Kritik aus der Kurve

#BILDNotWelcome Mit ihrer Hilfsaktion versucht die Bildzeitung nicht nur Image und Auflage zu verbessern. Es geht auch um Fernsehrechte - und die sind ein kostbares Gut
Ausgabe 39/2015
Trotz Proteste der Fans unterstützt der SV Darmstadt die Bild-Aktion
Trotz Proteste der Fans unterstützt der SV Darmstadt die Bild-Aktion

Foto: DeFodi/imago

Zwar rufen sie im Eifer des Gefechts schnell mal „Schiebung, Schiebung“. Aber Fußballfans haben ein feines Gespür dafür, wer was mit dem Spiel machen darf. Und wer nicht. Das Verhältnis zu der marktführenden Boulevardzeitung charakterisiert sich für viele Anhängergruppen schon dadurch, dass sie deren Namen nicht nennen. Das Blatt „mit den vier Buchstaben“ drängt sich einfach zu häufig mit unlauteren Methoden nach vorn.

Nun hat Bild also die Flüchtlingsfrage entdeckt, ein klassischer Fall von Belehrung durch das Volk, das sich als deutlich aufgeschlossener erwies, als es die Politik und die Medien vermutet hatten. „Wir helfen – #refugeeswelcome“ lautete die Botschaft, die am Wochenende auf dem kostbaren Textilraum zu lesen war, den die Trikotärmel der Bundesligaspieler boten. Die Frage war natürlich: Wer ist „wir“? Bild hat als Massenblatt ein Interesse daran, kollektive Subjekte zu schaffen. Zuletzt waren „die Griechen“ dran, deren Versuche, im institutionalisierten Europa ihre Interessen geltend zu machen, wütend geschmäht wurden. Dass die Zeitung zwischen Journalismus und Kampagne so häufig keinen Unterschied macht, verschafft ihr Leser – und die Verachtung eines anderen, durchaus größeren Teils des Publikums.

Nun bestehen die Fußballfangruppen, die sich in den vergangenen Tagen in überwältigender Vielzahl von „Wir helfen“, nicht aber vom Helfen, distanziert haben, ja keineswegs ausschließlich aus Intellektuellen, die lieber feinziselierte Sätze lesen und sich hinter großen Formaten als kluge Köpfe profilieren. In den Kurven stehen Leute aus allen Schichten und mit allen politischen Einstellungen. Und trotzdem war der Tenor bundesweit nahezu einhellig. Ein Statement der Berliner Ostkurve mag als Beispiel dienen: „Wir wollen auf unserem Trikot keine Werbung von diesem Hetzblatt.“ Die abfällige Äußerung des Chefredakteurs Kai Diekmann über den FC St. Pauli hätte es nicht einmal mehr gebraucht, um die Aufkündigung des „Wir“ durch die Mehrheit der treuen Fans nahezu aller Bundesligisten zu provozieren.

Bild wähnt sich in den Kurven der eigenen Klientel besonders nahe. Hinter dem Bemühen, mit einer ausnahmsweise positiven Mobilisierung vielleicht Image und Auflage zu verbessern, könnte aber noch ein anderes Motiv stecken, das Fans Anlass zum Argwohn gibt. Bild ist ja längst nicht mehr nur Drucksorte, sondern auch digitales Medium. Die Zeitung bemüht sich demonstrativ um Nähe zur Liga, schließlich werden demnächst die Fernsehrechte für die zweite Hälfte des Jahrzehnts ausgeschrieben. Vor diesem Hintergrund ist es von besonderer Bedeutung, wie schnell die Liga sich dieser Kampagne angeschlossen und die Trikotärmel frei gemacht hat.

Die Bilder vom Fußball sind ein kostbares Gut. Natürlich müssen sie nicht unter Denkmalschutz gestellt werden, aber es macht eben doch einen Unterschied, in welcher Umgebung man sie künftig vorfindet. Noch präsentiert Bild hinter ihrer digitalen Bezahlschranke nur Schnipsel. Doch was wäre, wenn eines Tages dort auch Livespiele liefen? Dann müsste der Fußball künftig auch als Zierrat für Kampagnen herhalten, von denen sich die Fans nur noch distanzieren könnten, indem sie auf die Übertragungen verzichten. Das wäre ein hoher Preis, und auch deswegen ergibt es Sinn, was die Kurven und Tribünen zu erkennen geben: dass die Zeitung mit den vier Buchstaben eben keineswegs ein Medienpartner wie jeder andere ist.

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