Zum ersten Mal sah und hörte ich Aretha Franklin 1982 in dem Blues-Brothers-Film im Programmkino Leinwand meiner Heimatstadt Bad Salzuflen. Jede Vorführung war eine Party. Mir gingen schon damals die Jungs mit den schwarzen Anzügen und den Sonnenbrillen auf die Nerven, die jedes Wort mitsprechen konnten und sich dabei wahnsinnig witzig vorkamen. Aber die Szene mit Aretha in Kittelschürze, die ihrem untreuen Ehemann eine soulige Arschtritt-Lektion mit ihrem Song Think verpasste, brachte die Sonnenbrillenjungs zum Schweigen.
Dann entdeckte ich Respect, diesen Megahit, der nicht nur die Männer in ihre Schranken wies, sondern Gleichberechtigung für alle forderte und wie ein Schmetterling aus Beton den Soul in die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung schmiss.
Gut, es gab auch Marvin Gaye und Motown, Soulsängerinnen wie Laura Nyro hatten eine ähnlich mitreißende Wucht. Doch Aretha Franklin war mit ihrer äußerlich massiven, immer eleganten Erscheinung so einmalig, dass man nicht an ihr vorbeikam. Bluessängerinnen wie Big Mama Thornton, die mit Hound Dog 1952 einen Nomber One Hit in den R&B-Charts hatte, lange bevor Elvis Presley es an das weiße Popcharts-Publikum verkaufte, hatten vorgelebt, wie man ein starkes Frauenbild verkörpert, wurden aber nie so berühmt.
Aretha Franklin war als Tochter eines charismatischen Detroiter Baptistenpredigers und einer Gospel singenden Mutter prädestiniert dafür, Sängerin zu werden. Meine eigene Stimme fand auch ich als Vorsängerin in meiner nicht ganz so glamourösen ostwestfälischen Kleinstadtkirche, in der ich als Kind jeden Sonntag die ganze Gemeinde zum Singen anleitete. Der Pathos und das Glücksgefühl, die Resonanz der eigenen Stimme in einer Kirche zu hören, haben mich nie losgelassen.
Mit 12 Jahren wurde Aretha zum ersten Mal, mit 14 zum zweiten Mal Mutter. Dieser Teil ihrer Biografie liegt im Dunkeln. Wenn ich mir vorstelle, wie ein Kinderstar selbst zwei Kinder bekommt, um dann als Teenager ihr erstes Album zu veröffentlichen, kann ich mir vorstellen, unter welchem Druck sie gestanden haben muss.
Kusch, Männer mit Doofbrillen
In den 60ern, kurz vor Arethas Durchbruch bei Atlantic Records, weinten die meist schwarzen Girl Groups wie The Chrystals, The Ronettes oder die Supremes in ihren Songs noch den Jungs hinterher. Das hatte Aretha nicht nötig. Sie war eine „natural woman“, wie sie in dem von Carole King geschriebenen Lied schmetterte, und vor dieser weiblichen Naturgewalt sollten sich die Männer in Acht nehmen, da gab es keine falschen Sentimentalitäten, sondern einen kämpferischen Stolz, der sie zur Ikone der Feministinnen machte.
Sie konnte Lovesongs in politische Hymnen verwandeln wie Wasser zu Wein. Mit dem richtigen Ton gewann sie auch viele Männer für sich, ohne dass sie je ein Sexsymbol war. Vielleicht müssen sich Männer mit solch starken Frauen schmücken, um zu zeigen, dass sie die Guten sind. Vielleicht sind deshalb die meisten Nachrufe von männlichen Autoren geschrieben, denen Aretha die coolen Sonnenbrillen von den Nasen haute und die sie zum Weinen brachte, wie Obama bei ihrem letzten Auftritt. Der Respekt, den sie sich verschafft hat, öffnete Soul-Türen für Generationen von Sängerinnen, von Missy Elliot über Beyoncé bis zu mir selbst. Danke, Aretha!
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.