Frohe Weihnachten aus Wolgograd!

Wolgograd с Рождеством Христовым!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Frohe Weihnachten aus Wolgograd!

Foto: Harry Engels/Getty Images

Es ist jetzt einige Zeit her, nein nicht Weihnachten, das feiert man in der Tat hier erst am 7. Januar, sondern die laut Chefredakteur Dr. Kai Gniffke "eher nachrichtenschwachen Tagen", an denen seine Tagesschau auch 48 Stunden nach dem Unfall lieber minutenlang mit Schumi aufmachte, "als die Nachrichten krampfhaft mit sogenannten B-Themen" wie dem 2. Bombenanschlag von Wolgograd füllen zu müssen.

Am Montag, dem 15. April 2013 explodierten in Boston 2 Bomben, 3 Menschen wurden getötet. Noch am nächsten Tag informierten uns Sondersendungen, der ARD «Brennpunkt Boston» oder das ZDF «Terror-Jagd in Boston» ausführlich über Ausmaß und Hintergründe der Attentate, über die Identitäten der Kaukasischen Täter, über die Opfer, ihre Bilder und deren Schicksale. So erfuhren wir etwa über die 29-jährige Krystle Campbell von ihrer Großmutter: "Sie hat immer gelächelt, immer hat sie gelächelt, egal was passiert ist - sie hat gelächelt."

Über die Attentate in Wolgograd mit 34 Toten berichteten die Nachrichten von ARD und ZDF nachrangig 2 Minuten, Sondersendungen gab es keine, dem am 2. Tag nach Wolgograd gereisten Udo Lilischkies ließ man ganze 45 Sekunden berichten, und so blieben uns Bilder und Schicksale der Opfer verborgen, ebenso Hintergründe über die Kaukasischen "Rebellen" wie die Täter von Jan Hofer u.a. genannt wurden. Lediglich Ina Ruck informierte mit Betroffenheit im ARD-Morgenmagazin, dass auch ein einjähriges Baby unter den Opfern sei. Man musste schon die internationalen Medien bemühen, um beispielsweise etwas über Vika Tolkunova zu erfahren, das 3 Monate alte Baby, das im künstlichen Koma liegt, und deren Mutter in dem Bus getötet wurde, als ein "Rebell" die Bombe neben ihnen zündete. Vielleicht hätte sich Hermann Krause vom WDR beim Anblick dieser Bilder auch gespart, von hausgemachten Terror zu sprechen, an dem die Russen selbst schuld sein oder davon, dass die Anschläge von Wolgograd einen Strich durch Putins Rechnung machen bei seiner "Schön-Wetter-Politik" mit der er den Westen für sich einnehmen wollte.

Wenn ich dieser Tage durch Wolgograd gehe, das Leid erinnere und auch heute an Weihnachten noch die Angst unschuldiger Menschen sehe, dann bin ich nur froh, dass man hier kein Deutsches Fernsehen empfangen kann. Meine unguten Gefühle als Deutscher im ehemaligen Stalingrad haben mir die Menschen hier mit ihrer Herzlichkeit längst genommen. Doch wer nimmt mir die Scham über die kalten, herzlosen Deutschen Anti-Russland-Berichte, deren Arroganz und Besserwisserei nicht einmal vor dem Leid Dutzender toter Kinder, Frauen, Zivilisten halt macht, es im Gegenteil ausnutzt, um abermals gegen "Putins Spiele", über mangelnde Sicherheit zu wettern oder angeblich repressive Sicherheitsmaßnahmen im Nachgang zu den beiden Bombenattentaten zu beklagen.

Ich wünsche Vika und allen Verletzten baldige Geneßung, den betroffenen Familien viel Kraft und Wolgograd und Russland frohe Weihnacht und der ganzen Welt ein friedliches 2014!

Michael Steinke, Volgograd

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

berlino1010

Russland-Versteher in Ausbildung

berlino1010

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden