Das System bleibt

Verfassungsschutz Warum eine Reform des Verfassungsschutzes nicht möglich ist

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Heinz Fromm geht, das System bleibt. Dass der Chef des BfV seinen Stuhl räumen muss, wird nichts an der ineffizienten und unprofessionellen Arbeitsweise des deutschen Inlandsgeheimdienstes ändern.
Das Celler Loch war nur einer der Skandale derKölner Behörde. Um die RAF zu diskreditieren, wurde von Geheimdienstlern die Bombe an der Gefängnismauer gezündet.
Das Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte seinerzeit daran, dass die rechtsextreme Partei von V-Männern des BfV und von Landesämtern infiltriert war, die massgebliche Führungspositionen besetzten. Sie bestimmten die politische Richtung der Nationalen Demokraten.
Noch frisch in Erinnerung ist die Überwachung von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken und wie sich der Verfassungsschutz dabei in Widersprüche verwickelte. Während das Bundesamt nur von der Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen sprach, bestätigte das niedersächsische Landesamt auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die Linke.
Und die NSU Morde wurden lange Zeit nicht mit einem rechtsterroristischen Hintergrund in Verbindung gebracht. Dabei waren die Kölner Schlapphüte schon 2003 vom italienischen Inlandsgeheimdienst AISI auf eine erfolgversprechende Spur geschickt worden. Nur bestand kein Interesse daran, diese Spur intensiv zu verfolgen.
Warum in Kassel der Mord am Inhaber eines Internetcafes im Beisein eines Mitarbeiters des Verfassungsschutzes verübt werden konnte, ist nur eine der offenen Fragen. Hat dieser Mitarbeiter wirklich nicht mitbekommen, wie in seiner nächsten Nähe ein Mensch erschossen wurde?
Der Generalbundesanwalt fordert aus Köln Akten an und muss erfahren, dass die Verfassungsschützer daraus Konfetti geschreddert haben. Nur Zufall oder was sollte hier verschleiert werden? Die Operation "Rennsteig" gegen den "Thüringer Heimatschutz" war eine konzertierte Aktion deutscher Sicherheitsbehörden zur Zerschlagunng der Thüringer Neonaziszene. Sogar der Militärische Abschirmdienst war an ihr beteiligt. Und daraus wurden keine Erkenntnisse in Bezug auf die Mordserie gewonnen? Es ist schwer vorstellbar.
Nach dem Abtauchen des Trios im Februar 1998 hatten das Thüringer LKA und das Erfurter LfV nach Angaben der Online-Ausgabe der Berliner Zeitung "jeweils eigenständig Zielfahndungen eingeleitet. Dabei agierten die Behörden auch gegeneinander..."
So habe das LfV seinen V-Mann Brandt über die Observationsmaßnahmen der Polizei auf dem Laufenden gehalten.
Der Verfassungsschutz war wesentlich besser über die Aktivitäten von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund informiert als bislang bekannt. Das berichtet SPIEGEL ONLINE heute auf seiner Internetseite.
In dem Bericht heißt es: "So hatten die Beamten schon im Frühjahr 1999 verlässliche Hinweise, dass sich das Trio in Chemnitz versteckt hielt. Sie wussten auch, dass es bewaffnete Überfälle plante. Das räumt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem amtlich geheimgehaltenen Untersuchungsbericht ein, der dem SPIEGEL vorliegt."
Dem Geheimbericht zufolge, der dem Hamburger Magazin vorliegt, war der Verfassungsschutz den Neonazis mehrmals auf der Spur, versäumte es aber zuzugreifen. Bei den Ermittlern "verdichteten sich spätestens seit Mitte März 1999 die Informationen, dass sich die Gesuchten im Raum Chemnitz aufhalten sollen", heißt es in dem Untersuchungsbericht nach Angaben von SPIEGEL ONLINE. Außerdem heißt es in dem Beitrag: "Die im Frühjahr 2000 gestartete "Operation Terzett" der Verfassungsschützer aus Thüringen und Sachsen führte die Fahnder sogar bis zu einer Wohnung in der Bernhardstraße in Chemnitz, in der zwei mutmaßliche Unterstützer wohnten und die Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe besuchten."
Aus dem Untersuchungsbericht geht nach Angaben von SPIEGEL ONLINE "auch hervor, dass die Verfassungsschützer schon früh Hinweise darauf hatten, dass das Trio im Untergrund kriminell aktiv war. Dabei belastet der Bericht den derzeit in Untersuchungshaft sitzenden Jenaer Rechtsextremisten Ralf Wohlleben schwer."
Diese beiden Auszüge aus Pressemeldungen belegen, dass das Zwickauer Trio durchaus Unterstützung aus den Reihen des VS erhielt.
Auch wenn wahrscheinlich nie alle Vorgänge aufgeklärt werden können, dass VS-Beamte mehrfach die Möglichkeit hatten, das Trio dingfest zu machen, ist unbestritten. Und damit wären Morde verhindert worden.
Solange aber nur der Chef in Köln ausgetauscht wird, bleibt das System weiter bestehen. Und die Chance einer tiefgreifenden Reformierung oder gar der Auflösung einer Behörde, die mittelbar Schuld an der verheerendsten Mordserie seit der RAF in den 70-er Jahren trägt, wird ungenutzt verstreichen.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden