Berlin boomt, die Hotelpreise sinken, der Kampf wird härter

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Berlin boomt und die Hotellerie boomt mit, so ist es allgemein zu hören. Wer rund um den Alexanderplatz spazieren geht, fällt von einem Hotel in das nächste. Und in der Otto-Braun-Strasse entsteht, noch steht nur der Rohbau, noch ein Hotel.

Wer sich die Besucherzahlen der Stadt ansieht, wird zustimmend nicken, diese steigen ständig. Klar, dass hier auch neue Hotels gebraucht werden, so könnte man denken.

Doch die Realität sieht anders aus. Viele Hotels arbeiten an der finanziellen Schmerzgrenze, sie erwirtschaften kaum Gewinn. Und doch hat es im letzten Jahr bis Herbst nur 4 Insolvenzverfahren im Beherbergungsbereich gegeben, weil viele Hotels weitermachen, bis sie ausgequetscht wie eine Zitrone sind.

Experten gehen daher in einigen Jahren von einer Pleitewelle aus, weil die Kräfte und Mittel der Investoren aufgebraucht sind. Berlin gilt schon heute als hart umkämpfter Hotelmarkt, besonders die großen internationalen Ketten investieren hier, weil sie die Zukunft der Stadt als Ost-West-Drehscheibe im Auge haben.

Und auch immer mehr preiswerte Hostels ziehen nach Berlin. EasyHotels, benannt nach der bekannten Billigflugkette, überträgt deren Geschäftsmodell auf das Beherbegungsgeschäft. Wer zuerst ankommt, bekommt das Doppelzimmer schon für 25 Euro. Dafür gibt es einen mehr als spartanisch eingerichteten Raum ohne Frühstück, schließlich liegt das Cafe gleich um die Ecke. EasyHotels plant für 2013 weitere Hoteleröffnungen in Kreuzberg und Charlottenburg.

Auf der Strecke bleibt, nicht nur hier, der Service. Um im gnadenlosen Konkurrenzkampf zu bestehen, ist das Personal immer noch der Kostenfaktor, bei dem am meisten gespart werden kann. Es wird auf das Minimum beschränkt, das zum Erhalt des Geschäftsbetriebes notwendig ist. Bei EasyHotels wird auf ausgebildete Hotelfachleute wenig Wert gelegt, junge Leute, flexibel und mit Sprachkenntnissen werden aber immerhin nach Tarif bezahlt.

Auf der anderen Seite entstehen Luxushotelss, die aufgrund ihrer anspruchsvollen Kunden gar nicht anders können, als gut ausgebildetes Personal zu beschäftigen. Berliner Spitzenhoteliers stehen im Wettbewerb um die teuerste Suite der Stadt. So wird die im Moment im Bau befindliche Präsidentensuite in der 31. Etage des Waldorf Astoria Hotels am Kurfürstendamm die 12.000 Euro des traditionsreichen Adlon noch übertreffen. Mit kugelsicheren Fenstern, Kamin und Konzertflügel ausgestattet, hofft man hier wohl auf den amerikanischen Präsidenten, für den spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen, die kaum ein Hotel erfüllt.

Doch der Berliner Durchschnittspreis sieht ganz anders aus. Mit 60 Euro kostet ein Hotelzimmer im Schnitt weniger als in Warschau, und weniger als die Hälfte als in Moskau.

30 Mio Besucher jährlich sollen nach den Vorstellungen des Berliner Senates bis 2020 erreicht werden. Burkhard Kieker, Geschäftsführer von VisitBerlin, geht davon aus, dass die heute vorhandenen Kapazitäten für diese Besucherzahl bereits ausreichen. Das bedeutet, dass die Überkapazitäten weiter zunehmen werden und der Kampf noch härter wird.

Diese Woche erst hat das Bundeskartellamt das europaweit größte Reservierungs-Portal, HRS, für unlautere Praktiken abgemahnt. Das Portal hatte die Hotels dazu verpflichtet, dass sie für Internetbuchungen, auf denen HRS basiert, stets den günstigsten Preis herausgeben müssen.Weil viele vor allem kurzfristige Buchungen heute über Internetportale getätigt werden, bedeutet dies ebenfalls Einnahmeverluste für Hotels. Im Direktverkauf lassen sich immer höhere Preise erzielen als im Internet oder über Reisebüros.

Es bleibt abzuwarten, wie diese Entwicklung weiter verläuft.

Und es bleibt zu hoffen, dass die Vergütungen der Mitarbeiter der Hotels wenigstens auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben, denn so hoch sind sie jetzt schon nicht. Die Motivation der Mitarbeiter ist eben heute auch eine finanzielle Frage. Und motivierte Mitarbeiter werden die Hotels noch mehr brauchen, um im hart umkämpften Berliner Hotelmarkt zu bestehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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