Nach den Präsidentschaftswahlen Anfang April 2008 kam es in der Republik Moldau zu heftigen Unruhen, als die Opposition der regierenden Kommunistischen Partei Wahlfälschung unterstellte. Der amtierende Staatspräsident Vladimir Voronin reagierte mit Beschuldigungen gegen das benachbarte Rumänien, dem er vorwarf, zur Eskalation des Konflikts beigetragen zu haben – während der Demonstrationen wurden moldauische und rumänische Fahnen geschwenkt. Voronin verhängte kurzfristig einen Visumzwang für rumänische Staatsbürger. Der wiederum die in sich gespaltene moldauische Filmszene trifft.
Die politische Landschaft in der Republik Moldau ist nicht nur vom Transnistrien-Konflikt geprägt, sondern auch von der Spaltung in Kommunisten und die
n und die pro-europäische Opposition. In zwei Lager zerfällt auch die Filmszene: Auf der einen Seite das staatlich kontrollierte, 1952 gegründete Moldova-Film-Studio, auf der anderen Seite die unabhängigen Produzenten und Filmemacher. Es wirkt symptomatisch, wenn der Leiter von Moldova-Film, Aureliu Mateuta, mit Sandu Vasilache, dem Regisseur des zur Zeit in Produktion befindlichen Historiendramas Lupii si zeii (Gott und Wölfe) und Leiter des russischen Theaters in der Hauptstadt Chişinău, Russisch spricht, während die unabhängigen Filmemacher und Produzenten miteinander auf Rumänisch kommunizieren. Am Rande des diesjährigen Transsilvanischen Filmfestivals in Cluj-Napoca (der Freitag, 10. 6. 09) kamen beide Seiten zu einer Diskussionsrunde zusammen und versuchten, eine gemeinsame Sprache zu finden. Offiziell gilt das mit dem Rumänischen nahezu identische Moldauisch als Landessprache, während Russisch als Verkehrssprache im Alltag gleichberechtigt benutzt wird. Wölfe und Götter wird auf Rumänisch gedreht.VisumzwangAnders im Kinoalltag. Wenn auf den in der Republik Moldau verbliebenen sechs Kinoleinwänden internationale Blockbuster zu sehen sind, dann mit russischem Voice-over. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten sich russische Verleiher die Rechte in fast allen assoziierten GUS-Staaten gesichert. Und so vertreibt auch der einzige, unter der rumänischen Bezeichnung Patria-Film firmierende moldauische Filmverleih bloß abgelegte Kopien aus Russland. Rumänischsprachige Filme kommen nur selten ins Kino, etwa im Rahmen von Cronograf, dem einzigen Filmfestival des 3-Millionen-Einwohner-Landes. Das internationale Dokumentarfilmfestival hat kürzlich eine Wettbewerbssektion eingerichtet, deren Auswahlkriterium die gemeinsame Sprache ist: Hier laufen Arbeiten, in denen es um „Rumänen oder rumänische Gemeinschaften in aller Welt“ geht.Die politische Nähe der unabhängigen Filmszene zum westlichen EU-Mitgliedsland Rumänien ist den augenblicklichen Machthabern in Chişinău ein Dorn im Auge. Von der spärlichen Filmförderung, die zur Zeit allein der staatlichen Moldova-Film zugutekommt, profitieren sie nicht. Und werfen der Regierung vor, vor allem „Auftragsarbeiten“ zu finanzieren, die die Rolle des Staates und die Verdienste der Regierung in der Gesellschaft schönreden.Dass der im April eingeführte, restriktiv gehandhabte und mit langwierigen Bearbeitungszeiten verknüpfte Visumzwang für Rumänen gilt – andere EU-Ausländer sind davon nicht betroffen –, trifft die moldauische Filmszene insofern, als viele der jüngst initiierten bilateralen Projekte nur noch unter großen Schwierigkeiten realisiert werden können. Die Einreise der rumänischen Partner wird erschwert, und moldauische Staatsbürger benötigen für das EU-Land Rumänien ebenfalls ein Visum. Ein Drittel der internationalen Gäste von Cronograf kam bisher aus Rumänien – vielleicht ist der Visumzwang daher, neben der strukturellen einheimischen und der globalen Finanzkrise, ein Grund, warum Festivalleiter Virgil Mărgineau seine Veranstaltung vom angestammten Termin im Mai auf Oktober 2009 verschoben hat.Für diesen Zeitraum ist auch die Wiederholung der umstrittenen Wahlen anberaumt. Dass, wie von den unabhängigen Produzenten gefordert, bis dahin eine Filmfördergesetzgebung ausgearbeitet sein wird, ist unwahrscheinlich. Schließlich gibt es, so der Produzent Dumitru Marian, im zuständigen Ministerium nicht einmal einen mit entsprechenden Kompetenzen ausgestatteten Beamten. Immerhin zeigte sich Moldova-Film-Leiter Mateuta in Cluj offen für Gespräche, und populäre Regisseure wie Sergiu Prodan, der sich wie viele seiner Kollegen in den letzten Jahren einzig mit Werbeclips über Wasser gehalten hat, ließ vorsichtiges Interesse an einem Wiedereinstieg in die Filmproduktion erkennen.ÜberlebenskampfDas Vorhandensein einer direkten Zensur indes wurde übereinstimmend verneint. Filme wie George Agadjaneans San Sanych über den mühsamen Alltag eines Jungen aus einer Alkoholikerfamilie in Chişinău erörtern schonungslos soziale Defizite. Mit Agonia surzilor (Die Agonie der Taubstummen) legte der Journalist Ion Terguţă vor kurzem ein Protokoll der April-Ereignisse vor, Agadjanean vergleicht in seinem neuesten Dokumentarfilm Ţara Poveştilor (Land der Märchen) den Alltag in Dänemark, Rumänien und der Republik Moldau. Und geht damit der Frage nach, wie es um die Demokratiefähigkeit der politischen Kultur in seinem Land steht.Igor Cobileanski erörtert in Kurzfilmen wie Cînd se stinge lumina (Wenn die Lichter ausgehen) oder (Plictis şi) inspiraţie (Inspiration) mit absurdem sarkastischem Humor den alltäglichen moldauischen Überlebenskampf zwischen Korruption und Misswirtschaft, Streben nach kurzfristigem Materialismus und der sachfremden Überheblichkeit provinzieller Autoritäten. Seinen ersten Langspielfilm Taché indes realisierte Cobileanski in Rumänien: dem wirtschaftlichen und auch politischen Zufluchtsort für viele moldauische Filmschaffende.