Linke unter Zugzwang

Trump Konnte die Linke sich nach den Erfolgen rechter Populisten in Europa noch einer klaren Positionierung zu entziehen, so geht dies nach dem Sieg Donald Trumps kaum mehr

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Vom Leben gezeichnet
Vom Leben gezeichnet

Foto: Mark Makela/Getty Images

Ist Donald Trump ein Verbündeter im Kampf gegen den Neoliberalismus, oder ist er die Inkarnation des Rechtsextremismus und somit ein erklärter Gegner? Die bisherigen Äußerungen aus den Reihen der Linken offenbaren ein gewisses Maß an Unsicherheit, ob dessen Wahlsieg eher positiv oder negativ zu bewerten ist. Die Grundlage für eine Beurteilung bilden drei verschiedene Spannungsfelder, innerhalb derer die Linke navigieren muss. Dabei bieten sich zuweilen Gleichgesinnte mit recht fragwürdigem Hintergrund als potentielle Bündnispartner an.

Beim ersten Spannungsfeld geht es um gesellschaftliche Werte, die allgemein durch das Begriffspaar liberal/konservativ beschrieben werden. Linke und liberale Kräfte konnten in den vergangenen Jahrzehnten beträchtliche Erfolge erzielen, etwa bei der Emanzipation der Frauen, im Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten und durch eine Öffnung gegenüber fremden Kulturen. Dies gelang vor allem deshalb, weil ihre Bestrebungen mit Erfordernissen des Neoliberalismus in Einklang standen. So profitierten Kapitalgesellschaften von einem größeren Arbeitskräftereservoir und einem Abbau von Karrierehemmnissen.

Obwohl die Zunahme von prekärer Beschäftigung und Zukunftsangst ebenso jene betrifft, die zuvor gesellschaftlich benachteiligt waren, hat sich deren Lage im Zuge der Umsetzung der neoliberalen Doktrin zumindest relativ verbessert. So schreibt Paul Mason: „Die Ökonomie des freien Marktes entfesselt zwei Kräfte, die jetzt kollidieren: die rasche Zunahme an Ungleichheit auf der einen und Aufstiegschancen für talentierte weibliche, schwarze oder schwule Menschen auf der anderen Seite.“ Vertreter von Minderheiten empfinden vor allem eine besondere Genugtuung, gesellschaftlicher Stigmatisierung entkommen zu sein.

Die meisten Bürger, die unter materiellen und sozialen Verschlechterungen leiden, wurden jedoch nicht auf vergleichbare Weise „entschädigt“. Sie stammen nicht nur häufiger aus konservativen Kreisen, sondern machen Liberale vielfach für ihr Schicksal verantwortlich. Insbesondere dort, wo sich aufgestauter Unmut mit mangelnder Reflexion verbindet, sind Menschen für extremistische Losungen empfänglich. Wenn auch chauvinistische, rassistische und fremdenfeindliche Postionen nur von einer Minderheit vertreten werden, so werden sie salonfähig, da sich der Kampf gegen einen gemeinsamen Feind richte.

Die Linke betrachtet nun den national-konservativ geprägten Populismus als politischen Gegner und fordert dessen Führungspersonen auf, sich gegen Extremisten in den eigenen Reihen abzugrenzen. Dabei findet sie sich in einer Front mit Sozialdemokraten, Grünen und Teilen der CDU. Die Lage ist für die Linke allerdings zwiespältig. Einerseits ist sie darüber erfreut, von politischen Kontrahenten als Teil des demokratischen Spektrums anerkannt zu werden. Andererseits befürchtet sie, dem Establishment zugeordnet zu werden und damit Protestwähler zu verprellen.

Obskure Mitstreiter gegen den Neoliberalismus

Um nicht eines Verrats an den eigenen Idealen bezichtigt zu werden, halten Vertreter der Linken sichtbar Distanz zu anderen Parteien. Insbesondere begreifen sie sich als einzige konsequente Kämpfer gegen die verschiedenen Erscheinungsformen des Neoliberalismus. Hier öffnet sich ein zweites Spannungsfeld, wobei sich die staatstragende Elite diesmal auf der anderen Seite der Barrikade befindet.

In der gleichen Front stehen nun aber unverhofft Teile der politischen Rechten, die aufgrund des emanzipatorischen Selbstverständnisses der Linken eigentlich Gegner sind. Soll dennoch mit ihnen bei einer Ablehnung von Freihandel, uneingeschränktem Kapitalverkehr und Freizügigkeit von Arbeitskräften kooperiert werden? Sind national-konservative Bewegungen, die oftmals von faschistoiden Kräften durchsetzt sind, überhaupt akzeptable Bündnispartner im Kampf gegen Produktionsverlagerungen, Privatisierungen, Outsourcing, Prekarisierung und eine sukzessive Entmachtung staatlicher Organe? Obwohl direkte Kontakte weitgehend vermieden werden, dürfte eine pauschale Abgrenzung kaum politisch vertretbar sein.

Dass speziell die deutsche Linke Berührungsängste offenbart, ist wohl der nationalen Geschichte geschuldet. Auf der anderen Seite arbeitet sie bereitwillig mit Repräsentanten des Neoliberalismus zusammen, wenn es um die Verteidigung von individuellen Rechten und demokratischen Werten geht. Ist dies nun so zu interpretieren, dass sie diesen Idealen einen höheren Stellenwert beimisst als den sozialen und materiellen Interessen der Bürger? Bei führenden Vertretern der Linken wäre eine solche Sichtweise nachvollziehbar, da sie kaum persönlich mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Dass die Parteiaktivisten an der Basis und die Wählerschaft diese Position teilen, kann bezweifelt werden.

Bedenken zur multipolaren Weltordnung

Das dritte Spannungsfeld, in dem sich die Linke ebenso mit einer Positionierung schwer tut, ist der Konflikt zwischen uni- und multipolarer Weltordnung. Zwar wird konstatiert, dass die USA aufgrund ihrer wirtschaftlichen, politischen und militärischen Potenz der Hort des Neoliberalismus sind, dem sich andere westliche Industriestaaten nahezu bedingungslos unterordnen. Deren Finanz- und Meinungsbildungsmonopol wird als zentrales Hindernis für eine Veränderung der globalen Wirtschaftsstrukturen im Interesse der Bevölkerungsmehrheit erkannt. Dennoch wird mit Argwohn betrachtet, dass die Führungsrolle der USA gerade von Staaten attackiert wird, die autoritär gelenkt werden und über eine schwache demokratische Basis verfügen.

Nicht einmal das Faktum überzeugt, dass die BRICS-Staaten den materiellen Wohlstand ihrer Bürger beträchtlich erhöhen konnten, während die ökonomische Entwicklung in den OECD-Staaten von zunehmender gesellschaftlicher Marginalisierung und individueller Perspektivlosigkeit geprägt ist. Für die Erfolge war augenscheinlich das Primat der Politik über die Wirtschaft ausschlaggebend, was ja auch eine zentrale Forderung der Linken ist. Ebenfalls könnte erwartet werden, dass die Linke als selbsterklärte Friedenspartei jene Länder vorbehaltlos unterstützt, die von den USA zum Zweck globaler Machtsicherung bedroht werden.

Angesichts der Einschränkung persönlicher Rechte und Freiheiten in Staaten wie Russland und China wird wohl befürchtet, dass deren zu großer Einfluss eher schaden als nutzen könnte. Derartige Vorbehalte bestehen bei Rechtspopulisten kaum, wenn sie strikt nationalen Interessen folgen. Vielmehr sind sie bei Bedarf selbst bereit, ihre Position durch eine Demontage demokratischer Strukturen zu sichern, sobald sie am Machthebel sitzen.

Dass sich die Linke in Fragen von Rechtsstaatlichkeit und individuellen Freiheiten als prinzipienfest erweist, ist als Stärke zu werten. Ohne diese Voraussetzung könnte sie kaum damit rechnen, nach der nächsten Bundestagswahl zu Koalitionsverhandlungen gebeten zu werden. Da sie offenbar innig auf diese Chance hofft, gibt es verständlicherweise Befürchtungen, dass sie sich in ein System einbinden lässt, das sie eigentlich bekämpfen will. Der Wandel der Grünen von einer Protest- in eine staatstragende Partei ist noch in frischer Erinnerung.

Eine zu rigide Frontstellung gegen autoritäre Herrschaftsformen und mit diesen liebäugelnde westliche Populisten könnte an der Glaubwürdigkeit linker anti-neoliberaler Rhetorik nagen. Dies gilt vor allem dann, wenn neben fernen Staaten wie China, Vietnam und Indien auch EU-Mitglieder und die USA eine national orientierte Wirtschaftspolitik zu Lasten globaler Kapitalinteressen anstreben. Lassen sich mögliche Erfolge von EU-„Pariastaaten“ wie Ungarn und Polen noch großenteils durch Druck aus Brüssel und über die Etagen westeuropäischer Konzerne vereiteln, so dürfte dies kaum mehr bei den USA gelingen. Wünscht die Linke möglicherweise insgeheim, dass Donald Trump bei der Umsetzung solcher Vorhaben scheitert?

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