Warum nicht Bamberg? Fast alle Fächer an der bayerischen Universität sind zulassungsfrei, Bewerber werden vom Vizepräsidenten, zuständig für Lehre und Studium, ausdrücklich willkommen geheißen: „Es ist uns wichtig, jungen Menschen dauerhaft den Zugang zu Bildung zu ermöglichen“, sagt Sebastian Kempgen.
Mit so offenen Armen empfangen inzwischen nur noch wenige Hochschulen ihre Studierenden. Fast jeder zweite grundständige Studiengang in Deutschland ist zulassungsbeschränkt; an einigen großen Universitäten sind es sogar alle. Die Hochschulen errichten Mauern. Mitten in der Bewerbungsphase für angehende Studenten sorgt die Süddeutsche Zeitung mit einer Umfrage unter den großen Unis für Aufregung. Ergebn
r Aufregung. Ergebnis: Angesichts doppelter Abi-Jahrgänge wird es immer schwieriger, einen Platz zu ergattern.Und wieder entzündet sich der Streit an einer alten Frage: Sollte die Abiturnote darüber entscheiden, wem sich welcher Karriereweg öffnet oder verschließt? Darf ein willkürlich gewählter Wert im Nachkommabereich bestimmen, wer auf direktem Weg Ärztin wird und wem nur die Ausbildung zum Krankenpfleger bleibt?Ungenaue VorhersageEine solche Auswahl klingt absurd und wirkt ungerecht – zumal sie nichts damit zu tun hat, wie anspruchsvoll ein Fach ist (obwohl dies oft irrtümlicherweise angenommen wird). Der Numerus clausus spiegelt allein das Zahlenverhältnis von Bewerbern und mangelnden Plätzen. Aufs Abitur zu schielen wirkt vor allem deswegen so ungerecht, weil es deutschlandweit alles andere als vergleichbar ist.Jedes Land strickt munter seine eigenen Anforderungen für die Reifeprüfung; und selbst bei exakt gleichen Noten steht am Ende der Oberstufe nicht überall in Deutschland derselbe Schnitt auf dem Abiturzeugnis. Jedes Bundesland berechnet die Endnote nämlich unterschiedlich, gewichtet Fachnoten anders.Auf den ersten Blick erscheint es daher sinnvoll, den Zugang zum Studium vom Abitur zu entkoppeln. Das fordert etwa der Chef der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. Vor wenigen Monaten sagte er in einem Interview: „Wir glauben, wir können Noten bundesweit vergleichen. Aber dazu ist unser Schulsystem viel zu heterogen.“Sein Vorschlag: Die Hochschulen sollten bei der Vergabe von Studienplätzen stärker auf Auswahlgespräche und Eignungstests setzen. International ist es ohnehin üblich, das Studium nicht von einem Schulabschluss abhängig zu machen. Doch so verlockend der Abschied vom Abitur auch wirkt: Hipplers Idee ist falsch. Und richtig, aber auf ganz andere Art.Fachtests sind unzuverlässigIm Mai hat sich Hipplers Traum ein Stück weit verwirklicht: Abiturienten brühten in Stadt- und Mehrzweckhallen quer durch die Republik zeitgleich über einem Bogen: Muster in Bilderreihen wiedererkennen, Mathematikaufgaben lösen, naturwissenschaftliche Fragen beantworten. Eine Reihe von Hochschulen setzt seit einigen Jahren wieder auf den sogenannten Medizinertest.Auf den ersten Blick scheint der Test ein gutes Mittel zu sein, um Studierende auszuwählen. Aber lässt sich hier wirklich besser erkennen, wer später einmal wenig Probleme mit dem Medizinstudium haben wird? So unvergleichbar das Abitur auch ist: Die Fachtests, mit denen Universitäten experimentieren, sind in der Regel weniger zuverlässig – trotz des Aufwandes, trotz der ausgetüfftelten Fragebögen, trotz der speziell auf das Fach abgestimmten Testaufgaben. Wie erfolgreich jemand ein Studium durchläuft, das lässt sich immer noch am besten mit der Abiturnote abschätzen.Noch schlechter als Eignungstests schneiden Auswahlgespräche ab. Wenn Professoren sich mit Studienbewerbern unterhalten, irren sie gewaltig, und zwar umso mehr, je lockerer das Gespräch ist. Sie wählen in der Regel kaum die Kandidaten aus, die die besten Studenten zu werden versprechen – sondern eher diejenigen, die ihnen gleichen, die demselben sozialen Milieu entstammen. Die Auswahl wird nicht nur schlechter, sondern auch ungerechter: Professoren nehmen bevorzugt Professorenkinder in die beliebten Fächer auf.Chaos bei der ZulassungEs spricht daher kaum etwas dafür, die Auswahl ihrer Studenten den Hochschulen und ihrem Einfallsreichtum zu überlassen. Das lehren auch die Erfahrungen der vergangenen Jahre. Seit 2004 haben die Hochschulen größere Eigenverantwortung dafür, wen sie zum Studium zulassen. Die Entscheidung fügte sich ein in den Zeitgeist, der die Autonomie der Hochschule pries und sie zum Wettbewerb um die besten Studierenden anstachelte – ganz so, als seien sie keine staatlichen Einrichtungen, sondern private Bildungsunternehmen. Das Ergebnis ist verheerend: Studenten bewerben sich doppelt und dreifach, um ihre Chancen auf einen Platz zu erhöhen. Noch bis weit ins Semester hinein rücken Bewerber nach, weil die Zugelassenen einen besseren Platz bekommen haben und abgesprungen sind. Der Weg ins Studium führt seither durchs Zulassungschaos.Und so wird eine längst abgeschriebene Institution wiederentdeckt. Die Zentralvergabestelle für Studienplätze (ZVS), umgetauft zur Stiftung für Hochschulzulassung, soll die Mehrfachbewerbungen für die Universitäten abgleichen und managen. Dummerweise funktioniert die Bewerbungsplattform hochschulstart.de bisher nur für 176 Studiengänge, lange hatte das System mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Und dummerweise ist keine Hochschule verpflichtet, sich an dem zentralen Vergabeverfahren zu beteiligen – auch wenn eine Auswahl nach Abiturnoten sich so am einfachsten und besten lösen ließe. Das Chaospotenzial für Studienanfänger bleibt bestehen.Und trotzdem ist es richtig, nicht das Abitur allein über den Zugang zum Studium entscheiden zu lassen. Allerdings bei einer anderen Zielgruppe. Gerade einmal zwei Prozent aller Studierenden haben kein Abitur und sind über die Berufsbildung an die Hochschule gelangt. Das sind viel zu wenige. Was spräche dagegen, die Krankenschwester ohne Abitur den Medizinertest absolvieren zu lassen? Bisher ist das ausgeschlossen. Dabei wäre es allemal besser, als Abiturienten ohne Not doppelt zu durchleuchten.