Ich fühle mich wie eine Truckerkönigin. Es ist cool, unseren sieben Meter langen Radiobus, das Mothership, mit 90 Stundenkilometern durch die schönste spanische Roadmovie-Landschaft zu gondeln. Hoch über der Autobahn träume ich mich durch die Extremadura, die ja schon von den Aeronauten vertont wurde, mein Kollege Andreas und ich bereiten uns mit mauretanischer Musik auf unser marokkanisches Abenteuer vor.
Nach fünf Stunden Fahrt übernachten wir endlich in einem Motel, an dem eine zerrissene EU-Fahne hängt. Ist das ein Zeichen, dass ich mein Café Europa eröffnen soll? Doch wir sind beide viel zu ausgelaugt und beschließen, morgen einen Strandtag in der Hippieenklave Caños de Meca einzulegen. Von dort aus geht es nach Tarifa, wo wir die Fähre nach Tanger nehmen wollen. Ich bin schon ganz aufgeregt, denn diese Strecke habe ich in meinem Lied Haus im Ozean in umgekehrter Richtung besungen. Jetzt werde ich endlich die tragische Straße von Gibraltar nach Afrika überqueren. Da erfahren wir, dass der Techniktransporter mit unserem marokkanischen Fahrer Tarik am Zoll in Tanger festgehalten wurde. Wir beschließen, ihn da rauszuhauen.
Ein Liebeslied, bitte
Nach einer kurzen Schiffsüberfahrt finden wir Tarik völlig genervt am Zoll. Mehrere Stunden fahren wir inmitten der anderen marokkanischen Truckerkönige kreuz und quer durch den Hafen, um Zollpapiere von A nach B zu bringen. Als wir endlich den Hafen verlassen dürfen, ist es schon 20 Uhr, und Tarik bietet uns an, bei seiner Familie in Tanger zu übernachten. Für eine Caféeröffnung ist es eh viel zu spät. Tarik fährt vor, wir folgen ihm am Meer entlang durch ein paar Fischerdörfer. Es ist wunderschön, die Menschen und die Häuser so anders, und der Vollmond ist derselbe, den mein Liebster in Deutschland gerade ansieht.
Tariks Vater spricht als Einziger Französisch, die Frauen nur Arabisch, ein Sohn kann etwas Englisch. Es ist verrückt, wie gut man sich mit Händen und Füßen unterhalten kann. Die hocharabischen Sätze, die ich monatelang mit meiner syrischen Freundin geübt habe, werden hier leider kaum verstanden. Doch es gibt ja noch die globale Sprache der Musik. Nachdem uns marokkanische Köstlichkeiten aufgetischt werden, spiele ich ein paar Songs auf der Gitarre. Die Damen des Hauses singen begeistert mit, vor allem das Wort „Verlust“ scheint ihnen zu gefallen, und auch bei Nein Nein Nein steigen sie ein. Mein Café Europa ist eröffnet, ich bitte sie, mir ein Liebeslied vorzusingen, sie schmettern: „Ich bin schwierig, aber lieb mich trotzdem!“
Um 23 Uhr gibt es noch ein Nachtessen, wir sind zu höflich, um es auszuschlagen, ein paar Tage nach dem muslimischen Opferfest haben sie wahrscheinlich noch das halbe Lamm auf der Dachterrasse. Ich muss mein Vegetariertum kurz mal ausblenden, und ich frage mich, wie man es hier schaffen kann, schlank zu bleiben? Die einzige Möglichkeit ist Nahrungsverweigerung. Die dicke Großmutter liegt auf der Couch und kann sich kaum bewegen, die hat wahrscheinlich ihr ganzes Leben in der Küche gestanden und süße, ölige Leckereien vorbereitet, der Dank dafür ist Bewegungslosigkeit. Die superherzliche Mama des Hauses gibt mir einen Kaftan mit auf den Weg mit dem Tipp, den solle ich in Casablanca auf der Straße tragen.
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