Ein Elefantenrennen der großen Finanzfonds oder Investmentfirmen um den Platz an der Börse hat begonnen. Nachdem die US-Hedge-Fonds Fortress und Blackstone an der Wallstreet eingestiegen sind, wird nun auch die Beteiligungsfirma KKR (Kohlberg Kravis Roberts Co.) nachziehen. Auf den europäischen Finanzmärkten bietet sich das gleiche Bild, seit im Juni die Aktienkurse auf den höchsten Wert seit 2001 gestiegen sind. Das reizt wieder viele Kleinanleger, Wertpapiere zu kaufen. Die Erinnerung an das Crash-Jahr 2000 scheint verblasst.
"Welche Optionsscheine auf DaimlerChrysler wollen Sie denn kaufen, Calls oder Puts?" - "Ach, das ist eigentlich egal", flüsterte es an der Spitze der Sparkassenschlange in die Schalteröffnung. Zugegeben, den imposanten Wortwechsel habe ich nicht jetzt, sondern vor etwa sieben Jahren, kurz vor dem großen Kurssturz, aufgeschnappt. Mit dem darauf folgenden Tal der Tränen waren eigentlich alle Risiken offenbart, die Privatanleger an der Börse erleben können. Als ab 2000 nicht nur Kurse einzelner Aktien, sondern ganze Aktienindizes wie der "Neue Markt" um 90 Prozent fielen, schien sich für den deutschen Kleinanleger das Thema Aktien auf Jahrzehnte hinaus erledigt zu haben.
So hätte man denken können. Der sich möglicherweise andeutende Fall des Börsengurus Markus Frick macht jedoch eindrucksvoll klar, das nur wenige Jahre nach dem Platzen der Blase die Melange aus Gier und Unbedarftheit das Börsen-Publikum wieder in Größenordnungen heimsucht. Gegen Frick wurde bei der Staatsanwaltschaft in Berlin eine offenbar derart plausible Strafanzeige erstattet, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Ermittlungen aufgenommen hat. Der Vorwurf lautet: Frick soll bei seinen letzten Aktienempfehlungen ("Kursraketen") Star Energy, StarGold Mines und Russoil - zuvor völlig unbedeutende Rohstoff-"werte", teils nur wertlose Börsenmäntel - den nach den Offerten ausgelösten Kursanstieg zum eigenen Ausstieg genutzt haben. Demnach hätte er die "Kursraketen" in Ruhe billig eingesammelt. Fricks Problem diesmal: Nach seinem Ausstieg stürzten die drei Werte - lediglich im Frankfurter Freiverkehr gehandelt und daher ohne Auflage testierter Jahresabschlüsse - gnadenlos um bis zu 90 Prozent ab. Ein Schaden von mehreren 100 Millionen Euro soll entstanden sein.
Frick, der auf seiner eigenen Website voller Selbstrührung den eigenen Lebensweg vom einst jüngsten Bäckermeister Deutschlands zum Millionär mit 30 Jahren schildert, keine finanzwirtschaftliche Grundausbildung hat und sich bei Auftritten vor Publikum als "Deutschlands Stimme des Geldes" ankündigen lässt, ist nun richtig ins Gerede gekommen. Der Lack ist ab. So stark, dass die Fangemeinde in einschlägigen Internetforen schäumt. Sich geprellt fühlende Anleger, die nach eigenen Angaben bis zu einem Jahresgehalt verspielt haben wollen, weil sie auf Fricks todsicheren Tipps vertrauten, tauschen sich schon einmal darüber aus, wo im heimischen Sinsheim des Meisters Ferrari als in Frage kommendes Objekt der Rache stehen könnte. Wie man im Chat mitverfolgen konnte, hilft google.earth bei dieser Frage zunächst nicht weiter.
So macht Geld glücklich
Hätte es wirklich soweit kommen müssen? Schaut man sich das Geschäftsmodell an, wahrscheinlich schon. Frick ist in der Szene der deutschen Börsenbriefverfasser und selbst ernannten Gurus nicht irgendwer. Seit Jahren zieht er mit Vorträgen durchs Land, die von Tausenden Zuhörern frequentiert und durch teure Eintrittsgelder bezahlt werden. Er hat es geschafft, eine mehr oder weniger ergebene Fangemeinde bereicherungswilliger Kleinanleger anzuziehen, die an seinen Lippen hängen. Oder auch an seinen Börsenbriefen, die für schlappe 898 Euro Jahrespreis - weit mehr als das Doppelte der meisten anderen Periodika dieses Genres - zu haben sind. Die SMS-Hotline aufs Handy mit guten Tipps kostet jährlich 360 Euro, für den erfahrenen Anleger empfiehlt sich der Börsenbrief Frick Trading (950 Euro), wenn´s geht kombiniert mit der von Frick mitentwickelten Software Strong Buy 2.0 (490 Euro). Wer es intellektueller mag, dem wird auch Literatur geboten: Ich mache Sie reich. Der Mann, der Millionäre macht (2001), Das Geld liegt auf der Straße. Das 30-Tage-Programm für mehr Erfolg und Gewinn (2002), So macht Geld glücklich. Mehr Spaß am Leben mit Vermögen (2006).
Getragen vom allgemeinen Trend der Aktienkurse in den vergangenen Jahren schaffte es Frick sogar bis ins seriöse Fernsehprogramm. Über Monate hinweg lief auf N 24 Make Money - Die Markus Frick Show. Die hier wie anderswo von ihm gebotenen Aktienbewertungen gerieten auch sprachlich zunehmend guruhaft. Auf halbwegs belastbare Analysen der Wertpapiere wurde eher verzichtet, stattdessen sahen sich Aktien, die oft jahrelang an den US-Börsen als Pennystocks vor sich hingammelten, überraschend präsentiert und mit Einstufungen wie "finde ich richtig gut", "gefällt mir" oder auch "besser nicht kaufen" versehen. Wer beim Urteil so hart spült, dem konnte beim Thema Geld offenbar ruhig vertraut werden.
Der Sender N 24, von den Vorfällen augenscheinlich überrascht, rudert nun zurück und gibt sich völlig unschuldig. Die letzte vor der Sommerpause vereinbarte Episode der Markus Frick Show wurde am 19. Juni einfach nicht ausgestrahlt, auch wenn man betont, die Vorwürfe würden sich nicht gegen den Sender richten, "sondern ausschließlich auf den E-Mail-Newsletter des Moderators, den er als selbstständiger Unternehmer vertreibt". Ein Mann, mit dem man ansonsten natürlich gar nichts zu tun habe. Die bis dato im Videotext nicht nur auf N 24, sondern auch auf N-TV geschaltete Werbung für den Meister und seine Empfehlungen verschwanden spur- und -kommentarlos. Vielleicht zu spät. Nach Angaben von BÖRSE ONLINE prüft mittlerweile die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM), ob bei Make Money die Sponsoren- und Werberegeln eingehalten wurden.
Nehmen Sie mir alles!
Dass Guru Frick nach vielleicht drei Monaten Ermittlungszeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht abtauchen könnte, weil die ihm auf den Leim gegangenen Anleger ihr Geld zurück erhalten sollen, ist kaum vorstellbar. Denn rein rechtlich gesehen müssen geprellte Anleger eine Marktmanipulation oder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung - etwa durch Geschäfte des Börsenbriefinhabers mit den empfohlenen Firmen - nachweisen. Das freilich ist kaum vorstellbar. Auch dass demnächst der ganze Aktienmarkt signifikant einbricht und Börsengurus wie Frick den Boden entzieht, erscheint eher unwahrscheinlich. Im Augenblick wird Geld in atemberaubender Größenordnung in diese Sphäre gepumpt.
Nachdem Finanzinvestoren schon seit Jahren unterbewertete Firmen aufkaufen und anschließend mit teilweise horrendem Mehrwert versilbern (s. Freitag 23/07, Seite 5), treibt es diese Fondskonstrukte mehr und mehr selbst an die Börse, um für weitere Übernahmen noch wesentlich mehr Geld als bisher einsammeln zu können: Im Februar ging bereits der US-Hedgefonds Fortress diesen Weg, in der Vorwoche erwies sich der siebenfach überzeichnete Börsengang von Blackstone mit fast 4,2 Milliarden Dollar als größter IPO* an der Wallstreet seit mehr als fünf Jahren. Als nächster will der weltgrößte börsennotierte Hedge-Fonds-Anbieter, die britische Man Group, ihr US-Broker-Geschäft für bis zu fünf Milliarden Dollar an die Börse schicken. Andere werden folgen müssen, wollen sie nicht abgehängt werden. Immense, fast jeglicher Finanzmarktregulierung vorenthaltene Geldsummen werden die Kurse antreiben. Für Frick wahrscheinlich allemal Zeit, auf den so lange weiter fahrenden Zug aufzuspringen. Verbrieft von ihm ist ein besonders markiger Spruch: "Nehmen Sie mir heute alles - alles, das ich besitze, und ich werde in zwei Jahren genau wieder da sein, wo ich jetzt bin. Weil ich weiß, wie es geht !!" Das muss man in der Tat befürchten.
(*) IPO steht für Initial Public Offering und bezieht sich auf das erstmalige öffentliche Anbieten von Aktien an der Börse
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