"Das Placebo wirkt!"

Placebo (5) Dekonstruktion einer Zwecklüge, Teil 4 Randomisierte Therapiekontrolle : Alles Zufall?

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Ted Kaptchuk 1 schrieb über die Anfänge der randomisierten Studien in den 50er Jahren. Nach ihm war damals das Placeboargument die Eintrittskarte in die Epoche der verblindeten randomisierten Studien (RCT): „The ‚new‘ placebo became both the raison d’être for, and the sacrificial victim of, the masked RCT“ 2 Es sollte damals die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit dieses Studientyps überzeugt werden: „The ,powerful placebo effect‘ became a major argument used to persuade the medical profession to accept the placebo-controlled RCT.“

Kaptchuk gestand ein, dass es nicht darum gegangen sei, den Placeboeffekt korrekt darzustellen. Wichtig war, ihn als Bedrohung der wissenschaftlichen Wirksamkeitsbeurteilung zu inszenieren:„Accurate portrayal of the placebo effect was of less importance than invoking it as a threat to scientific evaluation …“

Denn die doppelblinde randomisierte Studie bekam umso mehr Notwendigkeit, je größer der Placeboeffekt ausfiel: „The greater the placebo’s power the more the necessity there was for the masked RCT itself.“

Kaptchuk gab zu, dass die Entwicklung des Prinzips der randomisierten Studie interessengeleitet war und vom Bedürfnis her, einen starken Placeboeffekt zu demonstrieren, war es verständlich, dass dies erfolgte: „A need to show the placebo’s power was understandable“ 3. Dies lässt den seitherigen Ankerpunkt der Placebodiskussion in einem ganz anderen Licht erscheinen: Henry K. BeechersStudie „The Powerful Placebo“, in dem erstmals das Ausmaß des Placeboeffektes quantifiziert wurde.4

Placebo: Das unentbehrliche Studienwerkzeug

Ausgehend von 15 Studien ermittelte Beecher, dass durchschnittlich 35 % der kranken Patienten allein durch eine Placebobehandlung zufriedenstellend therapiert werden konnten. Ausgehend von seinem Verständnis hätte Beecher jedoch sich darauf beschränken müssen, zu sagen, dass bei 35% der eine alleinige unspezifische psychologische Therapie zufriedenstellende Ergebnisse zeigte. Dennoch war damit der Placeboeffekt eine wissenschaftlich unumstößliche Tatsache geworden, und Beecher bezeichnete die Placebogabe als „unentbehrliches Studienwerkzeug“.

Beecher verstand ein Placebo als Gabe von etwas, das eine psychologische Beeinflussung zur Folge hat: „A placebo is something which is intended to act through a psychological mechanism.“5 Wie Kaptchuk andeutete, war die Definition der Placebogabe für Beecher völlig uninteressant: „It does not matter in the least what the placebo is made of or how much is used so long as it is not detected as a placebo by the subject or the observer.“6

Damit waren die Eckpunkte für die Placeboforschung gesetzt: Neben dem Bedürfnis, die Erfolge der Homöopathie und Phytotherapie abwertend erklären zu können, etablierte sich die Referenzgabe von neutralen Stoffen als Zweites. Der Wunsch, die Methodik der verblindeten randomisierten Studie (RCT) generell durchzusetzen, veränderte vorläufig dauerhaft die Wissenschaftskonventionen der medizinischen Forschung.

1 Ted Kaptchuk ist Wissenschaftler und Autor, Professor an der Harvard Medical School, Placebo-Forscher. Nach fünf Studienjahren in China wurde er „Doctorate of Oriental Medicine“; danach Associate Director des Center for Alternative Medicine Research and Education am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston.

2 Kaptchuk TJ (1998) Powerful placebo: The dark side of the randomised controlled trial. Lancet 351: 1722–1725.

3 Alle Zitate ebd.

4 Beecher HK (1955) The Powerful Placebo. JAMA 17: 1602–1606

5 Ebd.

6 Ebd.

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Geschrieben von

bertamberg

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