7 Tage Erzgebirge, ein Reisebericht

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7 Tage im Erzgebirge, einen Gutschein von ebay einlösen, preisgünstig ersteigert. Annaberg-Buchholz, Frohnauer Hammer, Oberwiesenthal, der Fichtelberg, die nahe Tschechei, auf all das freuen wir uns. Das Wetter ist gut, als wir in Berlin starten, der Wetterbericht sagt für die nächstenTage Sonne pur voraus, also beste Vorraussetzungen für einen erholsamen Urlaub.

Wir kommen am frühen Nachmittag in Frohnau an und finden unsere kleine Pension. Das Zimmer liegt der Strasse abgewandt, mit einem großen Balkon, von dem wir auf einen liebevoll gestalteten Garten mit Ökoteich und kleinen Sitzgelegenheiten blicken. Es gefällt uns von Anfang an. Wir haben noch den Nachmittag Zeit und laufen von Frohnau, das zur Großen Kreisstadt Annaberg-Buchholz gehört, den Berg zur größeren Stadt hinauf, erreichen den Marktplatz und genießen in der Nachmittagssonne einen Erdbeereisbecher. Am frühen Abend werden wir in unserer Pension einen Kaffee und ein leckeres Stück Erdbeertorte kredenzt bekommen, im Gutschein enthalten.

Der nächste Morgen, wir haben uns den Besuch des Frohnauer Hammers vorgenommen, eines technischen Denkmals, das in einem Gebäude mit einer wechselvollen Geschichte untergebracht ist. Bereits im 15. Jahrhundert stand hier ein Gebäude, das zunächst als Mühle und Scherenschmiede, später als Silber – und Kupferhammer diente. 1657 erhielt der Hammer seine heutige Gestalt, die endgültige Stillegung erfolgte erst 1904. 1907 gründeten engagierte Annaberger den „Hammerbund Annaberg e.V.“, und retteten das Gebäude so vor dem Verfall. Seit 1910 ist das Gebäude ein Museum, in dem 3 unterschiedlich schwere Hämmer, angetrieben durch ein Wasserrad, auch heute noch den staunenden Besuchern vorgeführt werden. An den Wänden hängen Schmiedezangen, die beiden Blasebälge funktionieren immer noch, alles ist mit viel Liebe zum Detail erhalten. Unser Weg führt uns weiter quer durch Frohnau, einen Plateauweg entlang zum Besucherbergwerk „Markus-Röhling-Stollen.“ Markus Röhling war ein umtriebiger Geschäftsmann, der einen aus Geldmangel stillgelegten Stollen wieder öffnen und weiter vortreiben ließ , um an die ergiebigen Erzvorkommen zu gelangen, die dahinter lagen. Insgesamt gibt es im Annaberger Revier , in dem seit 1491 Erz abgebaut wird, einschließlich aller stillgelegten Stollen etwa 800 km Stollen die in den Jahrhunderten in schweißtreibender, schwerer Arbeit angelegt wurden. Das klingt zunächst viel, nur im Gebiet Schlehma sind es zusammen etwa 4000 km. Wir fahren in den Stollen ein, etwa 600 m mit der Grubenbahn, mit Berghelm auf dem Kopf und einem blauen Umhang gegen das herabtropfende Wasser um die Schultern. Der Bergführer führt uns durch für die Besucher präparierte Stollen, demonstriert die Arbeit der Bergleute nach dem 2. Weltkrieg, als hier auf Anordnung der Sowjetunion Uran gefördert wurde. Wir erfahren, dass dort, wo wir von unserem Balkon den schönen Garten mit Ökoteich bestaunen, früher eine riesige Abraumhalde lag, weil der unbrauchbare Abraum überall abgekippt wurde, wo gerade Platz war. Die Bergleute hatten in früherenJahrhunderten schwer zu schuften, diejenigen, die in den tiefsten Stollen schürften, benötigten bis zu 90 Minuten , um die Leitern nach unten zu steigen und durch die Stollenschächte zu kriechen, bis sie an ihren Arbeitsplätzen ankamen. Anschließend 8 Stunden unter schwersten Bedingungen schuften und dann hieß es wieder 90 Minuten den Weg nach oben zurückzulegen, und das mit ihrem schweren Arbeitsgerät, dass sie um die Schultern trugen. Danach mussten sie ihre Arbeitsgeräte beim Schmied abgeben, der sie für den nächsten Tag wieder scharf schliff, nach Hause laufen und am nächsten Morgen ging das gleiche wieder von vorne los. So kam es zu einer natürlichen Auslese, wie es unser Bergführer ausdrückte, nur die Stärksten überlebten. Höhepunkt der Führung war ein Wasserrad mit 10 Meter Durchmesser, welches gebaut wurde, um das Wasser im Schacht abzupumpen. Was wir zu sehen bekamen, war ein Nachbau, das Original wurde von sowjetischen Soldaten einfach gesprengt, weil es auf dem Weg zum Uran im Wege war. Seit der Wende betreibt ein Verein das Besucherbergwerk, dessen Mitglieder bauten das Wasserrad an historischer Stelle originalgetreu nach. Überhaupt waren die Arbeitsbedingungen nach der Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg katastrophal. Die Sowjetunion wollte das Uran, das als Reparationsleistung des besiegten Deutschlands geliefert wurde, örtliche Nazigrößen mussten als Wiedergutmachung im Bergwerk schuften und Umweltschutz gab es nicht. Unser Bergführer führte uns mit umfangreichem Wissen, witzig ,charmant und mit coolen Sprüchen garniert, mehr als eine Stunde durch sein Reich. Froh waren wir allerdings, als wir wieder die wärmende Sonne spürten, herrschen doch 80 Meter unter der Erde nur etwa 8 Grad Celsius. Nach einem kleinen Imbiss aus der vereinseigenen Gaststätte wanderten wir in der Nachmittagssonne wieder zurück zu unserem Quartier.

Der nächste Tag, wir wollen von Cranzahl aus mit der Schmalspurbahn nach Oberwiesenthal tuckern. Die Sonne scheint wieder prächtig, und die alte Dampflok spuckt mächtige Rußwolken in den Himmel. Wir finden einen Platz im offenen Wagen, fahren vorbei an Weiden, auf denen Alpakas grasen, schöne Tiere, sehen sich sonnende Kühe, wiehernde Pferde und gackernde Hennen. In der Nacht hatte es geregnet, wenn wir durch Waldgebiete fahren, fallen die Regentropfen, vermischt mit dem Ruß von der Dampflok, auf unsere nackten Beine. Wir lachen und genießen die Aussicht, das Fauchen der Lok, wenn sie den Berg nach oben schnauft und sehen den Fichtelberg in der Ferne, unser heutiges Ziel. Nach einer Stunde sind wir angekommen in Oberwiesenthal, staatlicher Kurort. Eine leichte Steigung vom Bahnhof nach oben, einmal rechts abgebogen, dann sehen wir den Sessellift, der uns hoch auf den Fichtelberg bringen wird. Wir schaukeln ruhig über den Wanderwegen, Wiesen und bewaldeten Flächen nach oben und erreichen nach 10 Minuten die Bergstation. Angekommen, den Ausblick genießen. Hier oben steht das Fichtelberg-Hotel, eine Gaststätte, Wanderwege führen in die Tschechei und auf längeren und kürzeren Wegen zurück nach Oberwiesental. Wir bleiben mehr als zwei Stunden hier oben, die Sonne genießend und dabei einen Kaffee trinkend, decken uns mit Ansichtskarten ein, auf denen der Bergstempel nicht fehlen darf. Bevor es wieder bergab geht, müssen wir noch den Fichtelbergschnaps probieren, einen ungesüssten, bitteren 40% -igen. Die Abfahrt bietet einen Ausblick auf die vielen Hotels und Pensionen des Ortes und , wie bereits auf dem Berg selber, in die weite , schöne Landschaft. Wir schlendern durch das kleine Städtchen, erfreuen uns an den den liebevoll gestalteten Accessoires, welche die Bewohner an den Hauseingängen postiert haben, überwiegend Holzschnitzereien.Die letzte Bahn fährt 16.40 Uhr zurück nach Cranzahl, wo wir kurz vor 18.00 wieder ankommen. Weil unsere Pension Ruhetag hat, kehren wir auf dem Rückweg bei einem gemütlichen Italiener ein, sitzen auf der Terasse, hören einen Bach plätschern und genießen leckere Nudeln. Zufrieden sitzen wir Abends bei Rotwein auf unserem Balkon, sehen den Sternenhimmel und nur der Mond schaut uns zu.

Die Tschechei ruft uns, der Tank unseres Autos ist mehr als halbleer und so fahren wir diesmal Richtung Oberwiesenthal. Die alten Grenzerhäuser stehen noch, ohne Kontrolle passieren wir sie und erreichen Bozi Dar, den ersten kleinen Ort auf der Seite unserer östlichen Nachbarn. Der Sprit ist immer noch preiswerter als auf deutscher Seite. Eine Halle, in denen die Vietnamesen ihre Waren anbieten, wollen wir besuchen. Früher gab es hier einen riesigen offenen Markt unter freiem Himmel, es ist kaum etwas davon übrig geblieben. Nur die Händler nehmen uns wie immer sofort in Beschlag, wir sollen kaufen, alles sei billiger, natürlich nur für uns. Ohne etwas zu erwerben verlassen wir die Halle nach wenigen Minuten wieder und schlendern in den Ort, durch kleine Gassen, an Häusern in der typischen Holzbauweise entlang. Wir wollen Mittag essen, böhmische Knedliky natürlich und finden ein kleines Restaurant. Das Essen ist frisch zubereitet, 3 Sorten Fleisch, zwei Sorten Knödel, Kraut und Sosse, alles, für unsere deutschen Verhältnisse, sehr preiswert. So wundert es uns nicht, dass nur Deutsche in diesem Lokal sitzen und die Bedienung gut deutsch spricht. Auf dem Rückweg zum Auto wollen wir Bier mitnehmen und erleben eine ungenehme Überraschung. Für 10 Flaschen tschechisches Bier will der vietnamesischen Händler 25 Euro haben. Das Bier bleibt im Verkaufsraum stehen, vor einigen Jahren habe ich dafür 12 Euro bezahlt. Wir fahren nachCrottendorf in das Schapsmuseum der Firma Otto Ficker, ja, die heißen wirklich so. Hier wird seit Beginn des letzten Jahrhunderts Likör gebrannt, der „Grenzwald“ ist über die Grenzen des Erzgebirges hinaus bekannt und weil die Firma so klein war, überstand sie auch die Privatisierungen in der DDR zu Beginn der siebziger Jahre unbeschadet und blieb in Privatbesitz. In 6 kleinen Räumen kann der Besucher die Geschichte des Brennens erleben, Maßfüller, Beleimungsmaschinen, Destillatoren und andere Geräte berühren und bestaunen. Klar, dass wir auch Liköre probieren durften und im Laden einige Flaschen kauften.

Die Greifensteine, das dortige Naturtheater, die Stülpnerhöhle , all das durfte bei unserem Besuch natürlich nicht fehlen. Wir parken auf dem kostenpflichtigen Platz am Fusse der Steine und laufen durch einen schattigen Wald nach oben. Dabei kommen wir an einer weitflächig angelegten Climbing-Anlage vorbei, die verschiedene Schwierigkeitsstufen hat, und erreichen nach wenigen Minuten die Greifensteine. Dies sind 7 der wohl schönsten Felsen des Erzgebirges mit Namen wie „Seekofel“, Kleiner Brocken“ oder Stülpnerwand“, die durch 1923 eingestellte Steinbrucharbeiten erhalten geblieben sind. Der Greifensteiner Granit war bei den Freiberger Metallurgen des 19. Jahrhunderts beliebt und wurde auch für kurfürstliche und herzogliche Grenzsteine verwendet. Bereits 1846 wurde die einzigartige Kulisse für erste Theateraufführungen genutzt, heute dient sie in den Sommermonaten als Spielstätte des Annaberger Theaters und bietet bis zu 1200 Zuschauern Platz. Wir geniessen die Wanderung zur Stülpnerhöhle, wo sich der erzgebirgische Rebell bei seinen Fluchten vor dem Militär, von dem er mehrfach desertierte und vor Jägern und Herrschern versteckt haben soll. Den Nachmittag verbringen wir am Greifenbachstauweiher, einem schönen Freibad, die Sonne genießend, schwimmend und einfach dösend. Das Ufer des Sees hat eine Palisadenbefestigung, früher wurde er für die Wasserversorgung des Bergbaus genutzt.

Es ist Samstag, der vorletzte Urlaubstag und der Tag des Viertelfinales bei der Fussball-WM. Wir wollen das Spiel Argentinien – Deutschland im Freien erleben und müssen feststellen, dass wir als Touristen nicht willkommen sind. Im ersten Restaurant werden wir auf die Silberlandhalle verwiesen, eine große Mehrzweckhalle am Stadtrand von Annaberg. Der Wirt möchte seine 30 Stammgäste verwöhnen, uns braucht er nicht. Im zweiten Restaurant, wo wir Mittag essen, sollen wir 24 Euro für die GEMA-Gebühren zahlen, dann dürfen wir dort Fussball erleben. Kein Kommentar dazu, denken wir uns. Als wir 14.30 Uhr an der Silberlandhalle ankommen, ist alles verschlossen, nichts deutet auf ein Public Viewing hin. Wir beschließen, uns im Supermarkt einzudecken und das Spiel auf unserem Balkon zu verfolgen, was ein schöner Nachmittag wurde.Sorry, liebe Wirte, das war nichts.

Unser Aufenthalt nähert sich dem Ende, bevor wir wieder nach Berlin fahren, schlendern wir durch das Zentrum von Annaberg-Buchholz und besichtigen die größte spätgotische Kirche Sachsens, die St. Annen – Kirche mit der prächtigen Orgel. Im Shop erstehen wir eine kleine Orgel CD. Nun heißt es Abschied nehmen von einem Stück Deutschland, das kulturell , landschaftlich und zeitgeschichtlich viel zu bieten hat und wo wir uns gut erholt haben. Das Erzgebirge ist auf jeden Fall eine Reise wert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

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