Depressionen - eine Volkskrankheit,über die lieber geschwiegen wird.

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Maxi Leinkauf schreibt im aktuellen Freitag über Depressionen einen gelungenen, sachlichen und informativen Bericht. Dazu kommen drei Betroffene zu Wort, die authentisch über ihre ganz persönliche Situation Auskunft geben.

Vor einigen Jahren hörte ich die Geschichte von einer berufstätigen Frau, welche immer wieder depressive Schübe erleidet. Sie wusste, was es ist und konnte die ersten Anzeichen inzwischen richtig deuten. Glücklicherweise hatte sie einen Arbeitgeber, der Verständnis für eine sonst kaum kranke Mitarbeiterin hatte. Diese Tatsache ermöglichte es ihr, sich während dieser Schübe in eine stationäre Behandlung zu begeben und danach an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Eine Ausnahme? Es könnte die Regel sein, wenn Depression als Krankheit ernst genommen würde. Wer eine Erkältung hat, oder einen Knochenbruch, der ist natürlich und ohne Diskussion krank, wer psychische Probleme hat, muss sie immer noch verstecken.

Die von Maxi Leinkauf genannten Beispiele offenbaren bei aller Unterschiedlichkeit eines, die Ängste und Hemmungen der Betroffenen, auch gegenüber engsten Angehörigen offen über ihre Erkrankung zu sprechen. Nur warum ist dies so, warum haben diese Männer diese Ängste?

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, wir müssen uns behaupten, nur der Starke wird überleben. Das sind Sprüche, mit denen bereits Heranwachsende aufwachsen. Die Angst vor sozialem Abstieg, die Angst, den gewohnten Lebensstandard nicht halten zu können, all dies kann, neben vielen anderen Faktoren, zu Depressionen führen. Versagensangst führt zu einem inneren Druck, der Betroffene geht an seine physischen und psychischen Grenzen und überschreitet sie sogar. Eine Gesellschaft, in der der Mensch nur beliebig als austauschbare Arbeitskraft angesehen wird, begünstigt diese Prozesse.

Sicherlich, Depressionen sind auch erblich bedingt. Nur bedeutet das eben nicht, dass jeder, der in seiner engeren Verwandtschaft Menschen mit diagnostizierten psychischen Problemen hat, selber auch depressiv wird. Viel hängt dabei vom persönlichen Umfeld ab, von der eigenen Persönlichkeit, den eigenen Lebensumständen.

Jeden Tag begeht in Deutschland mehr als ein Mensch einen Freitod. Viele der Selbstmörder verschwinden in den Kriminalstatistiken als geklärte Fälle, eindeutig Suizid, fertig. Was sie dazu trieb, ihrem Leben freiwillig ein Ende zu setzen, das fragen sich vielleicht Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen. War derjenige aber ein Mensch, der , was viele können, seine Depressionen erfolgreich versteckte und dafür viel Kraft verwendete, bleibt oft die Frage, warum? " Er war erfolgreich, hatte Familie, Kinder, was trieb ihn dazu?", wird dann oft gefragt. So manches Mal dürfte die Antwort lauten : " Er hatte Depressionen und hat darüber nie gesprochen", nur bleibt dieser Satz für immer unausgesprochen.

Ich möchte noch auf einen zweiten Aspekt eingehen, den die Autorin kurz gestreift hat. Psychische Erkrankungen sind schwer diagnostizierbar, es gibt Vermischungen und unterschiedliche Lehrmeinungen. Ist es Borderline, eine Persönlichkeitsstörung, Born out, ein Ausgebranntsein oder einfach nur eine depressive Phase, wie es sie in jedem Leben mal gibt? Selbst erfahrene Psychologen brauchen eine gewisse Zeit für eine Diagnose, auf deren Grundlage eine Erfolg versprechende Behandlung möglich ist. Dazu kommen weitere mögliche psychische Erkrankungen wie Dystymie, eine mindestens zwei Jahre andauernde depressive Verstimmung. Allen gemeinsam ist, dass sie für die Betroffenen ein Leiden bedeuten, das sie nur unter großen Schwierigkeiten artikulieren können und das immer noch auf Ablehnung in Teilen der Bevölkerung stösst. Insofern ist der oben erwähnte Fall der berufstätigen Frau doch immer noch eine Ausnahme.

Der tragische Freitod des Fussball Nationaltorwartes Robert Enke vor einem Jahr hat für einen Moment aufgerüttelt. Die mutige Entscheidung von Theresa Enke, die Krankheit ihres Mannes offen zu benennen, führte dazu, dass sich wenig später ein weiterer Hamburger Profifussballer dazu bekannte, depressiv zu sein. Bis depressive Menschen allerdings offen mit ihrer Erkrankung umgehen werden können, ohne berufliche Nachteile befürchten zu müssen oder von sogenannten "Freunden" abgeschoben zu werden, ehe also eine immer noch vorhandene Diskriminierung und Stigmatisierung nicht mehr erfolgt, bis dahin brauchen wir noch eine lange Auseinandersetzung. Notwendig dafür sind neben einer sachlichen Aufklärung vor allem eine offenere, tolerantere Gesellschaft und Arbeitsbedingungen, die auch psychisch kranken Menschen die Möglichkeit bieten, sich und ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen. Nur stellt sich da die Frage, möchte diese Gesellschaft überhaupt die Fähigkeiten von Menschen nutzen, die " einen an der Klatsche haben"?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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