Liebe zu Amerika“. So heißt es zumindest in der Podcast-Beschreibung. Wer da Laberpodcast-de-luxe-Vibes verspürt, dürfte so falsch nicht liegen.

Als der Podcast kürzlich erschien, war das ein großes Ding, der Deutschlandfunk widmete ihm eine eigene Besprechung in den Informationen am Morgen. Viel Aufmerksamkeit also, was die Tatsache besonders interessant macht, dass Renegades: Born in the USA exklusiv auf Spotify zu hören ist. Das galt auch schon für Michelle Obama. The Michelle Obama Podcast war zunächst auch exklusiv auf Spotify zu hören.

Es ist ein wiederkehrendes Phänomen: Spotify sichert sich Formate – oder vielmehr große Namen –, um deren Podcasts dann exklusiv auf seiner Plattform verfügbar zu machen. Dank des großen öffentlichen Interesses funktioniert das – und passt so ins Programm des schwedischen Konzerns, auf dem Audiomarkt der größte und möglichst unangefochtene Player zu werden, frei nach dem Glaubenssatz des Plattformkapitalismus: Es soll keine andere Plattform geben neben mir.

In Deutschland scheint das aufzugehen. Eine Analyse für das Jahr 2020 hat ergeben, dass Spotify Ende 2019 unter den Podcast-Plattformen einen Marktanteil von 34 Prozent hatte. Anfang des Jahres waren es noch 20 Prozent. Das ist mal schnelles Wachstum und inzwischen dürfte der bisherige Platzhirsch Apple Podcasts überholt worden sein.

Da schlägt das Herz des eingefleischten Plattformkapitalisten höher. Zumal Spotify ordentlich in diese Entwicklung investiert hat. Nicht nur in berühmte Hosts, sondern auch in Produktionsfirmen, in eine Plattform, auf der jeder Podcasts hosten kann, sowie eine Firma, die technologische Lösungen für das Einbetten von Werbung anbietet. Insgesamt soll das den Konzern laut einem Bericht von netzpolitik.org etwa eine Milliarde Dollar gekostet haben. Am Ende soll dafür eine geschlossenes System stehen, in dem auf der einen Seite Podcasts von Anfang bis Ende durchproduziert werden können und man auf der anderen Seite Musik hört und Obama lauscht, weiter zu Olli Schulz und Jan Böhmermann springt und schließlich bei einem Hörbuch landet. Das hat das Zeug zum Monopol.

So ein System, bei dem ein Rad ins andere greift, ein Rundum-sorglos-Paket, hat seinen Reiz, es verspricht Ordnung und Komfort für die Nutzer*innen. Die Podcast-Landschaft aber lebt von Wildwuchs, von der Lust, auszuprobieren. Diese Freiheit wird den Macher*innen vielleicht nicht genommen, und im Augenblick kann Spotify ihnen sogar helfen: Weil die Plattform dem Medium Podcast neue Zuhörer*innen verschafft. Doch damit kann es schnell vorbei sein. Denn wenn alle Podcast-Hörer*innen bei Spotify sind und die Plattform die Möglichkeit hat, bestimmte (im Zweifel die eigenen) Produktionen zu pushen, wenn Hörverhalten und Zielgruppen immer besser analysiert werden können, wird irgendwann nur noch Herbeianalysiertes zu hören sein. So hat der Journalist und Podcast-Experte Sandro Schroeder darauf hingewiesen, dass kommerzielle Plattformen (gerade Spotify) dazu neigen würden, eher auf bereits bestehende, erfolgreiche Formate zu setzen denn auf Innovation. Vor diesem Hintergrund wird eine gewisse Vereinheitlichung erkennbar. Zum Beispiel, dass häufig das Gespräch und die Prominenz der Gesprächspartner*innen im Zentrum eines Podcasts stehen.

Womit wir wieder bei Barack Obama und Bruce Springsteen wären. „Renegades“ bedeutet „Abtrünnige“, was doch recht ironisch klingt. Renegatentum in Bezug auf Podcasts sähe eher so aus: statt Spotify einen richtigen Podcatcher nutzen. Ob Apple Podcasts, Overcast oder Ähnliches. Auch da ist die Vielfalt groß.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

Benjamin Knödler

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