Die Mitschuld von CDU und CSU an Pegida

Alltagsrassismus In Deutschland etablierten sich in den letzten Jahren immer neue rechtsorientierte Strömungen. Ein Ergebnis verantwortungsloser Politik in der Mitte

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Mehr Brandstifter, als einem lieb sein kann: Innenminister Hans-Peter Friedrich
Mehr Brandstifter, als einem lieb sein kann: Innenminister Hans-Peter Friedrich

Foto: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images

Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte Ende des Jahres 2014 den neuesten Ableger der Studie "Fragile Mitte / feindselige Zustände". Die Studie stellt fest, dass extremer Rassismus rückläufig zu sein scheint. "Subtilere Formen der Abwertung Anderer" aber verbreiten sich in Form von Xenophobie, Antisemitismus, Anti-Islamismus oder Homophobie immer intensiver. Der "nette Nazi" ist also ganz groß im Kommen. Aber warum? Wie kann es passieren, dass eine aufgeklärte Gesellschaft sich immer noch so intensiv weltverklärenden Verschwörungstheoretikern stellen muss?

Die Antwort ist in der politischen Mitte Deutschlands zu finden. Dort, wo CDU und CSU walten. Und dort, wo auch deren rechter Flügel sein Unwesen treibt. Hier wird seit Jahren im Umgang mit Randgruppen verantwortungslose Politik gemacht.

Jegliche Formen von Fremdenfeindlichkeit und Homophobie sind längst nicht mehr zeitgemäß und sollten auf der Liste der gesellschaftlich verhöhnten Ansichten stehen, möchte man denken. Dem ist aber nicht so. Es ist erschreckend, wie viele Menschen in Deutschland und Europa immer noch ganz offen äußern, dass sie Homosexualität für eine Krankheit oder ein Zeichen von Unmännlichkeit halten, ohne sich dafür schämen zu müssen. Es wimmelt nur so vor Homophobie und Co. im Alltag. Und genau dort müsste die politische Mitte ansetzen.

Es liegt in der Verantwortung der Parteien des politischen Zentrums, sich ganz klar nach Rechts abzugrenzen und sich öffentlich von Ansichten wie Xeno- oder Homophobie zu distanzieren. So wird diesen die gesellschaftliche Akzeptanz genommen und ein Grundverständnis in der Bevölkerung für deren Bodenlosigkeit geschaffen. Vor allem aber führt die Vernachlässigung dieser Pflicht dazu, dass Homophobie und Co. sich weiter im Alltag halten und rechte Strömungen sich etablieren können.

Auch wenn die CDU und CSU natürlich keine rassistischen oder homophoben Parteien sind, lassen sie doch seit Jahren immer wieder mal – sei es aus wählertaktischen Gründen, sei es aus purer Naivität – die Grenzen zu subtileren Formen von Rechts verschwimmen.

So äußerte Merkel im Wahlkampf 2013, dass sie sich, "ganz ehrlich" schwertue mit der kompletten Gleichstellung von Homosexuellen beim Adoptionsrecht. Eine erschreckend naive und über die Maßen unprofessionelle Aussage.

Ähnlich blamierte sich im September 2014 die CDU-Schulexpertin Karin Bertholdes-Sandrock, die vor Homosexuellen an Schulen warnte. "Auf keinen Fall kann es sein, dass beispielsweise Schwule und Lesben in den Klassen allein gegenüber den Kindern auftreten", wurde sie zitiert. Eine Aussage, die im 21. Jahrhundert fassungslos macht.

Aber nicht nur Homosexualität reizt das politische Zentrum zu unüberlegten Aussagen, auch oberflächliche Fremdenfeindlichkeit ist zu finden.

Kurt Fischer, CDU-Ratsherr in Hannover, brachte seine Partei in Erklärungsnot, als sich in Hannover für den 12. Januar 2015 ein Pegida-Ableger ankündigte. Fischer meinte, so berichteten verschieden Quellen, anlässlich dazu eine Stellungnahme mit dem Thesenpapier der Patrioten herumschicken zu müssen – aber nicht, um diese zu kritisieren, sondern um zur Teilnahme an der islamfeindlichen Bewegung aufzufordern. Er selbst würde dies auch tun.

In Chauvinismus ist aber die CSU seit eh und je Marktführer. Es gibt unzählige Beispiele für grenzwertige oder grenzüberschreitende Regungen der CSU, erinnert sei nur an die Vorwürfe gegen Sinti und Roma (Horst Seehofer: "Wer betrügt, der fliegt"), den Leitantrag, Ausländer mögen doch bitte auch zuhause Deutsch reden, oder Hans-Peter Friedrich, der nicht müde wird zu betonen, dass der Islam kein Teil von Deutschland sei.

Auch wenn Merkel sich von AfD und Pegida distanziert: Ganz unschuldig, dass solche Bewegungen in so einer Zahl aufkommen und Fuß fassen, sind sie und ihre Partei nicht. Auch subtilere Formen von Homophobie und Rassismus müssen endlich von der politischen Mitte zum Tabu erklärt und auch entsprechend abgedrängt werden. In den nächsten Wochen muss die CDU aktiv "Flagge zeigen" und sich, ohne Ausrutscher im Stile Seehofers, von rechtsgerichteten Strömungen weiterhin öffentlich distanzieren. Ansonsten droht, wie in Skandinavien, eine dauerhafte Veränderung der politischen Landschaft. Nur mit einem verantwortungsvollen politischen Zentrum kann man die Mitte unserer Gesellschaft von naiven, fremdenfeindlichen Weltbildern beschützen und vielleicht irgendwann ganz befreien.

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