Auf einmal ging alles ganz schnell: Anfang September haben sich Arbeitgeber und IG Metall in Baden-Württemberg auf einen Vertrag zur Altersteilzeit geeinigt. Zuvor war lange verhandelt worden, zuvor hatten die Verhandlungen bereits mehrfach vor dem Scheitern gestanden.
Im Kern sieht der Kompromiss vor: 2,5 Prozent einer Belegschaft hat künftig einen Anspruch auf eine bis zu vierjährige Altersteilzeit, das Mindestalter liegt bei 61 Jahren. Weitere Voraussetzung ist eine mindestens zwölfjährige Betriebszugehörigkeit. In Unternehmen mit besonders belastender Arbeit, etwa im Drei-Schicht-Betrieb, kann die Quote auf vier Prozent steigen. Das Mindestalter liegt hier bei 57 Jahren, die Höchstdauer der Altersteilzeit beträgt sechs Jahre. Die Arbeitgeber hatte
eber hatten den Kreis der Berechtigten ursprünglich deutlich enger ziehen wollen.Nur eine ReparaturlösungDie Regelung ist mit Blick auf die Beschäftigten, die einer schweren körperlichen Arbeit nachgehen, ganz sicher zu begrüßen. Allerdings hat diese in den letzten zwei, drei Jahrzehnten deutlich abgenommen. Dagegen ist die psychische Belastung, unter anderem durch Leistungsverdichtung enorm gewachsen. Sie hätten also in den Kriterienkatalog für belastende Arbeiten mit hineingehört. Da dies nicht geschehen ist, wird vom Tarifvertrag ein Faktor nicht erfasst, der die Arbeitswelt zunehmend prägt. Es stellt sich auch weiterhin die Frage, warum viele Arbeitnehmer mit spätestens 55 Jahren so kaputt sind, dass sie nur noch den einen Gedanken haben: Nichts wie raus! Die Altersteilzeit ist nur eine Reparaturlösung. Denjenigen, die von der Arbeit stark belastet sind, wird ermöglicht, einen Rest an Gesundheit zu retten. Für den Stahlbereich wurde deshalb schon Ende 2007 ein Demographie-Tarifvertrag geschlossen, der darauf zielt, aktiven Gesundheitsschutz zu betreiben. In diesem Rahmen soll auch ein gleitendes Ausscheiden sicher gestellt sein.Das war auch der ursprüngliche Ansatz bei der Altersteilzeit. Sie sollte ein Teil von Gesundheitspolitik sein - nicht aber in ihrem Kern. Die Idee entstand im Rahmen der Debatte um eine Humanisierung der Arbeit in den achtziger Jahren und zielte darauf, aus der Beschäftigung durch kürzere Wochenarbeitszeit heraus zu gleiten. Der Vorschlag verschwand jedoch zunächst in den Schubladen und tauchte erst Mitte der neunziger Jahre wieder auf. Am 1. August 1996 trat das "Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand" in Kraft.Inzwischen hatte sich jedoch der Kontext gewandelt. Bis Anfang der neunziger Jahre gab es noch eine Reihe von Möglichkeiten des erleichterten Vorruhestandes. Das frühe Ausscheiden vieler Beschäftigter hielt die Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik vergleichsweise niedrig. Auch konnte der frühe, relativ gut abgesicherte Abschied älterer Kollegen als Erfüllung einer urgewerkschaftlichen Forderung angesehen werden: der Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Die Unternehmen hatten auch etwas davon, junge Belegschaften entsprachen dem Zeitgeist.All das hat viel Geld gekostet, das hauptsächlich von der Arbeitslosenversicherung getragen wurde. Mit dem Rentenreformgesetz von 1992 wurde jedoch das Ende der Party eingeläutet. Es folgten zahlreiche Gesetze, die der "Verschlankung" des Sozialstaates dienen sollten. Vorruhestand war bald passé beziehungsweise mit erheblichen Einbußen bei der Rente verbunden.Was, wenn nicht genug Ältere gehen?So wurde die Altersteilzeit mehr und mehr als arbeitsmarktpolitisches Instrument interessant. Das lässt sich auch an der Finanzierung ablesen: Beschäftigte in Altersteilzeit arbeiten nur noch die Hälfte und erhalten dafür 50 Prozent ihres früheren Entgelts. Die Bundesagentur für Arbeit legt 20 Prozent drauf - in einigen Branchen gibt es zudem Regelungen für einen Zuschlag, im Metallbereich sind das derzeit zwölf Prozent.Die Zahlungen der Bundesagentur sind an die Bedingung geknüpft, dass für jeden Mitarbeiter, der in Altersteilzeit geht, ein neuer eingestellt wird. Ende 2009 laufen die Zuschüsse aus Nürnberg aus. Im Metallbereich wird die Altersteilzeit zukünftig so finanziert: Vom vereinbarten Tarifvolumen werden 0,4 Prozent einbehalten, die Arbeitgeber schießen noch einmal die selbe Summe dazu.Die "Beschäftigungsbrücke", die bisher in der Koppelung der Zahlungen der Bundesagentur an Neueinstellungen bestand, soll nach dem Willen der IG Metall fortbestehen, auch wenn es ab 2010 keine gesetzliche Verpflichtung mehr gibt. "Wenn Ältere aus den Betrieben ausscheiden", stellte die Gewerkschaft klar, "haben Junge die Chance nachzurücken."Hier aber wird ein Problem dieses Ansatzes deutlich: Was, wenn junge Leute eine Ausbildung brauchen, sich aber nicht genügend ältere Beschäftigte finden, die in Altersteilzeit gehen? Es ist ja keine überall und alle Zeiten gültige Konstante, dass die Menschen froh sind, wenn sich das Werktor hinter ihnen für immer schließt.Im Kern besagt der Generationenvertrag nicht nur: Alte gehen, Junge kommen, sondern: Alte müssen gehen, damit Junge kommen können. Dieser Mechanismus mag arbeitsmarktpolitisch gewollt sein, aber er negiert das Recht auf Arbeit für Ältere. Den Gewerkschaften und Betriebsräten fällt gewissermaßen die Aufgabe zu, einen regulierten Verdrängungswettbewerb zugunsten der Jüngeren zu organisieren.Nun werden Praktiker aus den Betrieben einwenden, dies sei eine eher theoretische Argumentation. Diejenigen, die in Altersteilzeit gehen, sind vergleichsweise gut abgesichert. Das stimmt: Nach dem neuen Altersteilzeit-Tarifvertrag erhalten die Betroffenen zwischen 85 und 89 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens. Das andere Argument: Die für Altersteilzeit in Frage kommenden Beschäftigten machen gern etwas früher Platz für diejenigen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Auch das stimmt. Soviel Solidarität gibt es noch.Um nicht missverstanden zu werden: Dass es in der Metallbranche eine Zukunft für die Altersteilzeit gibt, ist eine gute Nachricht. Und dennoch bleibt: Ältere sollen auf ihr Recht auf Arbeit verzichten. Wer möchte da in der Haut eines Betriebsrats stecken, der einen Kollegen "motivieren" muss, in Altersteilzeit zu wechseln?