Die Prothese - Inszenierung von Gottähnlichkeit (Teil 2)

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Zustand nach Hüft-Operation: Eine Erlebnisskizze aus den Kulträumen der Prothesengott-Religion

Wem meine theoretischen Ausführungen zur Funktion der Medizin als Religionsersatz bzw. neu etablierte Religion zu abstrakt geblieben sind, kann ich mit diesem mitten aus dem Leben gegriffenen Hilferuf einer Frau einen Einblick in die Praxis der Religionsausübung geben:

Mein Vater (80 Jahre) hat sich am 26.3. einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen und ein neues Hüftgelenk bekommen. Zuerst schien alles in Ordnung und er ist bei der Reha, die sich anschloss, auch schon fast 1 km gelaufen ohne Schmerzen. Doch dann schien sich ein Hämatom gebildet zu haben, welches vom Körper nicht resorbiert wurde.

So wurde er zurück ins Klinikum überwiesen und man punktierte 170 Milliliter (!) Flüssigkeit. Damit war es aber nicht getan, denn dieses Wundsekret bildete sich neu und nachdem nach 2 Tagen abermals dieselbe Menge abpunktiert wurde, legte man eine Drainage und schließlich wurde die gesamte Wunde revidiert und 3 Drainagen gelegt in allen Schichten bis einschließlich Knochen/Gelenk.

Das Sekret läuft nach wie vor und gestern erhielten wir die Nachricht, dass morgen das 3. Mal operiert werden muss, da multiresistente Keime gefunden wurden, die einen Austausch der Gelenkpfanne (Kunststoff) erforderlich machen. Als wir Bedenken anmeldeten, dass 3 Operationen innerhalb von 5 Wochen doch heftig seien, erhielten wir die Antwort, dass es schon Patienten dieses Alters gegeben habe, die 13 oder 14 ! (!) solcher Operationen durchstehen mussten!

Nun fragen wir uns, was ist, wenn nach 2-3 Wochen wieder Keime da sind ? Man kann einen Menschen doch nicht 13 Mal operieren lassen ?? (...) Wir sind recht verzweifelt und wollen nicht zusehen, wie man einen Menschen zugrunde richtet. Da mein Vater bisher keine weiteren Erkrankungen hat, (außer Nierensteinen und einen suprapubischen Katheter nach einer transitorisch- ischämischen Attacke, die zum Kontrollverlust der Blasenfunktion führte) habe ich ihm bisher Mut zugesprochen, was mir mit zunehmender Zahl der Operationen jedoch immer schwerer fällt.

Die Zahl der Wund-Infektionen nach Operationen ist recht hoch in unserem Krankenhaus. Man möchte den Vater am liebsten in andere Hände geben, aber er möchte, da wir ihn täglich besuchen können, „vor Ort“ bleiben.

Haben sie noch einen Rat, was man machen könnte? Was würden Sie tun, wenn es Ihren Vater beträfe ?“

Dieser Bericht ist nach meiner Erfahrung kein Einzelfall, wenn es auch eher selten ist, dass ein solches Geschehen schriftlich festgehalten wird. Deswegen möchte ich diese Skizze zur Diskussion anbieten.

  • Was kann die Medizin?

  • Was darf die Medizin?

  • Wer entscheidet, was passiert?

  • Rechtfertigen die Nebenwirkungen das Behandlungsziel?

  • Welchen Preis zahlt der Einzelne und welchen die Solidargemeinschaft der Versicherten für diese Art von Medizin ?

  • Wie steht es mit der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen, individuell oder auch aufs Ganze gesehen?

  • Gibt es Alternativen oder welchen Stellenwert können komplementäre Methoden haben?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

bertamberg

Xundheit! Salut! o! genese! Aufs Ganze gehen, bei Erkennen & Tun, Diagnose & Therapie. Alles ist vollkommen, "wenn das nötige gemacht ist." (Goethe)

bertamberg

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