Rechtsruck Ein Fall in München zeigt, wie selbstverständlich unterdessen linke Bewegungen hierzulande gegängelt werden. Gerade in Zeiten wie diesen stimmt das bedenklich
Das Feindbild fest im Blick. Es war die Gewerkschaft der Polizei, die den DGB Bayern zunächst dazu brachte, die Antifa wieder auszuladen
Foto: John Macdougall/AFP/Getty Images
Nun findet der Antifa-Kongress Bayern also doch im Münchner DGB-Haus statt. Man könnte es sich bequem machen und die unselige Geschichte, die dieser Entscheidung voran gegangen ist, im Nachhinein als kleines Missverständnis abtun. Dessen Kurzversion geht wie folgt: In der Münchner Zentrale des Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern soll der Antifa-Kongress Bayern stattfinden. Unter dem Motto “Theorie, Vernetzung & Party” sind Workshops und Diskussionen organisiert.
Das Online-Portal Jouwatch, das als rechts oder rechtspopulistisch gilt, berichtet darüber. Die Epoch Times, die ebenfalls einen zweifelhaften Ruf genießt, springt auf, fragt in einem Artikel, ob das DGB-Haus in München seine Räumlichkeiten an “Verfassungsfeinde” ve
oder rechtspopulistisch gilt, berichtet darüber. Die Epoch Times, die ebenfalls einen zweifelhaften Ruf genießt, springt auf, fragt in einem Artikel, ob das DGB-Haus in München seine Räumlichkeiten an “Verfassungsfeinde” vermiete – ohne näher zu erklären, weshalb der Kongress überhaupt verfassungsfeindlich sein sollte. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) – Mitglied des DGB – interveniert und hat Erfolg: der DGB lädt den Antifa-Kongress wieder aus. Es kommt zu einem Proteststurm aus Politik und Gesellschaft. Vergangenen Sonntag gibt es ein klärendes Gespräch, an dessen Ende das Ergebnis steht, dass der Antifa-Kongress doch wie geplant stattfinden darf.Eine Episode als SinnbildEnde gut alles gut also? Nein, ist da doch das herrschende gesellschaftliche Klima, das diese Episode zum Sinnbild einer gefährlichen Entwicklung macht. Denn die Geschichte spielt sich in einem Land ab, in dem die AfD seit einigen Tagen endgültig mit ihren 92 Abgeordneten im Bundestag angekommen ist, einem Land, in dem die Zahl rechter Gewalttaten auch im Jahr 2016 weiter gestiegen ist. Spätestens seit den gewalttätigen Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg ist es gleichzeitig wieder en vogue, jedweden linken Protest und Widerstand zur größten aller Bedrohungen zu erklären. Nach dem G20-Gipfel schrieb Peter Altmaier: “Linksextremer Terror in Hamburg war widerwärtig und so schlimm wie Terror von Rechtsextremen und Islamisten” und Thomas de Maizière forderte, potentielle linke Gewalttäter sollten zur Not Fußfessel tragen. Inzwischen – mehrere Monate nach dem G20-Protest – hat die Hamburger Innebeörde eingeräumt, dass zentrale Punkte ihrer Darstellung der G20-Krawalle nicht bewiesen werden können. Die Stimmung freilich ist schon längst gemacht.Die Episode trägt sich in einem Land zu, in dem zugleich jedoch ein Amoklauf, der sich gezielt gegen Nicht-Deutsche richtete, nicht als rechter Anschlag behandelt wird, in einem Land, in dem der NSU-Prozess bald enden wird – ohne wirkliche Aufklärung. In einem Land, in dem der Innenminister die linksradikale Website Linksunten verbietet, in der die Linkspartei am Wahlabend als einzige ins Parlament gewählte Fraktion nicht bei Anne Will dabei ist, in der die Bild-Zeitung aber eine Öffentlichkeitsfahndung gegen autonome Randalierer von Hamburg einleitet und eine Schlägerei unter depperten Linken herbeischreibt, die es laut Vice so nie gegeben hat. Egal, Hauptsache “den Linken” noch einmal eins auf die Mütze gegeben.Man kann dies alles als verschieden gelagerte Einzelfälle sehen, die in keinem Zusammenhang stehen. Oder man betrachtet es als ein Gesamtbild. Zum hiesigen Rechtsruck kommt dann ein zunehmendes Verstummen linker Stimmen. Während lang und breit – zu recht – darüber debattiert wird, ob und wie nun mit wie auch immer definierten Rechten zu reden sei, geht man mit der Antifa und radikaleren linken Positionen im Allgemeinen weniger zimperlich um. Oft wird wahlweise kriminalisiert, marginalisiert oder mit rechts gleichgesetzt – getreu dem Motto: Zwischen Antifaschist oder Faschist gibt es keinen Unterschied. So verschiebt sich der Referenzrahmen nach rechts, Widerspruch und Widerstand gegen den Rechtsruck werden kleiner.Die Normalisierung findet schon stattVor diesem Hintergrund entlarvt die spontane Reaktion DGB die Normalisierung des Phänomens. Wenn der Dachverband der Gewerkschaften auf Druck von Rechts Gruppen auslädt, die rein historisch den Gewerkschaften eher nahe stehen, dann ist das – Revision der Entscheidung hin oder her – zum einen geschichtsvergessen. Zum anderen ist es Beleg dafür, wie nahe es inzwischen sogar eher linken Institutionen zu liegen scheint, gerade denjenigen die Anerkennung zu versagen, die sich vom Selbstverständnis her gegen rechte Gewalttaten, gegen Übergriffe und Drohungen stellen. Denn man muss nicht uneingeschränkter Bewunderer der “Antifa” sein, um zu sehen und anzuerkennen, dass gerade in strukturschwächeren Regionen Gruppen, die sich zur Antifa zählen, diese Aufgabe übernehmen.“Die Zeit des Redens ist vorbei”, hat Sibylle Berg jüngst geschrieben und sich gefragt, ob der Schwarze Block, die jungen Menschen der Antifa, diejenigen seien, die Faschisten mit dem einzigen Argument begegnen, das Rechte verstehen. Das mag manchem etwas zu undifferenziert erscheinen. Aber selbst wenn man den Glauben an den Dialog noch nicht völlig aufgegeben hat, muss man eines feststellen: Dass man keine gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit dem Rechtsruck führen wollen und gleichzeitig jene, die sich genau gegen diesen stemmen, pauschal verurteilen kann. In der Frage nach dem Umgang mit „den Rechten” darf die Diagnose über den gegenwärtigen Umgang mit „den Linken” nicht fehlen. Wir müssen uns fragen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen – und wer für diese kämpft.
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