Filme in Cluj

Festival Spätestens seit Cristian Mungius stilles Drama 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage (Freitag 47/07) im letzten Jahr den Hauptpreis beim Filmfestival in ...

Spätestens seit Cristian Mungius stilles Drama 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage (Freitag 47/07) im letzten Jahr den Hauptpreis beim Filmfestival in Cannes gewann, steht das rumänische Kino im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit. Dieses Jahr kamen mit dem Goldenen Bären für O zi buna de plaja (Ein guter Tag zum Schwimmen) und der Goldenen Palme für Megatron zwei Auszeichnungen für Kurzfilme dazu. Doch während die internationale Erfolgsserie anhält, fehlt im Inland die wirtschaftliche Basis für eine Filmindustrie.

"Viele der Filme, die international ausgezeichnet wurden, haben sich in Rumänien nicht durchsetzen können", resümiert Mihai Chirilov, Leiter des 7. Transsilvanischen Filmfestivals in Cluj-Napoca, das einen Überblick über den Stand des rumänischen Kinos liefert. Er spielt auf den Arthouse-Charakter der Erfolgsfilme an und erwartet für die nächsten Jahre ein Zurück zur Normalität: "Wir brauchen auch Box-Office-Hits, Mainstream- und Genrefilme, Kostümdramen, zeitgenössische Komödien und Experimentelles."

In der Tat repräsentiert bereits der aktuelle Jahrgang eine Bandbreite kinematografischer Erzählformen, und das auf ziemlich hohem Niveau: Der Film Nunta muta (Lautlose Hochzeit) über ein Hochzeitsfest, das von der Nachricht vom Tod Stalins unterbrochen und aufgrund der verordneten Staatstrauer geräuschlos weitergefeiert wird, wurde mit zehnminütigen Ovationen bedacht. Das Regiedebüt des Schauspielers Horatiu Malaele dürfte den Nerv eines breiten Publikums treffen, während Arbeiten wie Anca Damians kunstvoll verknüpfter Episodenfilm Intilniri incrucisate (Crossing Dates) mit ungewöhnlichen Erzählperspektiven spielen. Bei den Kurzfilmen fiel Apa (Wasser) auf, eine in epischem Cinemascope erzählte Begebenheit aus dem Zweiten Weltkrieg; angesichts der Dominanz quasi-dokumentarischer Alltagsbeobachtungen im elektronischen Format eine Referenz an das "richtige Kino", wie es ein britischer Journalist ausdrückte.

Doch gerade die erwähnten Alltagsgeschichten gehören zu den Stärken des rumänischen Kinos. Beklemmend lebensnah beschreibt etwa Boogie, wie ein junger Vater in einer durchzechten Nacht mit alten Freunden den Abschied von seiner verlängerten Jugend realisiert. Radu Muntean hat - wie Marian Crisan in Megatron oder Radu Jude in Alexandra - mit seinem nüchtern inszenierten Slackerfilm die Komplexität kommunikativer Disfunktionalitäten im Blick, mit der die Realität zeitgenössischer Familien- und Freundschaftsverhältnisse zur alltäglichen emotionalen Katharsis wird. Dass es dazu keiner großen Metaphern bedarf, liegt nicht zuletzt an den Schauspielern, die ihre Rollen mit kleinen Gesten interpretieren, und an Dialogen, hinter deren schematischer Fassade sich die kollektive Paranoia moderner Patchwork-Existenzen erschließt.

Rumäniens kinematografischer Aufbruch vollzieht sich unter weitgehendem Ausschluss des einheimischen Publikums. Der Filmemacher und Produzent Tudor Giurgiu: "Viele junge Leute sind nie in einem Kino gewesen." Während im europäischen Durchschnitt eine Leinwand auf 15.000 Einwohner kommt, sind es in Rumänien 200.000. Damit droht der Branche nicht nur der alltagskulturelle Erfahrungshorizont ihres Publikums wegzubrechen, sondern auch die ökonomische Basis. Neben fehlenden Einnahmen aus den Kinokassen werden die florierende DVD-Piraterie und die chronische Finanzschwäche des staatlichen Fernsehens beklagt. Einen Ausweg sieht Eugen Serbanescu, Generaldirektor des rumänischen Filmzentrums, in ausländischen Investitionen. Doch hier könnte sich, so der ungarische Produzent László Kántor, dessen Firma einige rumänische Filme koproduziert hat, irgendwann Krisenstimmung breitmachen: "Filmförderung ist keine Einbahnstrasse. Irgendwann werden die ausländischen Koproduzenten fragen, was Rumänien ihnen geben kann." Nach der Krise des Jahres 2000, als kein einziger Film produziert worden war, ist Rumänien, so Giurgiu, zwar "zu einer der angesagtesten Filmnationen der Welt geworden", steht im eigenen Land aber vor erheblichen strukturellen Problemen.

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