Donbass fast übernommen. Was kommt jetzt?

Ukraine Es ist völlig irrelevant, ob das Referendum vom Wochenende als legal oder gültig betrachtet wird. Es hatte ein für die Zukunft entscheidendes Ergebnis.

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Übersetzung und Zusammenfassung aus:

Sergei Koslowski, РСД: Donbass fast übernommen. Was kommt als nächstes? (rus.)

Alexander Ivanov, РСД: Die Bewegung Süd-Ost sollte Separatisten und Oligarchen vertreiben (rus.)

Basis-Artikel:

Russische Linke wünschen sich Maidan zurück - 20 Thesen zur Ukraine-Krise

http://anticapitalist.ru/assets/components/phpthumbof/cache/etc_975408_3.jpg.ecfbe02aa410465c66e5c5c5f251a5e3.pngEs spielt letztendlich keine entscheidende Rolle, wieviel Bürger des Donbass letztendlich teilgenommen oder wie abgestimmt haben.

Allein, dass dieses Referendum abgehalten werden konnte, ist schon ein Sieg für die Separatisten und zeigt, dass Kiew keine Macht über den Osten hat. Die Kiewer Regierung selbst verursachte dabei die grösste Begeisterung für das Referendum durch ihre ostfeindliche Politik und den sog. "Anti-Terror-Einsatz" im Osten des Landes. Deren glühende Verurteilung machte selbst Nicht-Separatisten im Donbass zu "JA"-Stimmern.

Die Macht der Separatisten

Aber die Verurteilung der «Kiewer Junta» beantwortet noch lange nicht die Frage, wie die Separatisten den gegnerischen Kräften standhalten konnten. Um so ein Referendum abhalten zu können, bedarf es der Loyalität (oder zumindest der Nichteinmischung) der lokalen Sicherheitskräfte, der Behörden und der Wirtschaft, und schließlich die Macht, der «Anti-Terror-Operation» aus Kiew wirksam begegnen zu können.

http://anticapitalist.ru/assets/components/phpthumbof/cache/etc_3a43742f00115525c8ba42f4c6fc56e3.jpg.ecfbe02aa410465c66e5c5c5f251a5e3.pngDafür benötigten die Separatisten Koordination und Ressourcen, die die Führer der selbsternannte «Republiken» offensichtlich nicht selbst aufbringen konnten. Es ist klar, dass die nötige Unterstützung nur aus den Reihen der Gruppen von Janukowitsch, Achmetows und des Kreml kommen können.

Die nächsten Schritte

Darüber, was mit dem Donbass passieren wird, nach seiner Trennung von der Ukraine, ist vermutlich noch nicht entschieden. Die Situation ist klar - der nächste Schritt ist die Verkündigung der «Unabhängigkeit».

Eine offizielles Kontingent von Russischen Truppen «für den Schutz der Zivilbevölkerung» wird es wahrscheinlich nicht brauchen, denn die privaten Sicherheitskräfte Achmetows sind in der Lage, sich selbst zu organisieren, und neue Staatsgrenzen mit den benachbarten Regionen der Ukraine aufzubauen.

Die weitere Ausbreitung der Separation nach Süden und Westen, entlang der Schwarzmeerküste zu den Ufern des Dnjestr – was bis vor kurzem noch illusorisch erschien, wird jetzt ziemlich real. Jedenfalls scheint auf solche Weise die Landverbindung der Krim und die Versorgung der Halbinsel mit Frischwasser realistischer möglich zu sein, als durch den Bau der riesigen, viel zu teuren Brücke über die Kertscher Meerenge.

Durch die Kontrolle aller ukrainischen Schwarzmeerhäfen würde man auch gezielte westliche Sanktionen gegen die Krim nahezu unmöglich machen. Denn es wäre eine Sache, die Ausfuhr ukrainischer Metalle, der Lebensmittel, Produkte der chemischen Industrie über Feodossija und Kertsch auf der Krim zu sperren, was für die Wirtschaft der Krim ein grosses Problem wäre, aber eine ganz andere, auf alles zu verzichten, was der Donbass exportiert und den Westen von der Nutzung aller Exporte über die Schwarzmeerhäfen auszuschliessen.


Der Rückhalt in der Bevölkerung

Gibt es bei der Kampagne für die Gründung der Republik «Noworossija» eine breite Unterstützung in den südöstlichen Regionen der Ukraine? Ja, und selbst nach bescheidenen Einschätzung des Referendum aus Kiew, ist diese sehr groß und wächst zusehens. Mindestens 32% der Gesamtzahl der Wahlberechtigten - das ist eindeutig viel mehr als zB je zuvor die Partei Батькивщина - Allukrainische Vereinigung „Vaterland“ erhielt in der Region Donetsk.

Die Bewegung «Republik Donezk» begann als Aufstand ganz spontan, und war für die einheimischen und die Russischen Behörden, und selbst für Achmetow, der stets daran gewöhnt war, die volle Kontrolle über die Situation in der Region zu haben, eher überraschend.

Ursachen des Willens zur Separation

Gründe der Unzufriedenheit im Donbass waren bisher immer mit den Aktionen der Kiewer Behörden in der Regel im Zusammenhang mit Fragen der kulturellen und sprachlichen Politik verbunden. In Wirklichkeit liegen sie aber viel tiefer, vor allem im Niedergang des offiziellen Status der Russischen Sprache, der drastischen Änderung in der Würdigung der gemeinsamen Russisch-Ukrainischen Geschichte in die Lehrpläne der Schulen, die Demontage der sowjetischen und die Errichtung anti-russicher Denkmäler in der ersten Hälfte der 90er. All das fiel auch noch zusammen mit der Zeit der rapiden Verschlechterung des Lebensstandards im Land.

Die Bewohner Süd-Ost wussten nicht genau Bescheid über Bandera «бандеровцы», aber dennoch hassten sie alles, was damit verbunden war. «бандеровцы» - das war die postsowjetische Macht, die die einst reichste und entwickeltste Region der Sowjetunion in die Zone der Zerstörung und Armut getrieben hat.

Übrigens gilt die Verarmung des westlichen Landesteiles (verglichen mit der Periode der 50-er bis 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts) als vergleichbare Ursache für den Aufstieg der nationalistischen Stimmung, nur dort wurde der Rückgang der staatlichen Unterstützung der ukrainischen nationalen Kultur Donetsk und Dnepropetrovsk «Moskowiter» zugeschrieben, die nur flirten mit der ukrainischen Kultur, aber in Wirklichkeit anti-ukrainische Politik verwirklichten.

Besonders prägnant im Vergleich mit der lokalen Situation in der Ost-Ukraine war die Erhöhung des Lebensstandards in Russland, was auch immer sie herbeigeführt hat. Wladimir Putin wurde zum populärsten Politiker der Süd- und östlichen Regionen der Ukraine, worüber die ukrainischen Massenmedien mehrfach mit großer Besorgnis schrieben.

Die Ukrainischen Politiker versprachen «die europäische Zukunft» viel zu lange und sie haben immer gelogen, deshalb ist die Reaktion "wir brauchen keine europäische Zukunft, laßt uns einfach unsere russische" auch verständlich. Der pro-europäische Sieg der Opposition, die sich auf die Unterstützung der Faschisten stützt, die tatsächlich Menschen ausrauben und töten, sowie die Handlungen und die Erklärungen der Kiewer Politiker, haben seit langem den schwelenden Prozess beschleunigt, und diesen bis heute tatsächlich irreversibel gemacht. Und je mehr Blut fliessen wird – desto stärker wird die Position der Anhänger der «Republik Donezk».


Ausblick

Über das, was die Bewohner des Donbass in Novorossia - Новороссии - erwartet, erfahren sie mit einem Blick zu ihren Nachbarn - Bürger von Transnistrien, Abchasien, und jetzt der Krim - Probleme mit Auslandsreisen, Rückgang der Produktion, Reduzierung der Touristenströme, aus Moskau gesteuerte Wahlen, sowie russischen Migrationsrecht und alle anderen russischen Aspekte. Wenn wir von dem Prinzip ausgehen "alles nur nicht der Krieg", dann kann diese Alternative attraktiv erscheinen. Und andere Alternativen bieten sich derzeit ohnehin nicht.

Aber eine Bewegung wie im Donbass, die sich nur als Reaktion auf den Ukrainischen Nationalismus des Kiewer Maidan versteht, mit eigenem Russischem Nationalismus, ohne einen grundsätzlich anderen politischen und wirtschaftlichen Programm ist für ein grösseres Wohle des Volkes zum Scheitern verurteilt, sie fördert nur wieder die alte Ordnung mit neuen Gesichtern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

berlino1010

Russland-Versteher in Ausbildung

berlino1010

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