Die falsch verstandene Parole -- eine Erwiderung

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Tom Strohschneider schreibt im aktuellen Freitag über die SPD und deren Weigerung, in eine andere als eine Koalition mit der CDU als Juniorpartner einzutreten.

Fakt ist, da hat er Recht, dass die SPD sich selber der Koalitionsmöglichkeiten beraubt, welche sich ihr bieten, und das sind nun mal mehr als nur der Kellner der Union. Was spricht denn dagegen, auch der Kellner der Grünen in Baden-Würtemberg oder der Kellner der Linken in Sachsen-Anhalt zu sein? Jahrzehntelang wurde als große Koalition nur eine Regierung von Union und SPD bezeichnet. Heute ist diese Sichtweise aus meiner Sicht überholt. Haben wir in Brandenburg nicht auch eine große Koalition, nämlich eine aus den beiden stärksten Parteien, welche die letzte Landtagswahl hervorgebracht hat? Mal davon abgesehen, dass in einer Koalition die stärkere der beiden Parteien immer den Regierungschef stellt, etwas, was die Sozialdemokraten auch immer für sich gefordert oder, als kleinerer Partner, akzeptiert haben, ist doch die Frage, ob sie als Partner der Grünen oder Linken nicht mehr ihrer eigenen politischen Inhalte umsetzen können als mit der Union.

Dass die SPD damit ein Problem hat, liegt in ihrer ihr eigenen Sichtweise, dass sie neben der Union immer die zweite große deutsche Partei war. Diese Sichtweise ist aber zunehmend von der Realität überholt worden. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind die Linken dauerhaft stärker als die SPD geworden, in Baden-Würtemberg sind es die Grünen, in Berlin liegen SPD und Grüne nach der letzten Umfrage beide bei 27 %. Die Zeiten haben sich geändert, die SPD ist stehen geblieben. Anstatt sich mehreren möglichen Optionen zu öffnen und damit politisch handlungsfähig zu bleiben, beharrt sie auf einer Position, welche zunehmend realitätsferner wird.

Was wäre denn, wenn die SPD in eine grün geführte Regierung in Stuttgart oder eine von der Linken geführte Regierung in Magdeburg eintreten würde? Das Geschrei der Union und der Liberalen wäre gewaltig, die bürgerliche Presse würde es als Tabubruch ohnegleichen geißeln, na und. Es war ein SPD Politiker, Reinhard Höppner, der Mitte der 90-er eine von der PDS tolerierte Minderheitsregierung in Magdeburg bildete, gegen Widerstand aus seinen eigenen Reihen, gegen die Presse, bei wütendem Geschrei der Union und Liberalen. Er ertrug es und es zeigte sich, dass dieses Modell funktionieren kann. 1998 kam es in Schwerin zur ersten offiziellen SPD-PDS Koalition, welche immerhin 2 volle Legislaturperioden hielt. Seit 2002 wird Berlin von Rot-Rot regiert, ohne dass das Chaos ausgebrochen wäre.

So erscheint es nur logisch, jetzt den nächsten Schritt zu gehen und die politischen Realitäten anzuerkennen. Die SPD ist nicht mehr die unangefochtene Nr. 1 in der linken Parteienlandschaft, sie sollte sich dieser Realität stellen. Auf lange Sicht wird dies der ältesten deutschen Partei mehr nutzen als schaden. Auf einer überholten Position stur zu beharren, nur, um eine vermeintliche, aber real nicht mehr vorhandene Meinungsführerschaft nicht zu verlieren, wird die Sozialdemokraten nur noch weiter in die Abhängigkeit der Union treiben. Der politische Handlungsspielraum in den Ländern wird weiter abnehmen, die SPD wird immer mehr zum Spielball der Christdemokraten werden.

Eine mutige Entscheidung in Stuttgart oder Magdeburg, die entsprechenden Wahlergebnisse vorrausgesetzt, würde dagegen schon mittelfristig der SPD neue Gestaltungsspielräume geben, und dies über den Bundesrat auch auf Bundesebene. Ob sie allerdings den Mut wie einstmals Reinhard Höppner aufbringen wird, darf im Moment noch bezweifelt werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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