Idiotie, flächendeckend

Personal-Service-Agenturen Das Herzstück der Hartz-Reformen ist bislang ein Fehlschlag

Sind die Personal-Service-Agenturen (PSA) schon ein Flop, bevor sie richtig angefangen haben? Als wichtigstes Element der Hartz-Reformen sollten die PSA dafür sorgen, dass Hunderttausende Arbeitslose bedarfsgerecht an Unternehmen verliehen werden. Mit einem erheblichen "Klebeeffekt", also mit Weiterbeschäftigung nach Ende des Verleihzeitraums, wurde gerechnet. Da die Arbeitsämter das für sie neue Instrument Leiharbeit kaum hätten bewältigen können, sollten private, effiziente und erfahrene Betreiber die Organisation übernehmen. So sind seit April vergangenen Jahres insgesamt fast 1.000 PSA mit etwa 50.000 zugeordneten Leiharbeitern ausgeschrieben worden.

Den Spitzenreiter in dieser schönen neuen Arbeitswelt hat es nun erwischt. Die deutsche Tochter der niederländischen MAATWERK ist pleite. Mit einem Marktanteil von bundesweit 20 und im Osten sogar 40 Prozent war sie für 10.000 Menschen verantwortlich, die jetzt wieder in die Arbeitslosen-Statistik zurückgebucht werden. Das Unternehmen hatte vor allem in ostdeutschen Städten jahrelang und überwiegend mit Erfolg jene Sozialhilfeempfänger in Arbeit vermittelt, die von ihren Kommunen längst abgeschrieben waren. Vom Einstieg in die Leiharbeit versprach sich MAATWERK offenbar das große Geschäft und setzte bedingungslos auf Expansion. Schon bevor die Lizenzen der Arbeitsämter für die PSA offiziell vergeben wurden, hatte das Unternehmen an vielen Standorten Mietverträge für die Büros seiner Mitarbeiter abgeschlossen. Ob MAATWERK dabei nur auf das eigene Renommee vertraute oder andere Faktoren im Spiel waren, ist bis heute ungeklärt. Die Mitbewerber, die zwischenzeitlich gegen einige Vergabeverfahren Klage eingereicht haben, werden jedenfalls das Scheitern des Marktführers mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen.

Dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Frank Weise, der neue Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, das Schicksal von MAATWERK auf rein betriebsinterne Mängel reduzieren, war zu erwarten, greift aber viel zu kurz. In prosperierenden Ballungsräumen mag es möglich sein, mit sozialversicherungspflichtig ausgestalteter Leiharbeit für ergänzende Beschäftigungsimpulse zu sorgen. Aber flächendeckend auf dieses eine Pferd zu setzen, in benachteiligten Regionen mit Leiharbeit nennenswerte Effekte erzielen zu wollen, grenzt an Wirklichkeitsverweigerung, wie selbst die Nürnberger Statistiken belegen. Mit großem finanziellen Aufwand wurde zum Jahresende zwar das Ziel von 50.000 Beschäftigten erreicht, die fortan nicht mehr arbeitslos genannt werden dürfen. Aber die wenigsten von ihnen sind tatsächlich als Leiharbeiter bei Fremdfirmen tätig. Statt beim Arbeitsamt sind sie jetzt bei den Verleihern arbeitslos.

Wenn die Nachfrage nach Leiharbeitern fehlt, können auch die Anreize nicht wirken, die für eine möglichst schnelle Vermittlung durch die Agenturen geschaffen wurden. Die Betreiber der PSA erhalten von den Arbeitsämtern laufende monatliche Pauschalbeträge von anfänglich etwa 1.000 Euro pro Person, mit der ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, und zusätzlich eine einmalige Prämie von circa 2.000 Euro bei Vermittlung in ein anderes Unternehmen, wenn das neue Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate hält. Je länger der Erfolg ausbleibt, desto größer werden die Abschläge auf diese Prämien.

Da nun besonders in den ostdeutschen Arbeitsamtsbezirken die Zahl der Übergänge in andere Betriebe minimal ist, können die PSA kaum kostendeckend arbeiten. Und so greifen sie immer mehr zu den branchenüblichen legalen Tricks. Zugewiesene Personen werden häufig erst kurz vor Monatsende in die Agentur übernommen, und Kündigungen erfolgen auffallend oft am Anfang eines Monats - so kann man für beide betreffenden Monate noch die volle Förderung beantragen. Nicht selten werden Kündigungen auch nur deshalb ausgesprochen, weil man mit einer anschließenden Neueinstellung wieder die anfänglich höheren Fördersätze kassieren kann. Angesichts der miserablen Situation ist es nicht verwunderlich, dass der im PSA-Konzept verankerte Gedanke, die Leiharbeiter in verleihfreien Zeiten zu qualifizieren, bislang nicht verwirklicht wird.

Trotz der nicht zu übersehenden Alarmsignale ist die Bundesregierung offenbar nicht bereit, die Realität zu erkennen. Die Erwartung, dass die nun quasi doppelt arbeitslosen Leiharbeiter von MAATWERK nach Erhalt von Insolvenzgeld ganz schnell bei anderen Betreibern unterkommen, ist absurd. Denn welcher der Konkurrenten, die jetzt noch mehr als zuvor ihr Risiko minimieren, wird sie nehmen wollen, solange die Politik ihr schon jetzt teuerstes Instrument nicht mit noch höheren Zuschüssen aufstockt? Werden dann andere Instrumente der Arbeitsmarktpolitik zugunsten dieser flächendeckenden Idiotie noch mehr als bisher zusammengestrichen?


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