Wer zu früh kommt, den bestraft nicht unbedingt das Leben, mitunter aber öffentliche Ignoranz. Wahrscheinlich hätte es in der jetzigen Verfassung der Finanzmärkte ein positives Gutachten zum "Gebrauchswert" bundesdeutscher Sparkassen bis auf die Frontseiten der Zeitungen geschafft. Wenn sich die Mittelstandsbank IKB, die Sachensen LB oder andere selbst ernannte Global Player mit Kundeneinlagen und Krediten verzocken, sehnt man sich nach verlässlichen Institutionen. Leider bewies der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) ein unfreiwillig schlechtes Timing, als er im Mai ein Gutachten präsentierte, das den Sparkassen unbestreitbare Qualitäten zuerkennt.
Vorgelegt hatte es das nordrhein-westfälische Institut Arbeit und Technik, das noch nie im Verdacht des Auftragsopportunismus stand. Das Fazit der Untersuchung: Sparkassen sind - da sie dezentral arbeiten und in ihrer Region eingesammelte Gelder nur dort wieder als Kredite vergeben können - Regulatoren und Katalysatoren regionaler Wirtschaftskreisläufe, sie sind dank ihres begrenzten Wirkungsradius immun gegen überregionale Dominoeffekte beim Leckschlagen einzelner regionaler Kassen.
Kein Zuschussgeschäft im Osten
Dieser eher passive Charme entfaltet sich besonders in Krisenzeiten, doch können Sparkassen noch mehr. Lokal gebundene Institute - so die Gelsenkirchener Wissenschaftler - sind bestens geeignet, eine regionale Strukturpolitik zu unterstützen. Mit ihrer Geschäftspolitik aktivieren sie Wachstumspotenziale und tragen nachweislich dazu bei, wirtschaftlich schwächelnde Gebiete zu beatmen. Sie sind - gemessen an betriebswirtschaftlichen Kennziffern - gerade dort, wo sich die Filialen deutscher Großbanken verabschiedet haben, mindestens so erfolgreich wie in wohlhabenden Regionen. Im Vorjahr zahlten Sparkassen mit ihren bundesweit 16.200 Geschäftsstellen 2,1 Milliarden Euro allein an ertragsabhängigen Steuern. Selbst an der strukturschwachen ostdeutschen Peripherien betreiben sie kein Zuschussgeschäft. Man mag die Effekte des "Aufbau Ost" beurteilen, wie man will - ohne Sparkassen wären bestimmte Regionen längst abgekoppelt.
Warum aber ist das so? Weshalb scheint es bei Sparkassen eine für Privatbanken unfassbare "Leichtigkeit des Seins" zu geben? Wer nach den Gründen sucht, kommt in Zeiten hochglanzbroschürter, vor Anglizismen strotzender Werbekampagnen renditehungriger Privatbanken nicht an banalen Tatsachen und einst goldenen Regeln des Kreditgewerbes vorbei. Private Geschäftsbanken haben sich aus wirtschaftlich angeschlagenen Regionen zurückgezogen und Genossenschaftsbanken wie Sparkassen damit ein Feld überlassen, das diese beratungsintensiv, oft nicht mit Supermargen, aber durchweg mit Gewinn beackern. Man ist unabhängig, hat deshalb bei Krediten einen wesentlich größeren Spielraum als konzerngebundene Dependancen von Großbanken, und kann die Netzwerkbildung einer lokalen Ökonomie fördern.
Die geringere Wettbewerbsintensität vor Ort beschert Sparkassen zudem stabile und langfristige Kunden-Beziehungen. Durch Nähe zum Klienten und durch Beratung lässt sich manches Projekt doch noch zum Erfolg führen, das für Privatbanker a priori aussichtslos erscheint. Als hilfreich erweist sich auch das Geschäftsmodell der Sparkassen-Finanzgruppe, bei dem man sich auf die Region konzentriert und dort mit hoher Marktkenntnis flexibel operiert, andererseits das überregional anzapfbare Verbundsystem für die kostengünstige Abwicklung des Mengengeschäfts nützlich sein kann. So bleibt immer ein Gewinn. Nicht zufällig ist es ein Pool der Sparkassen-Finanzgruppe, der jetzt mit einem Kredit von 17,3 Milliarden Euro die schwer angeschlagene Sachsen LB retten soll.
Wer - so weitgehend im Stillen - Erfolge einfährt, ist vor Reformeifer nicht gefeit. Während sich die EU-Kommission mit ihren jahrelangen Versuchen, diese Besonderheit der bundesdeutschen Kreditwirtschaft abzuschaffen, langsam, aber sicher aufreibt, kommen neue Gefahren aus Ländern und Kommunen. Nach der Privatisierung ihres Wohneigentums, die manche Kommunen mit der Absicht ins Werk setzten, auf Jahre hinaus von allen Haushaltsdefiziten befreit zu sein, erstaunt es kaum, soll das in den Sparkassen steckende Potenzial ähnlich versilbert werden.
Objekt der Begierden
Noch verhindern die in allen Bundesländern geltenden Sparkassengesetze derartige Begehrlichkeiten ohne Wenn und Aber. Nachdem erste Privatisierungsversuche erfolglos blieben, hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband durch den vor kurzem erfolgten Kauf der Berliner Landesbank (mit anhängiger lukrativer Sparkasse) zu verstehen gegeben, dass man sich von Privatbanken nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen lässt. Doch fürchten die Befürworter des Sparkassenprinzips mit Blick auf NRW eine Privatisierung per Salamitaktik. Die dort derzeit erwogene Reform des Sparkassengesetzes will den Kommunen die Möglichkeit einräumen, in ihren Sparkassen ein Stammkapital auszuweisen; eine Regelung, die aufgrund der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft und damit verbundener Haftung und der auch ansonsten bestehenden Transparenz des Sparkassengeschäfts gar nicht notwendig ist. Auch das bisher geltende Prinzip der Gemeinnützigkeit in der Gewinnverwendung soll durchlöchert werden. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Zwar wird die Regierung von Ministerpräsident Rüttgers (CDU) nicht müde, Privatisierungsabsichten zu leugnen: Die damit angefachten kommunalen Begehrlichkeiten werden jedoch unweigerlich weitere Reformschritte provozieren und andere Bundesländer zum Nachziehen animieren.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.