Spiegel Online berichtet heute, dass der Münchner Manager Brunner, der im letzten September von angetrunkenen, gewaltbereiten jungen Männern zu Tode geprügelt wurde, weil er Jugendliche vor ihnen schützen wollte, nicht an den Folgen der Verletzungen starb, sondern an Herzversagen. Dies mag in dem gegenwärtigen laufenden Prozeß gegen die beiden Schläger eine andere juristische Bewertung notwendig erscheinen lassen, doch die Kernfrage bleibt, warum blieb Brunner allein, warum half ihm keiner. Ein Zeuge hat im Prozeß ausgesagt, dass der Manager andere Passanten angeschrieen haben soll, ihm zu helfen. Wie mögen die Männer, die vorbeigelaufen sind, mit ihrer Schuld umgehen? Was war ihnen wichtiger, als einem Mann zu helfen, der junge Menschen vor Gewalttätern schützen wollte, die wartende Ehefrau, der noch zu erledigende Einkauf, die Oma im Altersheim? Wieder juristisch betrachtet, ist dies unterlassene Hilfeleistung und damit strafbar. Viel wichtiger erscheint aber die Frage, wie wenig ausgeprägt die Bereitschaft ist, einzugreifen, wenn andere Menschen ganz offensichtlich in (Lebens-) gefahr ist. Zivilcourage zu fordern ist das eine, sie real zu leben, offensichtlich etwas ganz anderes. Wenn sich nur zwei andere Männer so wie Brunner getraut hätten, sich den Schlägern entgegenzustellen, könnte der 50-jährige vielleicht noch leben. Sicherlich, die Angst, selber etwas auf die Fresse zu kriegen, ist in solchen Situationen vorhanden, nur gilt auch hier, gemeinsam ist man stärker. Doch leben wir, wie dieses Beispiel deutlich zeigt, in einer Gesellschaft, in der lieber nach dem Prinzip der drei Affen gelebt wird. Lass den da mal machen, dann muss ich nicht Farbe bekennen, der Fall Brunner demonstriert deutlich die Entsolidarisierung unserer Welt. Sich hinter anderen verstecken, ducken, hoffen, dass der Nebenmann aktiv ist, erleben wir das nicht auch im täglichen Leben immer wieder? Unabhängig davon, wie der Prozeß ausgehen wird, dieser Vorfall, die mit dem Leben bezahlte Zivilcourage sollte jeden von uns wachrütteln, einzustehen für gelebte Menschlichkeit, einzugreifen, wenn Menschen ihrer Würde beraubt werden, ob am Arbeitsplatz , im öffentlichen Raum oder wo auch immer. Mal ehrlich, wie oft sehen wir weg, weil wir feige sind, wie oft lachen wir, wo uns das Lachen im Halse steckenbleiben sollte? Darüber lohnt es nachzudenken, wenn wir das nächste Mal von dem Prozeß vor dem Münchner Landgericht hören oder lesen. Unser eigenes Verhalten kritisch prüfen, Mut zum Eingreifen haben, wo es notwendig ist, nur dies kann die Lehre aus dem sein, was im September auf dem Bahnhof München - Solln passiert ist.
Geschrieben von
rolf netzmann

Kommentare 97
Leider wird gerade die Mitschuld der untätigen Passanten in den Medien kaum beachtet. Dafür wird immer mehr versucht Brunner nachträglich als wahren Täter zu überführen.
Hat Kickboxen betrieben, war bei Kampfsport-Events => potenzieller Gewalttäter!
Hat die Jugendlichen zuerst geschlagen => vergreift sich an Minderjährigen!
Ist nicht an den Verletzungen gestorben, sondern an Herzversagen => also selbst Schuld!
Einige Medien beweisen wieder, dass sie simpel gestrickt sind. Die überfällige Debatte über Zivilcourage wird davon überholt.
dann beginnen wir doch mal die überfällige debatte!
hat herr Brunner "Zivilcourage" gezeigt? oder hat er nicht einfach "Nothilfe" ausgeübt, nämlich dritten bei der abwehr eines rechtswidrigen angriffs (unter zivilisten) beigestanden?
frage ich so, denn "Zivilcourage" wäre für mich, für eine frau, die gerade von einem polizisten zwangsentschleiert wird, das bußgeld zu zahlen, sie sodann in mein auto zu packen und sie dahin zu bringen, wo sie hinwill. und zwar ohne sie dabei selbst zwangszuentschleiern.
Die Argumentation ist holprig, da mit Zivilcourage und Nothilfe zwei Begriffe verglichen werden, von denen einer der Rechtssprache entstammt. Konsequenterweise müsste man sagen, dass es sich um beides gehandelt hat, Nothilfe und Zivilcourage, denn es bedarf erst der Zivilcourage, dass man anderen hilft.
ich 'vergleiche' nicht, ich wäge gegeneinander ab.
courage ist, wenn mich mein gedächtnis nicht im stich läßt: mut, beherztheit, tapferkeit - also eine eigenschaft, keine handlung.
zivil hat was mit nicht-soldatisch zu tun und mit staatsbürgerlich (civil+civique).
ich bestreite nicht, dass herr Brunner beherzt, vielleicht auch tapfer, vielleicht auch mutig, .. ich frage nur, ob das schon zivilcourage war!
denn, offen gesagt, nothilfe =hilfe in der not (?) zu leisten halte ich für eine selbstverständlichkeit.
Wann wäre es denn Zivilcourage, wenn man von obiger Definition ausgegeht, gewesen?
nun... wenn es über das selbstverständliche hinausgeht vielleicht?
Ich mein jetzt konkrekt, nicht abstrahierend. Was wäre dieses "über das Selbstverständliche" hinausgehende gewesen? Wie hätte er handeln sollen?
Und wieso überhaupt die Wendung "über das Selbstverständliche hinaus"? Beklagt werden muß doch, daß das Selbstverständliche eben ausbleibt: weshalb es eben auch den Strafbestand der Unterlassung gibt.
das frag mal bergkamp - nicht mich!
ich hätte auch nicht gewartet, bis ich zum mann geworden wäre ... oder bis noch zwei andere frauen ....
also: worüber reden wir hier eigentlich?
Mein Einwurf ging allgemein ins Gesprächs. Ich würde aber das "ich frage nur, ob das schon zivilcourage war!" als entscheidend einstufen. Ich denke da: einerseits war es das, in Betracht der Situation und der Gesellschaft, in der dieses Eingreifen passierte, andererseits - in Hinblick auf eine normale, humane Gesellschaft - war genau sein Verhalten normal, also nicht außerordentlich mutig. Er hat gemacht, was ein Mensch nicht unterlassen sollte.
Einfach mal bei der Achse des Guten geklaut:
Broder: "Als ich diese Meldung las, hatte ich ein Deja-vu, es kam mir vor, als hätte ich die Geschichte schon einmal gelesen. Und zwar im Vorwort zur Paperback-Ausgabe der 'Kritik der reinen Toleranz'. Ich darf zitieren: 'Nach dem Ableben eines deutschen Bauingenieurs, der von den Taliban als Geisel genommen wurde, trat Außenminister Steinmeier vor die Presse und sagte: »Wir müssen davon ausgehen, dass einer der entführten Deutschen in der Geiselhaft verstorben ist. Nichts deutet darauf hin, dass er ermordet wurde, alles weist darauf hin, dass er den Strapazen erlegen ist, die ihm seine Entführer auferlegt …"
Und Bernd Zeller: "Man muss sich darauf gefasst machen, künftig öfters zu hören: Isch mach düsch herzversagen!"
Schönen Sonntag noch.
steht der obige vorgang des zitierens auch schon für zivilcourage?
In "O Kapetan Michalis" beschreibt Nikos Kazantzakis, der auch Autor des unsterblichen “Alexis Sorbas” ist, wie der Titelheld, ein Mann von beeindruckender Physis und einem Temperament, das ihn wiederholt zu gewalttätigen Ausbrüchen veranlasst, einem kretischen Landsmann zu Hilfe kommt. Er findet ihn umringt von einer Überzahl feindseliger türkischer Besatzer, es wird schon rumgeschubst und gedroht, die Situation droht zu eskalieren. Michalis greift ein: Beherzt begibt er sich mitten ins Getümmel - und beginnt, das vorgesehene Opfer wüst zu beschimpfen, steigert sich so in seine Wut, dass er ihn schliesslich am Ohr packt und unter Drohungen, was ihm zu Hause blühe, aus der Gefahrenzone herauszerrt. Gerettet!
Fiktion, natürlich. Aber eben nicht Hollywood, wo Schurken das bekommen, was sie ‘nicht anders gewollt haben’.
D. Brunner ist angeblich ein Vorbild für Zivilcourage, sogar ganz offiziell, posthum mit Bundesverdienstkreuz - lange, bevor in dem jetzt stattfindenden Prozess geklärt werden konnte, was sich tatsächlich abgespielt hat.
Stimmt es denn? Ist er Vorbild? Das interessiert mich aus mehreren Gründen, vor allem wahrscheinlich dem, dass ich ziemlich sicher an seiner Stelle nicht so eingegriffen hätte und darüber nachdenke, ob ich also falsch gehandelt hätte
Deeskalieren. sich herausschlawinern, wenn es sein muss: Bisher waren der fiktionale Kapitän Michalis und der ganz reale Oskar Schindler - der mit der Bestie Göth gesoffen hat, um seine Leute zu retten und aus dem, obwohl auch mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt, in der Bundesrepublik nichts mehr wurde - meine Vorbilder, und die Eindeutigkeit, mit der jetzt behauptet wird, ich habe mich an Brunner zu orientieren, ist mir suspekt.
Schutzüberlegungen, um der eigenen Feigheit nicht ins Auge sehen zu müssen? Gut möglich.
Umso wichtiger ist mir, dass die Sache vor Gericht geklärt wird und auch breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
Sie verurteilen die Männer, die vorbeigelaufen seien, fragen, wie die mit ihrer Schuld umgingen. Wissen Sie, ob die nicht die Polizei gerufen haben? War schon erkennbar, dass da einer zu Tode geprügelt werden würde, die Situation eskalieren würde und also Lebensgefahr bestand oder zu befürchten war?
Die Kinder an den Ohren ziehen und abhauen - gab es diese Option nicht?
Jens Jessen hat, soweit ich mich erinnere, in der Zeit in einem vergleichbaren Fall die Frage aufgeworfen, inwiefern das Opfer, ein ehemaliger Schulrektor, mit seinem womöglich rechthaberischen hier-wird-gemacht-was-ich-sage Ton - es ging um verbotenes Rauchen in der U-Bahn - geradezu zur Verkörperung einer Gesellschaft wurde, die solche Schläger in einer vermeintlich elitären Ausschliesslichkeit selbst produziert.
Dies damals so in die öffentliche Diskussion einzubringen fand ich ein gelungenes Beispiel für Zivilcourage, die Jessen da bewiesen hat - gegen den Mainstream, in dem sich alle einig waren, dass man es sich nicht bieten lassen kann, wenn das Gesocks einem auf der Nase rumtanzt, konkret: in der U-Bahn raucht.
Zivil couragiert fände ich auch, wenn Sie die Polizisten, die neulich auf dem Radweg parkten, um beim Bäcker einzukaufen, fragten, ob sie glaubten, für sie gelte die Strassenverkehrsordnung nicht...
Und bevor ich Brunner als Vorbild akzeptiere, möchte ich mir ganz sicher sein, dass in diesem Fall kein Spiesser auch mal Rambo spielen wollte und sich dabei tragisch überschätzt hat. Und ich möchte auch sicher sein, dass nicht aus der scheinbar offensichtlich gewordenen Überlegenheit jener Jugendlichen irgendwann der Schluss gezogen wird, wir brauchten Bürgerwehren, die, angesichts des vermeintlichen Versagens des Staats, die Sache, womöglich bewaffnet, mutig selbst in die Hand nehmen. Das hätte dann nämlich mit Zivilcourage gar nichts mehr zu tun.
In Kenntnis, dass Sie hier Herrn Broder bereits das Erschießen gewünscht haben und zwar bei
www.freitag.de/community/blogs/kay-kloetzer/gerade-wir-als-deutsche
ja. Und hören Sie auf, jedem meiner Kommentare sofort hinterherzusudeln. Bei Ihnen erachte ich das mittlerweile als Stalking.
da wollen wir doch mal genau sein, e2m.
ich habe Broder nicht das erschießen gewünscht. ich habe erklärt, dass ich ihn für seine laudatio für MRR "standesrechtlich erschossen" hätte. den hintergrund habe ich, sowohl was die sprachliche wendung als auch was die unsäglichkeit dessen, was Broder sich da erlaubt hatte, erläutert.
Sie fühlen sich gestalkt? - Nehmen Sie sich nicht so wichtig!
und Broder zu zitieren halten Sie also für zivilcourage?! - dazu stelle ich fest: das wort zivilcourage ist damit völlig auf den hund gekommen!
@ rahab
Am 07.06.2010 um 18:54 schrieben Sie (weil der Originalkommentar von der Red. wg. Verstoßes gegen die AGB editiert wurde) zusammenfassend: „und dass ich ihn (Broder) dafür standesrechtlich erschossen hätte“.
Da ein Gegenüber in einem Blog oder in Schriftform ja nun nicht real physisch angegriffen werden kann, haben Sie sich die Frage gefallen zu lassen, ob Sie nicht ein Äquivalent in Buchstaben abgeliefert haben. Nicht nur die Radaktion war der Meinung, sondern auch ich, denn Ihr erbarmungswürdiger Versuch, eine Usance, dass also so etwas üblich sei, von Anwälten gegenüber dem Nichtanwalt Broder zu konstruieren, war recht schnell offenbar als lauwarmer Versuch der Rechtfertigung.
Wie nennt man das aber, wenn jemand angegriffen wird und man sich erwarten könnte, dass man ihm zu Hilfe kommt? Geht es eigentlich noch deutlicher?! Für mich war der Blog „Gerade wir als Deutsche“ in der Hinsicht aufschlussreich, Ihre jetzige Intervention nur eine Bestätigung.
"Wie mögen die Männer, die vorbeigelaufen sind, mit ihrer Schuld umgehen? Was war ihnen wichtiger, als einem Mann zu helfen, der junge Menschen vor Gewalttätern schützen wollte, die wartende Ehefrau, der noch zu erledigende Einkauf, die Oma im Altersheim? (...)Wenn sich nur zwei andere Männer so wie Brunner getraut hätten, sich den Schlägern entgegenzustellen, könnte der 50-jährige vielleicht noch leben."
Welche Rolle den Frauen in Ihrem Law and Order-Phantasy-Kosmos zugedacht ist, ist klar: Wartende Ehefrauen, Omas im Altersheim, allenfalls noch schützenswerte weibliche Teenager, die um ihr Taschengeld bangen müssen. Es sei denn, ein starker Mann beschützt sie (oder macht gar 15 Euro aus seinem Managergehalt locker, statt in Kampfposition zu gehen).
Was für eine autoritäre Scheisse. Die Stilisierung des Managers zur Ikone der "Zivilcourage" ganz im Sinne einer über Sitte und Anstand wachenden Bürgerwehr, die Ausbeutung seiner Person (die Toten können sich bekanntlich nicht wehren, und wer sagt, Brunner habe sich den Heldensockel tatsächlich gewünscht?) mit kitschigen Kampagnen kommt nur dem staatlich geschürten Wunsch nach neuem Volksheldentum entgegen. Es geht bei der "Zivilcourage" um den Schutz der materiellen Güter und der Klassenschranken, die verfestigt werden.
Gestern dachte ich noch, wie angenehm, daß in der FC nicht über Brunner geschrieben wird.
Eine kleine Oase, in der Menschen Menschen bleiben.
Und nun taucht der Erste auf, der auf Kosten eines toten Brunners sich wichtig machen muss. Mit besserwisserischen Annahmen, wie Brunner sich hätte verhalten können.
Ich bin der Meinung, es hätte vermutlich gereicht, wenn weitere 2-3 Menschen sich eingemischt, einfach dazu gestellt hätten, dann wäre der Mann vermutlich heute noch lebendig.
Um das dreht sich der Beitrag von Netzmann: warum hat keiner geholfen?
Aus der mangelnden Courage der Beistehenden und Vorrübereilenden strickt man flinken Händchens ein schuldhaftes Verhalten Brunners, und rechtfertigt warum er tot auf dem Schlachtfeld liegengeblieben ist.
Das ist in Deutschland ein häufig zu beobachtendes Phänomen: das Opfer ist schuld.
ach? was bestätigt es denn, wenn ich den - zugegeben dilettantischen - versuch unternehme, MRR vor Broder zu 'schützen'? dessen entscheidung, nicht aliya zu machen, verteidige?
kurzum: wer war da eigentlich der angreifer?
da dies von den wenigsten - auch von Ihnen nicht! - gesehen und verstanden wurde, war der blog für mich auch sehr aufschlußreich! er zeigte mir nämlich, wie salonfähig antisemitismus bereits wieder ist, wenn er nur einen Broder findet, hinter dem er sich verstecken kann.
ich würde das mal voneinander trennen.
das eine ist: der bahnsteig war voll mit feiglingen of all three+x sexes. (dazu: ich habe gelernt, dazwischenzugehen, wenn ... zu zivilcourage würde es vielleicht, ganz vielleicht, wenn die prügelnden polizisten sind)
das andere ist - und da kommt mal wieder die mangelhafte aus/bildung der presse zum vorschein - das geschehen strafrechtlich zu würdigen. da könnte auch notwehrprovokation etc zu prüfen sein ...
das macht aus einem helfenden vielleicht einen auch-täter. das festzustellen, bleibt der beweiswürdigung vorbehalten.
daraus nun aber den umkehrschluß zu ziehen, das opfer sei schuld - das gibt es, findet allerdings eher in anderen bereichen statt.
So drehen Sie mir bitte nicht die Worte im Munde herum: Mit nichts habe ich rechtfertigt, warum Brunner "tot auf dem Schlachtfeld" (das war es auch nicht) habe liegenbleiben müssen.
Ein Held, und somit Vorbild, die in einem mühsamen Prozess schwer zu leistende Klärung der Fakten durch die posthume Verleihung des Bundesverdienstkreuz schon vorweggenommen - das wirft keine Fragen auf?
Während Sie mich besserwisserisch schimpfen, gehen Sie mit dem Autor des Artikels ganz ohne weiteres d'accord: die da vorbeigegangen sind, sind (mit) Schuld am Tod Brunners. Ganz einfach.
Es stellt sich in dem Prozess heraus, dass einiges dafür spricht, dass Brunner mit markigen Sprüchen als erster zugeschlagen hat, und sollte dies zutreffen, werde ich mich doch fragen dürfen, ob auch ich mich so verhalten sollte oder nicht.
Dieser Mann hat mit seinem Leben dafür bezahlt, dass ein paar Kinder anderen, noch dazu betrunkenen Jugendlichen, 15 Euro nicht aushändigen mussten, es ist nirgendwo die Rede davon, dass Leib und/oder Leben dieser so schikanierten bedroht gewesen sei - einiges spricht also dafür, dass prinzipielle Vorstellungen verteidigt werden sollten - und das soll ernsthaft zur Nachahmung empfohlen werden?
Dazustellen hätten sich welche sollen - wie wär's denn mit 'dazwischen'?
Ich weiss, dass ich mich nicht wie Brunner verhalten hätte, ob ich besser als die Passanten reagiert hätte, die angeblich nicht getan haben, kann ich nicht zuverlässig behaupten.
Es trifft mich sehr, dass Sie mir unterstellen, ich wolle mich auf Kosten eines Toten wichtig machen, dies dürfte aber nichts dagegen sein, wie sich welche, die tatsächlich am Tatort waren, fühlen dürften, wenn sie, hier wie anderswo, zu Mordgesellen (Mitschuld, es handelt sich immerhin um eine Mordanklage) gemacht werden.
Und wenn Sie schon auf in Deutschland häufig zu beobachtende Phänomene hinweisen: Der von Ihnen konstruierte Gegensatz -
"Eine kleine Oase, in der Menschen Menschen bleiben." zu
"Und nun taucht der Erste auf, der auf Kosten eines toten Brunners sich wichtig machen muss."-
hat es in dieser Hinsicht auch in sich.
Nun denn, beste Grüsse von einem "Unmenschen", besserwisserischer Leichenfledderer obendrein...
P.s. "mit Schuld" sind angeblich auch noch andere, apropos "auf Kosten eines toten..." usw:
"Ramsauer will Attacke zum Wahlkampfthema machen
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf der SPD Untätigkeit beim Jugendstrafrecht vor. Schon nach dem Angriff auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn Ende 2007 hätten CDU und CSU im Koalitionsausschuss Vorschläge zu Verschärfungen beim Jugendstrafrecht vorgebracht, denen sich die SPD aber verweigert habe.
Die Sozialdemokraten hätten damit "schwere Verantwortung" auf sich gezogen, sagte Ramsauer. Er kündigte an, den Fall in den verbleibenden knapp zwei Wochen zum Wahlkampfthema machen zu wollen."
Quelle:
www.sueddeutsche.de/politik/reaktionen-auf-muenchner-pruegelattacke-es-geht-auch-um-suehne-1.25853
Worte im Mund umdrehen usw bezieht sich natürlich auf den Kommentar von thinktankgirl...
zunächst möchte ich Rahab und ed2murrow bitten, ihre Auseinandersetzung nicht hier zu führen, dazu ist mir das Thema zu ernst.
@ h.vannna, ich sprach bewusst von Männern, weil ich es für unrealistisch halte, dass in eine gewalttätige Auseinandersetzung Frauen eingreifen, obwohl das natürlich auch möglich wäre, wenn diese bespielsweise Kampfsportkenntnisse haben, als autoritäre Scheiße sehe ich dies nicht und ich bin weit davon entfernt, Brunner zur Ikone zu stilisieren oder gar Bürgerwehren zu fordern
trotzdem denke ich, dass dieses Beispiel die Entsolidarisierung der Gesellschaft zeigt, auf eine äusserst tragische Weise und die Schlußfolgerung nur sein kann, in Situationen, in denen Menschen ihrer Würde beraubt werden, diesen beizustehen
im übrigen möchte ich einen Toten nicht instrumentalisieren, dass haben die Medien und durch die posthume Verleihung des Bundesversienstkreuzes auch der Staat bereits ausreichend erledigt
Mich drängt die Frage, ob Herr Brunner erkennen konnte was die angetrunkenen jungen Männer als gewaltbereit ausmachte.
Es gab noch kleine Übergriffe auf Seiten der "Angreifer". Die Abwärtsspirale hat sich in erster Linie in der Phantasie von Herrn Brunner befunden. Was danach fragen lässt, wie solche Situationen verhindert werden können? Wie will die Zivilgesellschaft sich gegen eine Entwicklung stellen, deren Ursache in ihrem Inneren liegt? Haben die bedrohten Schüler überhaupt eine Ahnung welche Last ihnen angetragen wird, wenn durch Zivilcourage ausgelöst Rechtsstaatlichkeit
heraufbeschworen wird?
Aus den Presseberichten ist zu entnehmen, dass nach dem ersten Schlag, der von Herrn Brunner ausging, die angetrunkenen jungen Männer inne hielten. Dann erst ihr Gewaltpotenzial entfesselten.
Die Tat die darauf folgte, ist nicht zu entschuldigen. Mein Beileid den Angehörigen. Habe ich die Freiheit, nicht als Staatsanwalt sprechen zu müssen, der sich mit den strafrechtlich zu bewertenden Tatsachen befasst.
Der Ruf von Herrn Brunner nach Hilfeleistung, konnte nur verhallen. Das in Anbetracht der Örtlichkeit und der Tatsache, wer sich bitte mit Herrn Brunner in kurzer Zeit gegen die angetrunkenen jungen Männer hätte stellen können.
Die neuen Helden, durch den Ruf nach mehr Sicherheit. Resultat einer ohnmächtigen Gesellschaft. Hier wird eine Wirklichkeit formuliert, die mit demontierender Logik alles entwurzelt, was sich ihr in den Weg stellt. Die Kür zum Modernisierungsopfer ist der bedenkliche Schlussstrich unter eine Liste von Verfehlungen. Deren Ursprung selber Entwurzelung ist.
Es tut mir leid, ich kann aus dem Handeln von Herrn Brunner keine Zivilcourage erkennen. Wer von einer Brücke springt und hofft damit die Welt zu retten, ist in meinen Augen fehlgeleitet. Ein Eingreifen in eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis, diese zu eskalieren ist im hohen Grade töricht. Gerade als Zivilperson sollte man besser einschätzen können, in welcher Situation man sich befindet oder begibt. Darin liegt die prekäre Zukunft der Gesellschaft und der der vorbeugenden Sicherheit. Wenn mutige Einzelne das gesellschaftlich geforderte Verlangen nach mehr Überwachung befördern, ist das der Zivilcourage gegenläufig.
Wieso soll walter ter linde mich nach einer Begrifflichkeit fragen, die ich nicht in die Diskussion eingeführt habe? Das wär albern.
"einerseits war es das, in Betracht der Situation und der Gesellschaft, in der dieses Eingreifen passierte, andererseits - in Hinblick auf eine normale, humane Gesellschaft - war genau sein Verhalten normal, also nicht außerordentlich mutig."
Interessanter Punkt. Die Frage ist, ob die Gesellschaft schon so weit ist zu sagen, dass wir jeden seinem Schicksal überlassen oder nicht. Wenn dem so wäre, wäre Brunners Verhalten mutig gewesen, wenn dem noch nicht so ist, dann bleibt die Frage, wieso dem Helfer nicht auch geholfen wurde.
Ich fürchte, von der Forderung nach Bürgerwehren sind Sie nicht so weit entfernt, wie Sie annehmen: Das Ein-, nein sogar Partei ergreifen, das Sie hier unter dem Stichwort Solidarität fordern, geht weit über das rechtsstaatlich hierzulande Gebotene hinaus - gegen die anderen am Tatort Anwesenden wurde ja, wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt, und diese Verfahren wurden eingestellt (wohler wäre allerdings auch mir, wenn solche Einstellungen nicht nur im Ermessen der Staatsanwaltschaft lägen).
Aus dem Gefühl heraus aber geht es nicht! Überlegen Sie mal, was passiert wäre, wenn tatsächlich alle eingegriffen hätten, sich auf Brunners Seite gestellt hätten? Ein Mob sich gebildet hätte, der sich gegen diese Jugendlichen gewandt hätte?
Sie tun die Frage nach der Relevanz der Todesursache Herzversagen für die Frage nach der mangelnden Hilfsbereitschaft als unerheblich ab - dabei spielt sie doch in der Hinsicht eine entscheidende Rolle, wie erkennbar es für die Umstehenden war, dass Brunner dem Tod so nahe war und ist also sehr wichtig!
Und die Frage, ob Brunner diese Schlägerei einer Nichtigkeit wegen möglicherweise mit angezettelt hat, ist auch von Bedeutung: Einem in Not muss ich helfen, sobald ich seine Lage erkenne - einem, der sich vielleicht aus Prinzip Übergriffe von 'Asozialen' nicht mehr gefallen lassen will und sich 15 Euro wegen prügeln will und mich zum Mitmachen auffordert, zunächst nicht.
Wenn das nicht klar ist, sondern 'ein für Ordnung sorgen' - der Klarheit halber: dies unterstelle ich Brunner nur sehr bedingt, nur unter der Prämisse, dass er Vorbild sein soll, will ich diese Motivation ausgeschlossen sehen - als Motiv für legitim gehalten wird, kann es nicht mehr lange dauern, bis der von Ihnen konstatierte Mangel an Solidarität organisiert kompensiert wird. Dann ziehen eben drei oder vier Bürger gemeinsam los und sorgen dafür, dass sich solche Halbstarke mal ein bischen benehmen. Usw. usf., irgendwann haben Sie dann die Bürgerwehren, wahrscheinlich unter der Überschrift 'zivil engagiert und couragiert'.
Und in Wirklich keit ist es nur das gesunde Volksempfinden, das sich Bahn bricht und noch die kleinste Rebellion im Keim ersticken und das letzte arme Schwein in der ihm zugewiesenen Perspektivlosigkeit festnageln will.
Oder für wie selbstbewusst halten Sie 18-jährige, die es nötig haben, Wodka flaschenweise in sich reinzukippen, um den Mut aufzubringen, Kindern ihr Taschengeld abzunehmen?
Und wie schätzen Sie deren Fähigkeit ein, realistisch einzuschätzen, dass diesem etablierten Geschäftsmann - der u.U. den Erfolg zu verkörpern scheint, den sie nie haben werden - tatsächlich niemand zur Hilfe kommen wird? Und welchen psychischen Gewinn, was für einen Ego-Boost stellt es in Aussicht, es dem mal zu zeigen?
Und wieso braucht den wer?
vielleicht sollte das (mir nur aus der presse bekannte) geschehen etwas zerlegt werden...
da ist einmal: ältere jugendliche verlangen von jüngeren geld. was tue ich, wenn ich merke, die jüngeren werden 'abgezogen'? ich stehe ihnen bei.
da ist dann wohl: der noch ältere helfer legt die jacke ab und will sich womöglich in ein kämpfchen stürzen. was tue ich, wenn ich merke, dass er nun seinerseits die älteren jugendlichen angreifen will? ich halte ihn zurück.
da ist am ende: zwei jungs treten auf einen ein, der am boden liegt. was tuei ch, kampfsporterprobt oder nicht? ich gehe/werfe/stelle mich dazwischen.
wenn ich vor allem das letzte nicht tue, dann muß ich dafür gründe haben. die gibt es. die reichen von schwächeanfall bis kleinkind auf dem arm oder dergleichen.
aber wo jetzt der punkt ist, an dem ich darüber nachdenke, ob die gesellschaft, in der ich grade lebe, eine ist, die solcherart hilfe zuläßt - das habe ich für solch eine situation noch nicht verstanden.
ps: ich würde mich allerdings nicht mit anderen zusammenrotten, um es diesen jungs mal richtig zu zeigen. es könnte allerdings sein, dass ich einen ordentlichen brüller loslasse, wenn ich mich allein ein bißchen schwach fühle.
Und so gibt es bei diesem Blogbeitrag und seinem Verlauf doch noch etwas zum Lachen.
Jedenfalls für mich.
»Autoritäre Scheisse« stimmt zwar, zu beachten ist hier allerdings die Warte, von der aus h.vanna sie der Kritik unterzieht: Kritisch sein bedeutet nicht, die Scheiße mit etwas Zucker zu versetzen und sie in einem anderen Glas als Bananenmilch auszuschenken, sondern das Problem an der gesellschaftlichen Wurzel zu packen.
Und wie die Wurzel wohl aussehen mag, an der h.vanna sich labt, zeigt das unverhohlene Ressentiment gegen den »Manager« als solchen, dem keine andere Äußerungsform zugebilligt wird als die, entweder die Penunzen herauszurücken oder sich ansonsten unsichtbar zu machen.
Bei soviel kurzschlüssigem Rekurs, der bei Licht besehen die noch schlimmere Scheiße bereithält, kann man nur noch sagen: Vom letzten Tage soll nicht reden, wer den ersten Schuß nicht hörte.
@thinktankgirl:
Dem kann ich voll und ganz zustimmen.
Sei mal ehrlich, rahab, das ist die eventuell wünschenswerte Theorie. Oder?
Es gibt mittlerweile gerade in Berlin etliche Schwerstverletzte, die durchaus zivilisiert und moderierend eingegriffen hatten. Ganz sicher, zumindest ist das meine irgendwie immer noch vorhandene Hoffnung, gibt es natürlich auch die zahlreichen Fälle des Eingreifens ohne allzu üble Folgen. Nur haben, auch dank der Medien und sicher auch dank eigener Phantasien, viele Menschen eben die erste Variante im Kopf.
In den 90ern bin ich zweimal "dazwischengegangen". Und habe viel Glück gehabt. Ich kann Dir versichern, man ist schlagartig ein anderer Mensch bei so einem Angriff. All die hier ausgebreiteten Theorien spielen dann überhaupt keine Rolle. Mein Glück und vielleicht auch das der Angreifer war, daß ich u.a. keine Kickboxausbildung habe. Und ich bin tief im Herzen ein friedlicher Menschen. (aber natürlich auch nicht völlig frei von gelegentlichen Gewaltphantasien.) In dem einen Fall, in dem ich einem überfallenen jungen Mann beistand, stellte sich nach dem Abzug der Kriminellen heraus, daß dieser ein gar nicht so kleines Messer im Ärmel hatte. Was, wenn er es eingesetzt hätte? Oder, wenn die es nur gesehen hätten? Solches Geschehen ist ziemlich schnell nicht mehr beherrschbar.
Es hat mittlerweile in Berlin-Neukölln mehrere Fälle gegeben, bei denen sogar das Einschreiten der Polizei gegen zwei, drei "Ganoven" von deren schlagartig zusammengerufenen Kumpels unterbunden wurde.
Ich jedenfalls hoffe sehr, daß ich nicht noch eine dritte solche Situation erlebe. Aber man sucht sich sowas ja nur selten aus. Und manchmal MUSS man eben auch was tun.
Aus diesem Fall Brunner ließe sich so manches lernen. Aber solche und ähnliche Fälle hatten wir schon oft. Und was hat diese Gesellschaft gelernt? Mein Eindruck ist, daß es nicht so sehr viel ist.
Was für eine friedfertige, respektvolle Diskussion.
@Rahab
Wundert mich, dass du dir so sicher bist, wie du dich verhalten würdest.
Die Phasen 1+2 würde ich sehr wahrscheinlich als 'geht mich nichts an' interpretieren, kein Privatpolizist eben.
In Phase 3 wäre auch mir wahrscheinlich wirklich nichts anderes übrig geblieben - dennoch kann ich für mich nicht so sicher sagen, ich hätte diesen Mut aufgebracht.
Insofern wäre dann ein Eingreifen in 1 oder 2 leichter gewesen.
So, wie es mir in der letzten Schlägerei, in die ich verwickelt war - ist 30 Jahre her, Ferien auf Kreta - ergangen ist: Einer hatte mir richtig eine gedonnert, und ich war damals noch blöd genug, mich zu revanchieren - und im Nullkommanichts hatten mich und meinen Kontrahenten zwei lebende Kleiderschränke, die wenige Sekunden zuvor noch vor dem Kafenion sassen, von hinten fest im Griff, Angelegenheit beendet.
So habe ich es dann, Jahre später auf einer Medizinerparty (!) auch versucht - nur, dass ich meinen fest im Griff hatte, aber niemand den anderen, so dass der dem von mir festgehaltenen erst richtig eine verpassen konnte. Schöne Scheisse.
Und auch damals in einem Vorort von Manchester, als da mitten in der Nacht einer seiner Frau handgreiflich klar machen musste, wie überlegen er ihr sei, bin ich nicht dazwischen gegangen, sondern habe die Polizei angerufen, rumgeschrien und mich nur soweit rangetraut, dass der mich nicht kriegen konnte - was er versuchte. War ein bischen wie Tom und Jerry, aber die Bobbies waren nach drei Runden da...
Warum so ausführlich? Weil ich finde, dass man nicht sagen kann, wie man reagiert, und auch nicht, was richtig ist. Man kann meiner Meinung nach nur beten, dass man das richtige tut, wenn man das Pech hat, in so eine Situation zu geraten.
Und man kann es meiner Meinung nach anderen vorwerfen, wie sie gehandelt haben, schon gar nicht, ohne es genau auszuleuchten.
Betteln verbieten, Jugendstrafrecht verschärfen - so lassen sich in meinen Augen die Probleme einer immer mehr auf Ausgrenzung bzw Anpassung setzenden Industriegesellschaft nicht lösen, und in der Debatte um den Tod Brunners scheint mir, und wenn auch nur als Projektion, zu sehr eine jetzt-nehmen-tapfere-Bürger-die-Sache-selbst-in-die-Hand Mentalität durch (weil die Politik, rechtsstaatlicher Grundsätze wegen, solche Leute angeblich mit Samthandschuhen anfasse).
Wer tot ist, hat Recht: Nach dieser Logik funktionieren auch Selbstmordattentate, und so armselig meine geschilderten Erfahrungen mit Gewalttätigkeiten auch sein mögen: mir reichen sie völlig, und dieses angebliche Heldentum, das für alle scheinbar so klar und unmissverständlich zu Handlungsdirektiven zu werden scheint, möchte ich, wenigstens hier am PC, noch hinterfragen dürfen .
Diese Debatte hat sehr viel von 'endlich begehren die Anständigen mal auf', und der tote Brunner scheint mir hierfür als eine Art Gallionsfigur herhalten zu müssen.
Nur dass mir der Glaube daran, dass Anständigkeit eines der konstituierenden Merkmale unserer globalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sei, langsam, dafür aber sicher, abhanden kommt.
www.welthungerhilfe.de/was-ist-hunger.html
soll natürlich heissen: man kann es meiner Meinung nach anderen NICHT vorwerfen usw.
Kryptisch finde ich noch: "aber wo jetzt der punkt ist, an dem ich darüber nachdenke, ob die gesellschaft, in der ich grade lebe, eine ist, die solcherart hilfe zuläßt - das habe ich für solch eine situation noch nicht verstanden."
???
Ein Eingreifen in eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis, diese zu eskalieren ist im hohen Grade töricht. Gerade als Zivilperson sollte man besser einschätzen können, in welcher Situation man sich befindet oder begibt.
Super, noch einer.
ganz ehrlich - ob es in allen punkten so wäre, weiß ich nicht. wie auch - nicht mal in x-berg erlebe ich so was jeden tag. und seit dem letzten mal, dass ich mich wo dazwischengeworfen habe, bin ich auch schon wieder ein bißchen älter und langsamer geworden. - andererseits kenne ich mich ein bißchen. deshalb weiß ich, dass ich eher nicht weitergehe. und wenn wer am boden liegt, dann hört bei mir der spaß auf.
aber ich halte das nicht für zivilcourage. es ist, wenn ich es kann, normal. und ich denke nicht groß darüber nach - allerhöchstens hinterher, wenn mir vielleicht die knie wackeln.
dass ich dabei auch eins auf die nase kriegen kann, weiß ich.
mit aufstand der anständigen hat es allerdings wenig zu tun. eher mit aufstand der unanständigen, wenn schon von aufstand die rede wäre.
aber: zivilcourage ist was anderes.
vielleicht ist es zivilcourage, wenn ich flüchtlinge verstecke und versorge - für anständige fällt das unter 'der abschiebung entziehen'. aber ... nicht mal das hat was mit heldentum zu tun. ist eher nen reflex.
letztlich kann ich also eher sagen, was alles nicht zivilcourage ist.
www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen/politik/der-fall-brunner-mord-oder-totschlag-zu-tode-erschreckt-1.976599
Der Fall liegt mal wieder erheblich anders, als zunächst berichtet wurde. Wird ein interessantes Urteil werden.
inwiefern jetzt dieses "wird ein interessantes Urteil werden"?
D.Brunner, so lese ich es jetzt, hat die Jugendlichen seinerseits mit Körperhaltung und schließlich mit dem ersten Boxschlag angegriffen. Eine Zeugin, eine Juristin, spricht von zwei Schlägen. Dann(!) sollen die beiden ausgerastet sein. Das kann man dann vielleicht schon als Angriff sehen? Und, so scheint(!) es zu sein, D.Brunner ist an einem Herzversagen gestorben. Komplizierte Situation. Mal sehen, wie die offizielle Variante lauten wird.
So, wie es jetzt aussieht, paßt damit das Bundesverdienstkreuz m.E. nicht so ganz zum Geschehen. Oder gibt es das jetzt schon für so eine alltägliche solidarische Aktion bei der er sich vor die Kinder stellte? Und anschließend dann zum Angreifer wird?
Zählen Sie die Eindringlinge in Ihre Spiesser-Idylle?
"Eine kleine Oase, in der Menschen Menschen bleiben" - und in der über Brunner nicht geschrieben werden sollte, s.o.?
Vieles spricht dafür, dass der sich unklug verhalten hat, und darüber könnte man tatsächlich leicht mit Schweigen hinweggehen und seinen Tod still bedauern, wenn einem nicht mit unerträglicher Penetranz dauernd erklärt würde, dass es sich um einen Helden handele, dessen Beispiel - angeblich gelebte Zivilcourage - man unbedingt nachzueifern habe.
Noch mehr brave Bürger, die sich überschätzen und ihr Leben lassen? Dulcis et decorum est pro pecunia mori?
Wo dies in Frage gestellt wird, unterstellen Sie sofort niederste Beweggründe, schreiben von sich wichtig machen, Besserwisserei usw.
Brunner dürfte es wenig stören, wenn man hinterfragt, ob er als Vorbild tauge. Sie aber, und auch der Autor des hier kommentierten Artikels, zeigen mit einer Unbekümmertheit auf andere, weisen Schuld zu und erklären, mit wie einfachen Mitteln angeblich tatenlose Passanten die Tragödie hätten verhindern können - ohne dass Sie auch nur ansatzweise Fakten heranziehen.
In dem jetzt stattfindenden Prozess und seiner medialen Begleitung kommen sie ans Tageslicht, und zum Teil entlasten sie die Angeklagten, das Verfahren scheint fair zu sein.
Anscheinend passt Ihnen das nicht. Wäre es Ihnen lieber, die Beschuldigten würden rasch abgeurteilt, ohne dass am Image des Toten gekratzt würde?
Sie, und viele andere, scheinen sich sehr sicher zu sein, wie Sie in einer solchen Situation reagieren würden, so sicher, dass Sie die, die sich in der realen Situation als nicht so unfehlbar erwiesen haben, selbstgerecht verurteilen können.
Kann man nur hoffen, dass Sie sich nicht masslos überschätzen (und bei Gelegenheit sich und andere in Gefahr bringen)...
P.s. Lektüretip: Lord Jim, von Joseph Conrad
@GerhardHM
es ist eigentlich so üblich, dass nach zulassung einer anklage der anklagesatz nicht einfach betätigt sondern in der mündlichen verhandlung im wege der beweisaufnahme überprüft und ggf. korrigiert wird. so gesehen finde ich es überhaupt nicht überraschend, dass vor gericht mehr und anderes zur sprache kommt, als bislang in den zeitungen zu lesen war. weshalb mich auch nicht überraschen täte, würde als nächstes vermeldet, das gericht habe einen rechtlichen hinweis gegeben, wie die angeklagte tat möglicherweise auch zu beurteilen sei....
aufgabe eines strafverfahrens ist auch nicht zu bestätigen, dass ein bundesverdienstkreuz zu recht verliehen worden sei, oder gar eine verleihung zu widerrufen.
zur verleihung des bundesverdienstkreuzes müssen sich da wohl ein paar andere befragen lassen, welche motive sie dabei bewegten.
mir fällt da als erstes ein: bürger_innen zivilcourage abgewöhnen! das geht darüber, dass beispielhaft verdeutlicht wird, welches handeln belohnt wird (und sei es postum mit einem bundesverdienstkreuz) und welches nicht (beispiel: der zusammengeprügelte radfahrer, der in einer demo nach der dienstnummer eines polizisten gefragt hatte)
Es könnte sehr hilfreich sein, wenn ein kompletter Ablauf des Geschehens veröffentlicht werden würde. Aber wahrscheinlich ist das der naive Gedanke eines Nichtjuristen und Nichtpolitikers. Wahrscheinlich gilt auch dieses Mal:Drei Zeugen des Geschehens - vier verschiedene Tathergänge. Ich wollte da kein Richter sein.
Mir fällt da die Hammergeschichte von Watzlawick ein. Vielleicht lief bei D.Brunner so etwas Ähnliches im Kopf. Und anstatt passiv zu bleiben, wurde er aktiv. Für mich besteht das große Elend darin, daß er von Anfang an allein gelassen wurde. Wie eben auch die Kinder. Hätte sich da ein(e) Besonnene(r) einfach dazu gestellt, wäre es wahrscheinlich nicht mal im Ansatz zur Eskalation gekommen. Hätte, wäre, könnte,...
Und die Nummer mit der Polizistennummer. Den Tag, da Zivilcourage gegenüber dem Staat honoriert wird, werde ich wohl nicht mehr erleben.
Der bislang vernünftigste Beitrag zu dem Thema:
www.freitag.de/community/blogs/peter-nowak/neue-fragen-im-fall-dominik-brunner
@j-ap:
"Und wie die Wurzel wohl aussehen mag, an der h.vanna sich labt, zeigt das unverhohlene Ressentiment gegen den »Manager« als solchen, dem keine andere Äußerungsform zugebilligt wird als die, entweder die Penunzen herauszurücken oder sich ansonsten unsichtbar zu machen."
Da Ressentiment "verborgenen Groll" meint, macht "unverhohlenes Ressentiment" keinen Sinn. Ich verstehe aber, dass meine Formulierung leicht ins falsche Glas Banana-Shake geraten kann, daher ist Ihr Einwurf gerechtfertigt. Es ging mir allerdings darum, polemisch aufzuzeigen, dass es sich bei den "niedrigen Beweggründen" der als Berserker gebrandmarkten, drogensüchtigen Jugendlichen um eine sehr niedrige Summe handelte. In dem Zusammenhang erinnere ich an den "Subway-Vigilante"-Fall in New York, wo Bernard Goetz auf 4 schwarze Jugendliche, die in der U-Bahn 5 Dollar von ihm forderten, 5 Kugeln aus seiner 38er auf sie abfeuerte. In der Folge wurde Goetz - der "bedrohte weisse Mann" vom Boulevard, allen voran der rechtspopulistischen New York Post, zum Volkshelden stilisiert, er erhielt 8 Monate Gefängnis und kandidierte 2001 zum Bürgermeister...
In der Tat: Vom letzten Tage soll nicht reden, wer den ersten Schuss nicht hörte.
Es wäre im übrigen naiv zu glauben, dass eine Gesellschaft, wie sie die Ideologie des Neoliberalismus hervorgebracht hat, durch ein singularisiertes Einzelschicksal "aufgerüttelt" werden und plötzlich ihre "moral courage" entdecken könnte. Stattdessen bedienen sich Springer-Medien, die Bundesregierung oder auch der Aktenzeichen XY-Denunziantenstadl dieses Einzelschicksals, um es rigoros für ihre Interessen zu instrumentalisieren.Ob solchem Zynismus mit zynischen Kommentaren begegnet werden kann, ist eine andere Frage.
Nun, h.vanna,
was die Sache anlangt, ich wiederhole mich, haben Sie doch weiter oben völlig recht, und mein Einwand bezog sich folglich nicht darauf, daß Ihre Kritik fehl ginge: Sie ist schon richtig, aber im Falschen. Und darüber hilft Ihnen nun auch der Griff ins Wörterbuch nicht hinweg, denn wenn wir so anfangen und die Begriffe völlig von ihrer historischen Entwicklung absrahieren, dann ist die Sache längst am Ende, bevor sie überhaupt richtig losgeht.
»Ressentiment« meint daher keineswegs nur »verborgenen Groll«, sondern in ertser Linie sublimierte Rache, die früher oder später aktuell werden muß: Das Subjekt erlebt in dieser Hinsicht die äußere Welt nämlich nur mehr als Schicksal, als seine Wünsche, Bedürfnisse und seinen Willen arbiträr durchkreuzendes und negierendes Verhängnis. Die Hochzeit bürgerlicher Emphase, die sich die Welt noch als 'Domäne des Willens' zu Füßen legte, ist nämlich längst vorbei, und also ist das Schicksal in deutscher Tradition ein abstraktes gesellschaftliches Etwas, in das man sich murrend und widerstrebend fügt, in das man sich schließlich fügt und dessen Vollstrecker man schließlich selber spielt, indem man die vermeintlichen Verursache des eigenen Elends höchstpersönlich vernichtet.
»Eigenverantwortung« wird deshalb in Deutschland auch anders buchstabiert als überall sonst, denn hierzulande bedeutet es nichts anders, als sich die Gebote des Apparats als eines staatsvermittelten Ganzen zu eigen zu machen und die Sanktionen eigenhändig auszuführen, als Vollstreckungsbeamter im Auftrag einer höheren Macht, die noch nicht einmal mehr selbst aus der Kaserne fahren muß, sondern das Subjekt selbst erledigen läßt, wozu es vorher noch Milizen brauchte.
Dazu kommt noch, daß — wir hatten das gerade vorhin nebenan — im Land der Eigentlichkeit und des gnadenlos wütenden Positivismus es nicht länger sein kann, nur böses zu tun. Nein, man ist böse, sei es wegen der Klasse, der Religion, der Volkszugehörigkeit usw. usf. Und wer böse ist, den darf man nicht nur beseitigen, man muß es sogar ...
Sehen Sie die Parallelen?
Eben. Genau deshalb mein Einwand.
Man sollte doch mal klar sagen, was man mit helfen meint: sich vor zwei bekifft Jugendliche stellen und sie zum Kampf rausfordern und sich dann noch überschätzen? Das ist keine Zivilcourage sondern cowboyhaftes Machogehabe gemischt mit Law -and Orderphantasien, es dem "Pöbel" schon zeigen zu wollen- nur der war eben in dme Fall stärker.
@rolf netzmann
Was Frauen und das Eingreifen in gewalttätige Auseinandersetzungen angeht, so sollte das viel öfter passieren - Frauen haben's damit unter Umständen viel leichter als Männer. Und zwar, bevor eine Auseinandersetzung tatsächlich so weit eskaliert, daß sie gewalttätig wird. Frauen haben dabei den nicht ganz unerheblichen Vorteil, daß ihnen selten öffentlich körperliche Gewalt zuteil wird und daß sie nicht als konkurrierendes Testosteron wahrgenommen werden.
Um das ein bißchen genauer zu beleuchten, möchte ich auf Erlebtes zurückgreifen, nämlich einige Situationen in der U-Bahn, wo jeweils mehrere Youngster junge Frauen übel beleidigten und auch körperlich angingen. Es war jeweils ein Riesenunterschied, ob ich alleine dazwischen ging oder ob sich, zweimal passiert, mein jeweiliger männlicher Begleiter nachträglich als falsch verstandener Beschützer auch noch mit einmischte - genau da eskalierten beide Situationen nämlich, die ich beide Male schon so ziemlich befriedet hatte.
Ein weiteres Beispiel - in der unmittelbaren Nachbarschaft meines Ateliers befand sich früher eine Berufsqualifizierungseinrichtung, von deren Teilnehmern einige öfter unseren Hausflur verwüsteten, dort mächtig Drogen nahmen und, bäh, in die Ecken pinkelten. Ich arbeitete eine Weile mit dem friedliebensten Mann überhaupt zusammen und freute mich eigentlich, daß er die Durchsagen an die Youngster sehr gern übernehmen wollte - das ging sowas von nach hinten los! Er war selbst sehr erstaunt, wieviel geballte Faust und Testosteronfilm die Auseinandersetzungen mit den Jungs bei ihm abriefen und wie heftig die Situationen eskalierten, während ich kaum Probleme hatte, sie jeweils zur Ordnung zu rufen. Notfalls mit der Frage, ob sie eigentlich ähnlich respektlos mit ihrer Mutter sprechen - deren Alter habe ich so in etwa.
Entscheidend für eine erfolgreiche Intervention ist ganz sicher nicht eine Ausbildung in irgendeinem Kampfsport, sondern möglichst frühzeitiges Eingreifen, Ruhe, Bestimmtheit und Vorsicht. Vorsicht insofern, daß ich mir vor einem Einschreiten einen B-Plan überlege und mir z.B. in der U-Bahn ausgucke, wer, falls es schief geht, ansprechbar ist und mir hilft. Wo die Notbremse ist, wann die nächste Station kommt und wie die Nummer der Polizei lautet. Das erfordert noch nicht mal besonders viel Mut, sondern nur einen klaren Kopf.
Lieber Keiner, sie haben es genau erfasst.
Der Tod Dominic Brunners stürmt geradezu das Spiesser-Idyll.
Empfände ich es für das reichste deutsche Bundesland und München als beschämend, den Tod dieses Mannes in dem Sinne zu politisieren, wie es der Boulevard tut.
Bin ich ganz im Gegenteil für eine schnelle Abverurteilung der Beschuldigten.
Dulce et decorum est pro patria mori.
Weist für mich nicht auf ein Idyll. Darin liegt die Schwierigkeit und die bloße Betrachtung von Tatsachen erhellen dies nicht.
Bleibt abzuwarten wo sich der aufgewirbelte Staub,
von den betagten Begriffen Zivilcourage und Vaterland, niederlegen wird.
@xsirup
@keiner
Tja, da bleibt mir nur, Euch zu wünschen, daß Ihr nie die Hilfe anderer braucht:
- jemand, der Euch weckt, wenn Euer Haus abbrennt
- jemand, der Euch aus dem Schwimmbecken zieht, weil Euer Kreislauf kollabiert
- jemand, der Euch Blut spendet
- jemand, der Euch nicht auf dem Gehweg liegenlässt, weil er denkt Ihr seid betrunken, wenn Ihr einen Herzinfarkt habt
- jemand, der für Euch aussagt, wenn Ihr falsch beschuldigt werdet
- jemand, der Euren Kindern hilft, wenn sie abgezogen werden
Aber ehrlich gesagt, wünsche ich Euch, daß Ihr zuerst für ein paar Minuten den Geschmack der Angst kennenlernt, wenn Ihr in der Scheisse steckt und keiner Euch helfen will. Und wenn Ihr die Angst kennengelernt habt, dann reden wir nochmals über Euer Spiesser-Idyll.
@dame
Ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon gemacht. Für mich als Frau ist es oft relativ leicht, jemand zur Räson zu bringen. Und ich lege mir auch immer einen Plan B zurecht ;-)
Aber umgekehrt gilt das auch für innerfrauliche Auseinandersetzungen, Männer können da oft besser schlichten.
@thinktankgirl
das wünsche ich dir auch.
@dame-von-welt: "Was Frauen und das Eingreifen in gewalttätige Auseinandersetzungen angeht, so sollte das viel öfter passieren - Frauen haben's damit unter Umständen viel leichter als Männer."
@thinktankgirl:"Aber umgekehrt gilt das auch für innerfrauliche Auseinandersetzungen, Männer können da oft besser schlichten."
Seit ich Irving Goffman (Von ihm stammt der Aphorismus: Nicht die Religion, sondern das Geschlecht ist das Opium des Volkes) gelesen habe, kann ich sämtliche Sätze, die mit "Männer..." einerseits und "Frauen..." andererseits beginnen, nur als Ausdruck eines quasi-religiösen Glaubensbekenntnisses auffassen - ob es ums Einparken geht oder Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Natürlich, hier geht es um Gender, also die sozial konstruierte Geschlechtsidentität.
Netzmann zielte auf eine Kritik an den seiner Meinung nicht vorbildlich männlichen (da "passiven") Zeugen; männlicher hätten sie nur gehandelt, wenn sie "aktiv" geworden wären, und Frauen hätten nur als "Fightgirls" (ebenfalls ein klassischer Stereotyp) was ausrichten können. Brunner dagegen entsprach gerade weil er seine Herzprobleme vernachlässigte dem geforderten Entwurf von Männlichkeit: Todesverachtung gleich Heldentum. "Schag, Kick, Schlag, Kick" nannte eine Augenzeugin seine Herangehensweise. Sollte das stimmen (Tritte gegen den Kopf und Oberkörper) dann wäre gerade die Studie des Kriminologen Daniel Heinke ("wer gegen den Kopf tritt, will töten"), die die Dämonisierung des asozialen Pöbels zum Ziel hatte, und die Mordanklage stützen sollte, auch auf ihn anzuwenden. Es spricht Bände, dass die Staatsanwaltschaft diese Erkenntnisse unter den Teppich kehrte und weiterhin unangefochten an der Mordanklage festhält.
Sorry: Es muss natürlich Erwing Goffman heissen..!
www.lorenzk.com/ethno/goffman.html
Erving
Das ist in Wirklichkeit eine Gewaltphantasie, die Sie hier ausbreiten - sozusagen unter (imaginär) vorgehaltener Pistole soll ich solche Angst kriegen, dass ich meine Ansicht ändere...
Wenn Sie also wüssten, dass ich es wäre, der Ihrer Hilfe bedürfte, würden Sie mich gerne mal ein bischen zappeln lassen, was? Hätte ich mir durch die Kommentare hier verdient, oder?
Wissen Sie, ich habe in 50 Jahren insgesamt 5 Menschen das Leben gerettet, im Schnitt also alle 10 Jahre einmal.
So cool läuft das meiner Erfahrung nach nicht ab, sondern mal ganz unspektakulär - ein Zuruf, weil eine ein heranrasendes Auto nicht sieht -, oder mal mit derartiger Clouseauscher Ungeschicklichkeit, dass ich nur von Glück sagen kann, dass ich nicht statt dessen zwei umgebracht habe, vielleicht auch mal mutig und elegant oder auch mal, wie eigennützig, das eigene Leben mitgerettet...
Sie können in Wirklichkeit nicht beurteilen, wer oder ob überhaupt jemand Brunner hätte helfen können, Sie machen noch nicht einmal den Versuch, Fakten zu klären und herauszufinden, ob überhaupt jemand nah genug war und verstehen konnte, was vor sich ging, als er am Boden lag und gegen seinen Kopf getreten wurde. (Und kommen Sie mir nicht mit dem S-Bahn Fahrer, der hat offenbar nur einen gesehen, der ihm munter zurief: Jetzt gibts hier gleich Ärger (oder so ähnlich).)
Und vor diesem Hintergrund ist Ihre Schuldzuweisung an alle, die sich in der Nähe des Tatorts befanden, Ihre Behauptung, nur 2,3 hätten sich einfach dazu stellen brauchen, dann würde der Mann vermutlich noch leben, von einer selbstgerechten Brutalität, die mich schaudern macht. Wie selbstverständlich gehen Sie davon aus, dass Sie die Lage, noch dazu im Nachhinein, viel besser beurteilen können als diese Leute, und darüber hinaus scheint Ihnen die Möglichkeit, dass die sich vielleicht selbst u.U. ungerechtfertigte Vorwürfe machen, sie vielleicht Suizid gefährdet sind, noch nicht mal in den Sinn zu kommen.
Und den zweiten Aspekt des Falls fassen Sie noch nicht mal ins Auge: Brunner hat sich schützend vor Kinder gestellt, deren Geldbörse - nicht ihr Leben! - nach allem, was man bisher den Berichten entnehmen kann, bedroht war und hat dann zur Eskalation der Lage offenbar mindestens beigetragen.
Und dieses Verhalten soll angeblich so vorbildlich sein, dass es sogar durch die posthume Verleihung des Bundesverdienstkreuz gewürdigt werden musste.
Und ja, dem widerspreche ich, energisch, schon allein deswegen, weil es die Gefahr, dass es anderen so wie diesem Mann - der auf den Fotos so unwiderstehlich freundlich dreinschaut - ergehen könnte, grundlos erhöht - nur weil bürgerliche Politiker die Sehnsucht nach Ordnung und Sauberkeit und dergleichen Quatsch mehr bedienen wollen.
Ich glaube nicht an Voodoo - gib der bloss niemand ein Bild von mir! -, Sie können sich also gerne weiter an der Vorstellung laben, mich nähme mal jemand so richtig in die Mangel.
Vielleicht lernen Sie sich ja so ein bischen besser kennen...
Das ist ein Wunschszenario, nach einem Hollywood Vorbild was Sie sich da ausmalen. "Bitte die Wirklichkeit anhalten und die Darsteller für die Einstellung neu in die Szene setzen. " Nach ihren Vorstellungen von Wirklichkeit braucht es für alle Eventualitäten, die passende Vorkehrung. Da ist Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz nur der Anfang, wie mir scheint.
Wenn Sie nicht erkennen wie eine machiavelische Politik auf Dominic Brunner geradezu gewartet hat und für ihren Zweck nutzt, dann ist es an der Zeit, dass Sie die Augen öffnen. Das passt zu ihrer Opfertheorie.
Ergötzen statt laben hätte ich lieber geschrieben.
Ihre Aufzählung oben, in der Sie 'Kinder abziehen' in eine Reihe mit abbrennenden Häusern oder keiner Hilfe bei Herzinfarkt stellen, täuscht geschickt eine Gleichwertigkeit vor, die es nicht gibt, sie verschiebt so die Werte.
Ihre Phantasie, die mir ein "paar Minuten(!)" Todesangst wünscht - und dies sollte Ihnen wirklich zu denken geben - entspricht haargenau der, die ausser Rand und Band geratenen Militärs in Guantanamo oder Abu Ghraib, Stichwort waterboarding, in die Tat umgesetzt haben - damit die so Traktierten endlich das sagten, was ihre Folterer hören wollten. Und auch hier stimmt die Parallele noch: "Und wenn Ihr die Angst kennengelernt habt, dann reden wir nochmals über Euer Spiesser-Idyll", malen Sie weiter aus.
Natürlich, Sie würden so etwas nie in die Tat umsetzen - aber wie sicher können Sie sich sein, dass es hier niemanden gibt, der sich von Ihrer Wut anstecken lässt und weniger Skrupel hat, so ein Schwein wie mich mal Mores zu lehren?
Das Militär ist inzwischen auch schon viel weiter, inzwischen werden die Taliban in Afghanistan von deutschen Kommandeuren "vernichtet", ohne dass dies auch nur zu einer Anklage, geschweige denn zu einem Urteil führte.
Leute, die nicht denken wie wir, und unsere präventiv sehr weitgehend bereits abgeschafften freiheitlichen Werte durch ihre Terrorbereitschaft bedrohen...
Hat mit Brunner und seiner Vorbildfunktion nichts zu tun? Mich irritiert es, dass es der ehemalige Sparkassenpräsident Horst Köhler war - der als Bundespräsident zurückgetreten ist, nachdem er auf dem Rückflug aus Afghanistan erklärt hatte, die Bevölkerung akzeptiere allmählich, dass Militäreinsätze auch zur Sicherung von Wirtschaftsräumen erfolgen müssten -, der, sonst sehr viel sparsamer mit dieser Auszeichnung, das Verdienstkreuz an Brunner wie eine posthume Tapferkeitsmedaille - deshalb die Anspielung decorum est mori, unter nämlich durch die Ehrung definierten Umständen - verliehen hat.
Ihre Empörung kann ich insofern nachvollziehen, als Sie offensichtlich in meine Kommentare partout hineinlesen wollen, Brunner habe nichts besseres verdient als dieses Schicksal, das er sich durch unkluges Verhalten selbst zuzuschreiben habe, und im Übrigen habe er keinen Anspruch auf Hilfe gehabt.
Lesen Sie's doch bitte noch mal, nicht nur mit heissem Herz, sondern auch mit eingeschaltetem Verstand: Sie werden nicht nur erkennen, dass das wirklich nicht da steht, auch nicht gemeint ist und, ich bin sicher, sehr erschrecken, zu welchen Unterstellungen und Phantasien Sie sich haben hinreissen lassen.
Es sind Demagogen, die sich solcher Impulse bedienen, Roland Koch in Hessen hat eine Landtagswahl nach der anderen auf diese Art gewonnen (sekundiert z.B. von einem J. Joffe bei der Zeit, dank dessen (und des neuen Rundfunkstaatsvertrags) Adjutanz künftige Generationen die gescheiterte A. Ypsilanti für eine blutrünstige Neostalinistin halten dürften).
Nichts soll sich ändern im Land der Banken(krisen)!
@Rahab schrieb am 18.07.2010 um 09:15
"...denn "Zivilcourage" wäre für mich, für eine frau, die gerade von einem polizisten zwangsentschleiert wird, das bußgeld zu zahlen, sie sodann in mein auto zu packen und sie dahin zu bringen, wo sie hinwill. und zwar ohne sie dabei selbst zwangszuentschleiern."
@thinktankgirl schrieb am 18.07.2010 um 14:42
"[...]Das ist in Deutschland ein häufig zu beobachtendes Phänomen: das Opfer ist schuld."
@walter ter linde schrieb am 18.07.2010 um 19:28
"Und so gibt es bei diesem Blogbeitrag und seinem Verlauf doch noch etwas zum Lachen. Jedenfalls für mich."
Mir ging es mehrmals so. Die Bloggerin "Rahab" ist auch immer für einen "Witz" zu haben. Ihre Definition von Zivilcourage ist herrlich. Stichworte: "von einem Polizisten zwangsentschleierte Frau"
mb
jetzt, wo du's sagst ... merk ich auch: das geht ja garnicht!
für mich wäre das also: sie auf den gepäckträger packen und wegradeln. das geht! oder, falls ich das rad nicht dabei und nach dem freikauf noch genug knete, ne taxe entern. das ginge auch.
Richtig: Erving Goffman, der Lesenswertes über Jean Sol Partre schrieb...
@h.vanna
Ich möchte Ihnen den ganzen Absatz noch mal zitieren, da Ihr Zitat sinnentstellend kürzt: 'Was Frauen und das Eingreifen in gewalttätige Auseinandersetzungen angeht, so sollte das viel öfter passieren - Frauen haben's damit unter Umständen viel leichter als Männer. Und zwar, bevor eine Auseinandersetzung tatsächlich so weit eskaliert, daß sie gewalttätig wird. Frauen haben dabei den nicht ganz unerheblichen Vorteil, daß ihnen selten öffentlich körperliche Gewalt zuteil wird und daß sie nicht als konkurrierendes Testosteron wahrgenommen werden.'
Ich würde Ihnen immer recht geben, daß man mit Verallgemeinerungen nicht weit kommt. Hier aber habe ich begründet, warum ich sie verwendet habe - die beschriebenen Männer wie mich überraschte die Existenz und Dominanz des beschriebenen konkurrierenden Testosterons gleichermaßen - mitunter gibt es zutreffende platte und stereotype Erklärungen und nicht alle Geschlechtsidentität ist konstruiert.
Bitte beachten Sie auch, daß ich rolf netzmann ausdrücklich widersprochen habe, als er von Kampfsportausbildung als Vorraussetzung für ein Eingreifen sprach, sondern ein sehr viel früheres deeskalierendes Eingreifen für viel sinnvoller halte - bevor es zu gewalttätiger Auseinandersetzung kommt.
Es bedarf dazu auch keiner Vorbilder. Ob Dominic Brunner eins ist und auch, für wen oder was, lasse ich mal dahingestellt. Niemand hier war dabei - die Presse und die öffentliche Wahrnehmung dazu sind, wie sie in der Regel nun mal sind: schwarz-weiß-malend.
Die Frage in der Diskussion darüber ist aber doch auch, ob es als Spießigkeit und als unangemessener Übergriff begriffen wird, sich überhaupt in schräge Situationen einzumischen. Für mich gehört das zur Reaktion auf Situationen, in denen ich mich befinde, ein bißchen auch zur Mitgestaltung meiner Umgebung. Ich kann nicht auf mir angenehme Situationen mit Lächeln und auf mir unangenehme mit Wegsehen reagieren. Das hielte ich für Opium.
Ich mische mich dann ein, wenn Schwächere in Schwierigkeiten sind oder wenn mein unmittelbares Umfeld in einer Weise benutzt wird, daß mir daraus Nachteile entstehen. Dahinter steht eine egoistische Motivation, da ich in meiner Umgebung gern auch weiterhin angenehm leben möchte und auch hoffe, daß mir selbst in etwaigen üblen Situationen ein ähnliches Eingreifen zuteil würde.
Das ist, wie Sie sehen, alles nix, was in irgendeiner Weise zum todesverachtenden 'Fightgirl' qualifizieren würde. Im Gegenteil, je kleiner die dabei geschlagene Welle, desto besser. Für nicht ganz unwichtig halte ich nämlich auch, dem- oder denjenigen, deren Verhalten mir nicht paßt, nach Möglichkeit ihr Gesicht zu wahren. Wozu Humor und auch das Infragestellen der eigenen Person gehört. Schließlich treffe ich die wahrscheinlich demnächst wieder.
@walter t l: "...in Hinblick auf eine normale, humane Gesellschaft - war genau sein Verhalten normal, also nicht außerordentlich mutig."
Also, weil es in einer "normalen" Gesellschaft "normal" wäre, sich Schlägern entgegenzustellen, ist dieses Verhalten nicht außerordentlich mutig???
Es gehört also kein Mut dazu, sich in eine Situation zu begeben, aus der man eventuell nicht mehr lebend herauskommt?
@Rahab: pseudo-juristische Wortklauberei mal beiseite, findest Du es also mutiger oder "couragierter", für jemanden 150 Euro Bußgeld zu bezahlen, als in eine sich anbahnende Schlägerei einzugreifen? Na toll.
Und natürlich wissen wir alle, dass Du, Rahab, keinen Augenblick zögern würdest, den Bedrängten beiseite zu springen und dabei Dein Leben zu riskieren! Es wäre gar nicht nötig, Deinen Heldenmut hier schriftlich zu dokumentieren. Wer würde auch daran zweifeln, dass Solcherlei für DICH eine Selbstverständlichkeit ist?
Der Umgang mit solchen Situationen hat sich im Laufe meines Lebens mehrfach geändert. Allerdings war das Ergebnis nie so erfolgreich wie gegenwärtig, da ich, nun alt geworden, einen Sprengstoffgürtel trage. Sobald die Jacke geöffnet ist, die Reißleine sich sichtbar in der Hand befindet und ein irrer Schrei aus meiner Kehle dringt, sind alle, wirklich alle verschwunden.
@ dame
"Die Frage in der Diskussion darüber ist aber doch auch, ob es als Spießigkeit und als unangemessener Übergriff begriffen wird, sich überhaupt in schräge Situationen einzumischen.", schreiben Sie, und mich beschleicht der Verdacht, dass Sie so meine hier vorgetragenen Einwände zusammenfassen wollen könnten, schliesslich habe ich 'Spiessigkeit' ja in zwei verschiedenen Zusammenhängen in die Diskussion eingebracht.
Deshalb noch einmal, der Klarheit wegen: Das Eingreifen Brunners in München wird aus einer politischen Ecke als vorbildhaft bezeichnet und mit grossem Medienecho instrumentalisiert, in der mir die Wertschätzung von z.B. Zivilcourage bisher nicht unbedingt ins Auge gesprungen ist, sondern eher die von Rahab oben angesprochene Prügelorgie anlässlich der Frage eines Demonstranten nach der Dienstnummer eines Polizisten bei nämlicher Demo typisch zu sein scheint.
Ob Brunner also Vorbild sein kann, habe ich thematisiert, durchaus mit dem Hintergedanken und der Bereitschaft, bisherige eigene Vorstellungen in dieser Hinsicht in Frage zu stellen.
Ohne den Vorgang genau unter die Lupe zu nehmen, und die öffentliche Diskussion zur Gerichtsverhandlung liefert hierzu u.a. auch wichtige Fakten, ist das aber nicht zu machen, und natürlich gehört auch die Frage nach den Motiven Brunners und ob er klug und umsichtig genug gehandelt hat, dazu - immer unter der Prämisse, dass verlangt wird: So wie der solltest du dich in einer vergleichbaren Situation auch verhalten.
Bernhard Götz in New York ist hier schon angesprochen worden, und über das Persönliche hinaus finde ich es wichtig, zu klären, ob das Vorbild wirklich taugt oder ob nicht von Leuten, die ich für Spiesser und widerliche Demagogen halte - 'wo kann man hier gegen die Ausländer unterschreiben, konnten die Leute in einem der hessischen Wahlkämpfe unter Koch am CDU-Stand fragen, und, 'hier', wurde ihnen flugs das richtige Formuar gereicht, seinerzeit von der ARD dokumentiert - dafür gesorgt werden soll, dass demnächst z.B. ein Harry Rowohlt als scheinbarer Penner mal richtig eins drauf kriegt, präventiv sozusagen, oder der Angriff des Bettlers - dem diese Tätigkeit in einer zunehmenden Zahl von Kommunen Gemeinden per Satzungen verboten ist - auf die Geldbörse der Bürger handgreiflich unterbunden wird (und im November besingen sie dann fromm mit ihrer Brut, jedenfalls da, wo sie katholisch sind, wie vorbildlich ein gewisser Martin, heilig, also Sankt, sogar den eigenen Mantel an einen Bettler hergegeben habe, wohlwissend, dass sie dafür gesorgt haben, dass sie in diese Verlegenheit nie kommen werden.
Das war also spiessig Teil 1, und zu dem gehörte die Frage, ob Brunner von Anfang an als Lebensretter oder als einer, der dafür sorgt, dass die Kinder nicht abgezogen werden, in diese Situation geraten ist.
In Teil 2 habe ich mich dagegen verwahrt, es seien, und zwar anscheinend ausschliesslich, niedrige und niedrigste Beweggründe, die mich u.A. zu dieser Fragestellung (und auch der, ob Brunner klug gehandelt habe) veranlasst hätten.
In diesem Kontext habe ich von einer Spiesseridylle gesprochen, wenn nämlich gelobt wird, hier beim Freitag seien Menschen noch Menschen - weil sie zu Brunner nichts schrieben - und es also implizit als ausserhalb des human bond bezeichnet wird, überhaupt nachzufragen, ob wir es wirklich mit einem Helden oder nicht einem, der auch Opfer seiner selbst geworden ist, zu tun haben.
Ich lasse mich in dieser wichtigen Frage gerne zur Selbstkritik anregen, aber welchen Vorbildern ich nacheifere, suche ich mir selbst aus, ich habe auch welche genannt.
Das Loblied des Wegsehens, wenn es brenzlig wird, habe ich hier nicht gesungen, und erst recht nicht in Verkehrung von Schwarz und Weiss beherztes Eingreifen als das wahre Spiessertum bezeichnet.
Allerdings ist mir die Selbstgewissheit, mit der hier manche ganz sicher wissen, wie richtig sie sich verhalten würden - sie sind sich so sicher, dass sie, Ermittlungsergebnisse hin oder her, ganz massiv Schuld angeblich tatenlosen Passanten zuweisen können, immer mit dem Unterton: wenn nur zwei wie sie dagewesen wären, lebte der Mann vermutlich noch, ganz einfach - und deshalb habe ich auch noch Conrads Lord Jim dazugerufen, der sich in Tagträumen seine zukünftigen Heldentaten auf See ausmalt - und dann fassungslos erleben musst, wie er bei der ersten Kalamität mit seinem Kapitän und allen anderen Offizieren flugs über Bord springt und alle, die seines Schutzes und des mutigen und umsichtigen Verhaltens, das er sich immer wieder ausgemalt hatte, bedurft hätten, im Stich lässt.
'So, if you ask me how to live...' resümiert der weise Stein an zentraler Stimme des Romans mit kräftiger Stimme, als er den Fall mit Marlow erörtert, und tritt aus dem Halbschatten ins Lampenlicht - um sich dort auf einmal in einen zittrigen Greis zu verwandeln, der den angefangenen Satz nicht zu Ende bringen kann...
P.S. ich beziehe mich hier auf die verkürzte Version "Mensch greift in einen Konflikt ein und wird verprügelt/getötet", auf die sich auch Rahab und wtl offensichtlich beziehen. Wie der Fall Brunner tatsächlich abgelaufen sein mag, wird weiter unten diskutiert.
Ich finde es ziemlich armselig, Rahab, einen solchen Vorfall dazu zu nutzen, über das eigene heroische Verhalten in ähnlicher Situation zu phantasieren.
oca
haarscharf daneben ist auch vorbei!
mir ging es darum, erst mal nachzufragen, was zivilcourage ist. da habe ich mir beispiele zu nennen erlaubt, die ich für zivilcouragiert halte. diese haben ein klein bißchen mit meinem praktischen leben zu tun. so what?
vielleicht ist dein leben ja so unaufregend, dass du darauf angewiesen bist, nicht nur mini-fuzzies zu schützen sondern auch gleich noch gegen gewaltbereite jungmänner los-zu-kick-boxen. das könnte sein - und dann würdest du natürlich auch mit tausend freuden den heldentod sterben?!
damit wäre dein 'mutiges' einschreiten nicht teil der lösung sondern teil des problems.
@Rahab: Du schriebst:
"vielleicht ist dein leben ja so unaufregend, dass du darauf angewiesen bist ... gleich noch gegen gewaltbereite jungmänner los-zu-kick-boxen."
und:
"ich bestreite nicht, dass herr Brunner beherzt, vielleicht auch tapfer, vielleicht auch mutig, .. ich frage nur, ob das schon zivilcourage war! denn, offen gesagt, nothilfe =hilfe in der not (?) zu leisten halte ich für eine selbstverständlichkeit."
Diejenige, die "Los-Kickboxen" oder "mutiges Eingreifen" für eine "Selbstverständlichkeit" hält, bist also offensichtlich eher Du als ich. Deine Wortverdreherei ist schon pathologisch.
oca - du solltest dich bei gelegenheit mal nach-alphabetisieren lassen!
Ach, Sie meinen die leeren RedBull-Dosen an Ihrer Hose, die Ihnen Flügel verleihen? Tscha, jedem Alter sein Stoff ...
Nö, @keiner, Ihre Beiträge hätte ich nicht so 'zusammenfassen wollen könnten'. Hätte ich Ihre Einwände gemeint, hätte ich Sie auch adressiert.
Ursprünglich stand bei mir hinter Spießigkeit 'frei nach Jens Jessen', 'raus wollte ich darauf, daß wohl niemand von einer genauen Vorstellung frei ist, wie die Welt zu gehen hat, was beim Einmischen allerhand Potential zu Spießigkeit und Übergriff bietet.
Vom Errichten von Vorbildern halte ich grundsätzlich nicht viel. Niemand ist überlebensgroß und niemand sollte das auch bei jemandem annehmen. Das bietet nämlich auch die genau umgekehrte Möglichkeit - jemanden als Anti-Vorbild zu präsentieren, der Verächtlichkeit preiszugeben. Die Methodik dabei ist die ganz Gleiche und mitunter ist es ja sogar dieselbe Person, die nun wieder vom Sockel hinunter gestürzt werden muß. Tut man das mit Toten, wird's nicht weniger unangemessen.
Ob Dominic Brunner nun wirklich Held und Vorbild sein wollte? Das ist eine ähnliche Frage wie: ob Neda Agha-Soltan eigentlich gern vor den Augen der Weltöffentlichkeit sterben und Ikone werden wollte? Wohl kaum.
Ich gebe Ihnen ja damit Recht, dass Zivilcourage ein wichtiges Thema ist und vielleicht im Zusammenhang mit dem Prozess auch nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhält, derer es bedarf. Aber für mich ist das auch nicht die Lehre aus dieser München-Sache. Vielmehr müsste die Frage lauten: Was passiert in einem Land, wo der einzelne Bürger immer mehr Zivilcourage aufbieten muss und die vielleicht auch noch mit seinem Leben bezahlen?
Das ist für mich die entscheidene Frage. Wie bekommen wir diese Gewalt, diese komplette Respektlosigkeit gegenüber jeglichen Lebens durch junge Menschen in den Griff?
Wir sitzen da auf einer Zeitbombe und wir diskutieren über Zivilcourage? Ich bin doch nicht auf die Welt gekommen, um andauernd Zivilcourage beweisen zu müssen. Vor allen dingen nicht vor durchgeknallten, hoch-explosiven Halbstarken mit einem Hang zur grenzenlosen Gewalt, wo ich jederzeit mit einem Bein schon im Knast sitze, wenn ich mich wehre oder gleich dabei drauf gehe, wei ich zu lang über die juristischen Folgen meines Handelns nachgedacht habe (Und ich bin kein Freund von Selbstjustiz!).
Erschreckend wie gerne ihr euch reden hört zu so einem Thema , aber begriffen haben die meisten hier gar nichts...wenn man ein paar Kommentare liest. Über Kleinigkeiten und Unstimmigkeiten darüber könnt ihr euch streiten. Und ihr wollt Erwachsene sein, die man ernst nehmen soll als Jugendlicher? Ernsthaft!?
Wir haben hier ein ernsthaftes Problem, was in einigen Vierteln deutscher Großstädte Standard ist? Hallo Aufwachen, Bürgertum, die ihr eure Füsse nie in solche Viertel setzt, die werden auch eines Tages zu euch kommen. Aber ihr könnt ja dann anfangen mit denen zu diskutieren, ob das Sinn macht, was die Kids da mit eurem Jan-Hendrik machen?
Also alle wieder Kopf in den Sand und weiter...wie immer ;)
@silent_marc
"Das ist für mich die entscheidene Frage. Wie bekommen wir diese Gewalt, diese komplette Respektlosigkeit gegenüber jeglichen Lebens durch junge Menschen in den Griff?"
Ich glaube sie stellen die richtige Frage.
Um die Frage zu beantworten muß man wohl viele Komponenten im Zusammenhang sehen.
Gewalt in Medien und Computerpielen dürfte die Hemmschwelle senken.
Zunehmender Leistungsdruck in Schule und Beruf führt zu Unfairness die möglicherweise weitergegeben wird.
Ein bestimmeter Prozentsatz von Jugendlichen wird über die Endstation Hauptschule aufs Abstellgleis geschickt, was ganz sicher Frust auslöst.
Wenn man die Punkte einzeln betrachtet, ist alles noch nicht so dramatisch, es kann noch kompensiert werden durch Familie, Freundschaften, Beziehungen usw.. Aber wenn alles zusammen kommt, entsteht ein gefährliches Gebräu.
Streifzug, ich fordere Ihre Visitenkarte!
Für eventuelle Situationen.
Was ist genau passiert in der Situation als Brunner mit den Jugendlichen zusammenkam?
Wissen wirs?
Gesehen hats auch ein S-Bahn-Angestellter, der jedoch auch nicht "geholfen" hat.
Hier Nachrichten von heute:
" S-Bahn-Fahrer beschuldigt Brunner schwer
München (mia/dpa) - Im Prozess um den gewaltsamen Tod von Dominik Brunner hat der S-Bahn-Fahrer ausgesagt und den Manager schwer beschuldigt.
Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" habe der Manager nach dem Aussteigen zu ihm gesagt: "Jetzt gibt's hier hinten Ärger." Daraufhin habe Brunner seine Tasche abgestellt und seine Jacke ausgezogen. Dies bringt den Lokführer zu der Annahme: "Für mich war Brunner der Angreifer."
Die Jugendlichen seien dann zum Ausgang gegangen, an Brunner vorbei. Der sei jedoch auf die beiden zugegangen und habe zugeschlagen. Des Weiteren hat der Mann mitbekommen, dass Brunner sagte: "Wir klären das mit der Polizei." Aufgrund dieser Aussage sei er schließlich weitergefahren. "Er hätte einfach nur gehen müssen, der Herr Brunner und die Jugendlichen", fügte der Mann hinzu.
Nach den ersten Prozesstagen stellt sich vieles anders dar als zunächst angenommen. Es kam heraus, dass Brunner wohl zuerst zuschlug und dass er nicht an den Tritten sondern an den Folgen seines vergrößerten Herzens gestorben ist. Eine Zeugin hat bereits die Aussage zurückgezogen, einer der Jugendlichen habe Brunner angeschrien: "Ich bringe dich um!"
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Dominik Brunner war am 12. September 2009 an den Folgen der Schlägerei gestorben. Er hatte sich schützend vor vier Schüler gestellt, von denen die Angeklagten Sebastian L. (18) und Markus S. (19) Geld erpressen wollten. Die beiden müssen sich seit vergangener Woche wegen Mordes verantworten.
Einer der vier Schüler hat in seiner Aussage das Verhalten des S-Bahn-Fahrers kritisiert. Er habe nicht auf die Schlägerei reagiert, beklagte der 16-Jährige am vergangenen Donnerstag in seiner Aussage. "Er hat alles gesehen, aber er ist einfach weitergefahren." Neben dem S-Bahn-Fahrer sollen weitere Zeugen ihre Beobachtungen von der Schlägerei sowie von der vorangegangenen Auseinandersetzung in der S-Bahn schildern.
Am Samstag war bekannt geworden, dass der Manager nicht direkt an den Verletzungen, sondern an Herzversagen starb. Zudem habe er einen vergrößerten Herzmuskel gehabt. Der Rechtsmediziner Wolfgang Keil wird sein Gutachten erst zum Ende der Beweisaufnahme vorstellen, frühestens wahrscheinlich am 28. Juli.
Die Staatsanwaltschaft sieht die Tat dennoch als Mord. Das Motiv sei Rache dafür gewesen, dass sich Brunner in den Streit der Jugendlichen mit den Schülern einmischte. "Die Tritte und Schläge waren ursächlich für den Tod", unterstrich Oberstaatsanwaltin Barbara Stockinger am Montag erneut. Der Herzstillstand sei eine direkte Folge der Attacke gewesen. "
Darf ich @silent_marc, mal fragen, in welcher Zeit Ihnen weniger Zivilcourage als heute vonnöten erscheint? Da Sie ja nicht auf die Welt gekommen sind, um andauernd Zivilcourage beweisen zu müssen?
Selbst mit nur rudimentärer Geschichtskenntnis kommt man doch wohl eher zu dem Schluß, daß in Deutschland noch nie so lange, so friedlich, so stabil, so bequem und in soviel Wohlstand gelebt wurde, also in den letzten 60 Jahren vergleichsweise sehr wenig Zivilcourage notwendig war. Der Wohlstand nun aber für weite Teile der Bevölkerung zunehmend geschmälert wird, während die Ansprüche, von Werbung und Gruppenzwang bestens unterstützt, die gleichen bleiben.
Nachdem Sie jetzt auch noch vorschnell über Wohnorte und Gewohnheiten von Kommentatoren befinden - wie lautet denn eigentlich Ihr Lösungsvorschlag? Wie würden Sie mit Youngstern umgehen, denen nie Grenzen gesetzt wurden? Denen nie Achtung vor jedem Mitmenschen beigebracht wurde? Denen nie vermittelt wurde, daß die eigene Freiheit dort endet, wo sie die eines Anderen beschneidet?
Was ich im Übrigen nicht für ein alleiniges Phänomen 'einiger Viertel' in deutschen Großstädten halte, sondern was ebenso in den reichen Vororten zu finden ist - nämlich die Vernachlässigung von Kindern. Vernachlässigten Kindern aus wohlhabenden Familien wird der Hals aber eher mit Konsum gestopft und sollten die etwa verhaltensauffällig werden, hat Papa eben den besten Anwalt und das Gör kommt ins Internat statt ins Jugendgefängnis.
Ist es nicht vielmehr so, daß Sie selbst im Zuge des Nachdenken über mögliche juristische Konsequenzen Ihres Handelns und der Frage, ob und wie ein Erwachsener von einem Jugendlichen ernst genommen würde, Ihren eigenen Kopf ziemlich tief in den Sand betten?
@silent_marc:"Ich gebe Ihnen ja damit Recht, dass Zivilcourage ein wichtiges Thema ist und vielleicht im Zusammenhang mit dem Prozess auch nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhält, derer es bedarf. Aber für mich ist das auch nicht die Lehre aus dieser München-Sache. Vielmehr müsste die Frage lauten: Was passiert in einem Land, wo der einzelne Bürger immer mehr Zivilcourage aufbieten muss und die vielleicht auch noch mit seinem Leben bezahlen?"
Immer dann, wenn die Panikmache des Boulevards - die Warnung vor der stetig "steigenden Kriminalitätsrate" oder auch die „an den Platonischen Sternenhimmel genagelte Furcht vor
Arbeitslosigkeit, selbst in Perioden glorreicher Vollbeschäftigung“ (Adorno) - ein singularisiertes Einzelschicksal zum Mythos macht, gibt es eine "Lehre" zu ziehen, bzw. anschließend über die "richtige Lehre" zu streiten. Sonst wären "unsere Soldaten", Dominik Brunner usw. "umsonst" gestorben, gäbe es am Ende vielleicht keinen "Großen Anderen" (Lacan) der unsere Geschicke lenkt. Warum starb Jesus am Kreuz?
Um uns zu erlösen, d.h. das Lösegeld für "unsere Sünden" zu zahlen. So zahlten auch die Soldaten am Hindukusch "den höchsten Preis" (Angela Merkel).
Mit weniger Schuld und mehr Verantwortung wären wir schon ein Stück weiter.
Nach allem was ich bisher (!) gelesen habe, hätte ich nicht eingegriffen, dabei bin ich ein Mann, kenne aber Frauen, mit denen würde ich mich nicht anlegen.
Niemand im Zug oder auf dem Bahnsteig kannte das Ende der Geschichte, so wie wir jetzt, niemand (vermutlich) hat die Auseinandersetzung von Anfang mitbekommen.
Jetzt sind wir alle schlau und können den anderen einen Idioten schimpfen.
@keiner
@xsirup
REAL LIFE:
a) Ich bin vor über 15 Jahren von einem Mann, der sich in einem akuten schizophrenen Schub befand, aus heiterem Himmel angegriffen worden, von hinten.
Ich fiel zwischen 2 parkende Autos, es war dunkel, ca. 20 Uhr, in einer Innenstadt. Der Typ trat auf mich ein. Ich schrie um Hilfe. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig kam ein Mann vorbei, der seinen Hund Gassi führte. Zu meinem Glück kam er rüber und schnauzte den Angreifer an, der sich daraufhin verkrümelte. Ich kam mit ein paar blauen Flecken davon. Die Sache hätte ohne das Eingreifen dieser Person ziemlich schlecht für mich ausgehen können. Dazu gibt es noch mehr zu erzählen, das jetzt noch keine Rolle spielt.
b) Vor einigen Jahren habe ich an vielen Demos teilgenommen, deren Taktik auf zivilem Ungehorsam beruhte (nicht in Deutschland). Das konnte nur funktionieren, wenn die Ordnungskräfte in keinster Weise provoziert wurden. D.h. wir mussten diese jungen testerongesteuerten Jungs im Griff haben und sie davon abhalten, irgendwelche Scheisse zu machen. In Demos befinden sich immer einige 18 - 25-Jährige, sauer auf die Welt, betrunken, bekifft, auf irgendwelchen Pillen und auf Randale aus. Um diese Leute auszuschalten, gab es einen Ordnerdienst. Wenn 2-3 Personen Ärger machen wollten, stellten wir uns mit 5-6 Leuten vor sie hin, und sagten: hier ist die Grenze. Das geht ohne Gewalt ab, da diese Typen vor der Überzahl den Schwanz einziehen.
Ich weiss, was es bedeutet, körperlich bedroht zu werden und ich weiss auch, wie wie man durchgedrehte Typen zur Raison bringt. Das funktioniert mit Solidarität.
Und wegen diesen Erfahrungen halte ich Eure Kommentare für infames Geschwätz.
Es dreht sich nicht darum, Angst zu haben und deshalb nicht einzugreifen. Das ist völlig legitim.
Es dreht sich darum, jemanden, der eingegriffen hat und von den Umstehenden nicht unterstützt wurde, noch besserwisserische Kommentare hinterher zu werfen, wie er es hätte besser machen können, um nicht zu Tode zu kommen. Das beschädigt die Würde der Person Brunner. Er hat sich nicht mit den Ziel, posthum das BVK zu erhalten für die Kids eingesetzt. Er hat menschlich spontan gehandelt und vielleicht hat er sich menschlicherweise falsch verhalten. Ein Mensch ist bei einer menschlichen Aktion zu Tode gekommen. Und ich finde es ist eine Beschädigung der Würde dieser Person, ihre vermeintlichen Fehler vorzuhalten.
Die Kritik an der Heldenverehrung ist an die Politik und an die Medien zu richten, aber nicht an den Toten, der sie nicht beabsichtigt hatte.
@merdeister
"Jetzt sind wir alle schlau und können den anderen einen Idioten schimpfen."
Nö, können wir auch jetzt nicht.
Und unsere "Schlauheit" wollte ich zu jeder Tages- und Nachtzeit bezweifeln. Schlau wären die vielen Zeugen gewesen, wenn sie sich einfach um die Kinder herumgestellt hätten. Diese zwei Jugendlichen hätten nicht den Hauch einer Chance gehabt. Niemals. So einfach ist es. Das ist die unangenehme Wahrheit. Man nennt es Solidarität. Kostet nichts, bringt aber 'ne Menge. Und jeder wünscht sie sich.
Und noch ein PS: Mancher will mit seinem Bärenmut das Kapital und die Feinde der Menschheit aus den Angeln heben. Oder gleich die Welt retten. An der heimischen PC-Tastatur jedenfalls. Und dann kommen zwei Milchbärte daher.... Dabei reichte es manchmal, einen solidarischen Kreis zu organisieren.
(Ja, ich war und bin manchmal auch feige.)
So kann man es übrigens auch machen:
www.storchheinar.de
Dabei reichte es manchmal, einen solidarischen Kreis zu organisieren.
Genau!
Solidarisierung sollte schon vor der Grundschule beginnen.
Schon haben wir einen Arbeitskreis mehr. Der alle die glauben etwas zu sagen haben, zu Wort kommen läßt, viele Fragen aufwirft und dessen Wirksamkeit mehr als zweifelhaft ist. s.o.
Vergessen sie bitte nicht das entsprechende Formular und die nötige Unterschrift vor ihren Aktionen einzuholen. Ihre Vorderungen sind ein Wunschkonzert, welches mich mehr an ein Spiesseridyll erinnert, als ich gewillt bin zu ertragen.
@ttg
gebe zu bedenken, dass politik und medien sich auch nicht groß um Brunners würde geschert haben.
@xsirup
halte es für legitim, bereits vor der endgültigen überwindung der spießer-idylle (als plural zu lesen) über handlungsalternativen zu reden.
@Rahab
Die möglichen Handlungsalternativen zu erhellen ist auf jeden Fall legitim. Ergibt sich aus dem theoretischen Durchspielen der möglichen Aktionen noch keine Lösung für eine reale Situation.
Aktuell ist eine "hätte" Diskussion im Gange, die an der Würde von Dominik Brunner rührt.
Gesellschaftliche Aufgabe ist es diese Würde zu wahren. Mit dem Bundesverdienstkreuz ist nur ein Anfang dazu gegeben worden, das zu erkennen. Den Verlust eines Mitmenschen als gemeinschaftlich zu tragendes Problem hervorzuheben und zu verstehen was geschehen ist.
Die schon so oft bemühte Courage ist zweischneidig, sie fordert, hält aber auch gleichzeitig zurück. Damit wird das Problem menschlich. Wobei zivilisatorische Kräfte dieses Problem seit Jahrtausenden in Beschlag haben.
Halte ich weiterhin daran fest, dass der Begriff der Zivilcourage hier mindestens an seine Grenzen gelangt, wenn nicht sogar völlig falsch angebracht ist.
Couragiertes Handeln, selbstloser Einsatz, damit würde ich mich einverstanden erklären.
Wäre eine Horde Affen, in der diskutierten Situation eher ihrem Artgenossen beigestanden?
Unsere Zivilgesellschaft fußt auf dem Gewaltverzicht.
Wir in der Masse wurden daraufhin erzogen Gewalt zu unterlassen. Daher fällt es schwer uns daraus zu lösen.
Mit der Diskussion über die möglichen Handlungsalternativen, kommen wir in die Thematik der Spiegelneuronen. Was läßt unser neuronal verankertes Aktionswörterbuch an Handlungen zu?
das käme, xsirup, wohl auf die affen an.
wie auch zu fragen ist, ob würde sich über bundesverdienstkreuz und ähnliche auszeichnungen von staats wegen vermittelt
oder ob nicht, im gegenteil, darin eine vereinnahmung liegt, welche die würde beschädigt
und verhindert, dass der verlust eines mitmenschen überhaupt noch zur kenntnis genommen wird
schließlich hat das, was nunmehr in etlichen zeitungen zu lesen ist, mit dem verlust eines mitmenschen immer noch nichts zu tun sondern nur mit dem verlust eines 'helden'
bei der frage, was denn (und unter welchen vorausetzungen) couragiertes/selbstloses handeln wäre, sind wir noch garnicht angekommen
Und warum beginnt sie da nicht?
Warum ist sie uns auf so dramatische Weise abhanden gekommen? Falls sie denn jemals da war.
rahab , ihre fragen treffen in den kern der auseinandersetzung. natürlich ist die würde unseres helden verletzt worden. wobei hier mit dem gebrauch von "held" eine ganz neue facette auf geht, die es nur mit der verleihung des bundesverdienstkreuzes zu beantworten gibt. um die diskussion zu verkürzen, und stellung zu beziehen. dazu eine alternative zu erdenken wäre auch interessant.
salopp kenntnis über den verlust eines mitmenschen zu nehmen lehne ich strickt ab. warum traueranzeigen in tageszeitungen veröffentlicht werden, kann ich bis heute nicht verstehen. wozu soll das gut sein?
aus der wendung hin zum helden spricht, die pure bequemlichkeit darüber nach zu denken, was hinter dem ganzen steht. pathetische zerlegung in für den betrachter noch begreifbare stücke. wenn der zusammenhang auch darunter leidet. falls es denn einen gibt.
helden hatten es noch nie einfach, auch oder erst recht nicht nicht posthum.
wenn das bundesverdienstkreuz es ihnen dabei leichter macht, sei es ihnen.
mir scheint es auch wichtig die vorraussetzungen für jede folgende diskussion zu klären, bevor es zu verwirrungen im öffentlichenraum kommt. wobei der begriff handeln, sich vor alle nachfolgenden tätigkeiten stellt, ob nun couragiert oder selbstlos.
"Was war ihnen wichtiger, als einem Mann zu helfen": FEIGHEIT? Vielleicht. Aber das nicht nur "aus Angst etwas auf die Fresse zu kriegen", sondern, für den Fall das einer der beiden Angreifer verletzt wird und ich dann selbst vor einem Gericht als Beschuldigter erscheinen müsste. Es wäre nicht das erste Mal das Täter sich als Opfer darstellen um von ihrem eigenen Vergehen abzulenken. In diesem Fall würden die Eltern der beiden Jungs die ersten sein die nach Rache schreien.
Deutschlands Gesetzgebung politisch so korrekt das "Zivilcourage" eben auch Probleme machen kann. Ich würde nicht mal meinen Rotti auf die beiden loslassen.
@ ttg Gut, dass Sie einen Teil Ihres persönlichen Hintergrunds in dieser Sache anreissen und so der Kritik zugänglich machen.
Ganz offensichtlich verwechseln Sie Brunner mit Ihrem Retter damals oder setzen beide gleich, und so bemerken Sie nicht, wie andere Ihren noblen Impuls (Dankbarkeit) ausnutzen, um Sie nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.
Sie, und auch der Autor des hier kommentierten Artukels sind, bildlich gesprochen, schon auf dem halben Weg zur nächsten Strassenlaterne - vermutlich, ohne es zu wissen oder zu wollen.
Diese Diskussion hier, über Zivilcourage und das nicht erfolgte Eingreifen seinerzeit am Tatort Anwesender, den allgemein zu konstatierenden Mangel an Solidarität, findet nämlich nicht als eine Art Resümee statt, nachdem alle Fakten klar, ein Urteil gesprochen und vielleicht Zeit vergangen wäre(n), sondern parallel zum Prozess.
Und dort treten genau diese Leute, denen hier schon Versagen in seiner härtesten Form - 'es wäre doch angeblich ganz einfach gewesen, den Tod dieses Manns zu verhindern' - als Zeugen auf, und was sie zu sagen haben, ist anscheinend z.Teil geeignet, die Angeklagten zu entlasten.
Sie werden aber hier gründlich diffamiert und desavouiert, und wenn es gar einer wagt, die edlen Motive Brunners in Frage zu stellen, wie ich es oben getan habe, wird er verächtlich gemacht, ihm gar mit Gewalt gedroht - denn eine Drohung wirkt immmer durch das durch den Bedrohten imaginierte Szenario, und meine Phantasie reicht mühelos, mir vorzustellen, wie Sie in Fussballerunschuldsgeste die Hände seitlich erhoben, Handfläche nach aussen, erklären: Totschlagen geht nicht auf mein Konto, ich hatte von Angst machen gesprochen. Wenn Sie dann noch ein bisschen bei den Volksgenossen, PI und so, blättern, und die kaum gebändigte Wut spüren, mit der den 'Gutmenschen' vorgehalten wird, schon wieder machten sie Opfer zu Tätern, kann man Ihre Bemerkungen noch besser goutieren.
Es ist doch klar, wer hier Opfer, wer Täter sei, insinuieren Sie, und es impliziert, ein Prozess, schon gar einer, in dem das Verhalten des Toten kritisch gewürdigt werde, sei im Grunde überflüssig, die die dort aussagten, gehörten eigentlich selbst auf die Anklagebank.
Die Staatsanwaltschaft behauptet, Brunner habe "alles richtig gemacht", mit Vorsatz, Heimtücke und aus niederen Motiven hätten ihn die Angeklagten umgebracht, also ermordet, als er sich schützend vor jene Kinder gestellt habe.
Einiges, das Zeugen bisher berichtet haben, spricht dagegen, m.E. ist es z.B. gut möglich, dass es den Vorsatz nicht gab, sondern er ihn nur vermutet hatte und glaubte, sich verteidigen zu müssen.
Mit den bisher bekannt gewordenen Fakten vereinbar wäre es aber auch, dass Brunner ein Exempel statuieren wollte, diesen verwahrlosten Jugendlichen eine Lektion erteilen wollte und die bekannte Situation - Kinder werden belästigt, sollen 'abgezogen' werden - zum Anlass nehmen wollte, um durchzugreifen und Masstäbe zu setzen - ein Ziel, so es vorhanden war, das mir fern wäre, nicht aber unbedingt denen, die ihn nach seinem Tod so eilig dekoriert haben.
Sie finden es infam, diese Überlegung anzustellen - für die Angeklagten - und auch solche, die es ihm, vielleicht auch zu mehreren, eventuell gleich tun wollen- ist es eine ziemlich existentielle Frage, deren Beantwortung Sie da im Keim ersticken wollen.
Und auch die von Ihnen, Rolf Netzmann, als juristische Quisquilie abgetane Frage nach der Bedeutung der Todesursache ist in Wirklichkeit von erheblicher Bedeutung. Im Extremfall könnte nämlich herauskommen, dass es sich noch nicht mal um gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge gehandelt hat, und es kann sich auch herausstellen, dass die Schläger zu einem Zeitpunkt von ihrem Opfer abgelassen haben, als er die Attacke noch überlebt hätte, wäre er gesund gewesen und auch die meisten Zeugen nicht ahnen konnten, wie die Sache ausgeht.
Wenn dies nicht untersucht und so weit wie möglich geklärt ist, kann niemandes Verhalten in dieser Sache verlässlich beurteilt werden - weder das Brunners, noch das der Angeklagten oder das der Zeugen.
Und doch wissen wir über Brunner schon, dass er ein Held sei - und wehe dem, der das in Frage stellt -, über die Zeugen, dass sie versagt hätten - kann man die Angeklagten eigentlich auch so wegsperren, oder? Kurzen Prozess machen, was?
Ist das alles Unsinn, was unsere Rechtskultur da an Differenzierungen ausgeführt hat? Zählt nur 'Gesindel gegen Bürger', egal, was der vorgehabt haben mag, edel war's unbesehen?
Die Auszeichnung Brunners staatlicherseits bedeutet, er sei Vorbild, und dies, man solle sich am besten in einer vergleichbaren Situation so wie er verhalten.
Und da soll man noch nicht mal hinsehen dürfen? Wie war die Situatie, was wollte der, was hat er wie erreicht?
Ich nicht sagen dürfen, was ich mir bisher zu diesem Thema gedacht hatte, wie ich mich bisher orientiert habe und was für ein Verhalten ich angemessen(er) fände?
Nicht, wenn's nach Ihnen und dem Bundespräsidenten a.d. geht. Märtyrer ist das höchste, sich schwitzig durchwurschteln vorzuschlagen ist da schon das allerletzte...
'wo Menschen noch Menschen sind' - ich kannte einen jüdischen Emigranten in England, Thomas Mann, Gerhard Hauptmann, viele bedeutende Vorkriegsautoren des S.Fischer Verlags hatte er persönlich gekannt und manchen bewundert.
William Goldings Lord of the Flies war aber das Buch, das er sich, hochbetagt, mit Hilfe einer Lupe, noch einmal vornahm. Da könne man lesen, wie der Mensch sei, erklärte er mir auf meine Frage, warum er gerade diesen Roman so wichtig fände, und meinen jugendlich-wütenden Protest, das sei doch ausgedacht, eine konstruierte Parabel, die den Menschen böswillig viel zu negativ zeichne quittierte er mit einem nachsichtigen Lächeln...
@dame.von.welt.
1.
Es ist immer ein entscheidener Unterschied, wo man aufwächst und unter welchen Berdingungen. Natürlich werden auch reiche Kids von ihren Eltern vernachlässigt...keine Frage...aber darum ging es mir nicht. Denn die reichen Kids wachsen nicht mit dem Gefühl von Anfang auf, keine wirkliche Chance zu haben. Denn die Kids sind nicht blöd...die wissen wie die Welt da draussen tickt. Und das würde mich auch richtig sauer machen, auf alles und jeden. Denn dieses Land tut immer nur gerecht...ist es aber in Wirklichkeit schon lange nicht mehr. Und das wissen sie auch...und Kids aus miesen Vierteln, mit mieser Ausbildung, schlecht erziehenden Eltern sind dreifach gefährlich. Und davon gibt es viel zu viele.
Wie kann man jetzt mit sowas umgehen? Sofort fallen mir ein paar radikale Ansätze ein:
1. Bildung von Guardian Angels (Vorbild kam aus London oder New York) durch Integration der gewaltbereiten Personen bei den Angels. Nochmal diese Leute sind nicht dumm, nur will sich keiner mit Ihnen auseiandersetzen. Diese Angels dürfen keine Waffen tragen...nur durch ihre Präsenz und ihr Bekanntsein in diesen Szenen haben sie große Erfolge damals erzielt, wenn ich mich recht erinnere. Das wäre es zunächst für die nächtlichen Bahnfahrten und den Stadtbereichen, wo es zu Problemen kommt...eine Lösung...ohne immer gleich die Polizei bemühen zu müssen...die diese Kids eh nicht respektieren.
2. Trennung von Lehrer-sein (Vermittlung von Bildung nach Plan)
und Pädagogik. Ein Lehrer ist in meinen Augen heutzutage nur eine Art Presenter von inhaltlichen Lernthematiken. Dass die meisten Lehrer in Pädagogik eh ne Gurke sind, ist allerortens bekannt und kann jeder aus seiner eigenen Vergangenheit bestätigen. Daher müssen wir ein Netz von Pädagogen neu ausbilden, die Ansprechpersonen für die Schulen sind bzw. gleich vor Ort sind. Denn die haben häufig einen ganz anderen Zugang zu Teenies.
3. Jugendgerichte mit Jugendlichen besetzen. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass solche Ombudsverfahren funktionieren, weil sich Schüler besser in die gleichaltrige Person hineinversetzen können. Wenn mich ein Mitschüler oder Viertel-Kollege verknackt zu Arbeitstunden oder was auch immer, dann hat das eine ganz andere Wirkung auf mich als wenn ein anonymer Richter nach seinem Strafkatalog geht. Somit wird schon zu Schulzeiten(Aufwachsen im Viertel diesen bestimmten aggressiven Kids gezeigt, dass es viele Mitschüler gibt, die ihr Verhalten nicht tolerieren aber gleichzeitig unantastbar sind, als gerichtliche Institution. Vor allen Dingen aber wissen alle darüber Bescheid. Ein nicht zu unterschätztender Aspekt.
4. Pflichtfach Selbstverteidigung für jeden. Lehrer und Schüler gemeinsam unter Anleitung von Profis. A) Sowas stärkt die Gemeinschaft und den Geist
B) Dadurch lernt jeder Schüler Aggression/Gewalt zu kanalisieren und richtig einzuschätzen. Ich bin mir sicher, dass diese Taten selten von Kampfsportlern ausgeführt werden, denn die bekommen als erste Regel eingetrichtert: Der beste Kampf ist der, der nicht stattfindet. Wer seine Kunst dann später ohne Grund einsetzt, wird ausgeschlossen aus deren Kreis.
C) Dadurch hätten alle das Gleiche Wissen und die gleichen Waffen...der Starke sucht sich immer einen Schwächeren...aber wenn alle gleich stark sind...hhmm...sehe ich ne richtige Chance drin
5. Aber das Entscheidenste ist, dass wir Erwachsenen endlich wieder Vorbild werden. Wir rauben, wir töten, wir vergewaltigen, wir betrügen, wir lügen in einer Dimension, die wirklich erschreckend ist. Ein junger Mensch wächst heute von Anfang an mit permanenter Gewalt auf...durch Erwachsene. Er sieht so wenig Gutes...weil die Medien...das Schlechte lieber zeigen. Das Fatale daran ist, dass es auf die Jugendlichen so wirkt, als sei das das normale Leben. Und die Erwachsenen tun alles dafür, damit dieser Eindruck immer wieder neu bestätigt wird.
So würde ich auf die Schnelle reagieren, wenn ich König von Deutschland wär...bin ich aber nicht. Gott sei Dank. ;)
Ich glaube, ich habe hiermit ihre Fragen beantwortet.
Warum schauen sich jeden Tag etliche Millionen Menschen Mord und Totschlag und Vergewaltigung in Kino, Fernsehen und Internet an? Was ist das für ein merkwürdiges Bedürfnis? Wo hat es sein tiefen Ursachen? Und wieso wollen wir glauben, dies hätte keine Folgen für unser alltägliches Leben?
Oder:
Warum hat D.Brunner Kampfsport betrieben? Wovor hatte er Angst? Wozu braucht man Kampfsport in einem friedlichen Alltag?
Oder:
Warum steigen in fast allen Ländern der Erde die Rüstungsetats? Wer hat da Angst?
@silent_marc
"Aber das Entscheidendste ist, dass wir Erwachsenen endlich wieder Vorbild werden. Wir rauben, wir töten, wir vergewaltigen, wir betrügen, wir lügen in einer Dimension, die wirklich erschreckend ist."
Leider sind wir Vorbild. Das ist die bittere Wahrheit.
Es ist ein völlig heilloses Geschehen. Und nur selten mal ein Lichtblick. Daß D.Brunner sich vor die Kinder gestellt hat, war ein solcher. Daß er dann, wie es zur Zeit aussieht ohne akute Not, zum angreifenden Gewalttäter wurde, ist natürlich ebenfalls zu hinterfragen.
@silent_marc
Danke für Ihre Antwort.
Nur eine Frage haben Sie ausgelassen, nämlich die nach dem Blick zurück in die Zeit, ersatzhalber geht auch der Blick über die Festung Europa hinaus. Wir leben hier trotz gelegentlicher Gewalt wie sie der Aufhänger für diese Diskussion über Zivilcourage und Vorbilder war, in größter Sicherheit, in Wohlstand und Bequemlichkeit. Es gibt wirklich andere Proportionen! Es gibt/gab hier weit größere soziale Scheren, mehr Wut, Hoffnungslosigkeit, gewalttätigere Öffentlichkeit, tatsächlich zerstörte Zivilgesellschaften.
Ist Ihnen auch schon mal der Gedanke gekommen, daß Krieg oder andere vermeintlich legitimierte Gewalt ein Ventil für ein dunkles menschliches Bedürfnis danach ist? Und unsere, seit langem im Frieden lebende Gesellschaft daran hohlläuft, daß es ungestillt bleibt? 'Der Herr der Fliegen', als exemplarische Darstellung, wie Menschen AUCH sind, wurde hier bereits erwähnt.
Mir scheint, daß das große mediale Verlangen nach Blut und schlechten Nachrichten dieses Verlangen gleichzeitig stillt und weckt. Und ich fürchte, daß zu tatsächlicher menschlicher Zivilität ganz andere, sehr persönliche Schritte notwendig wären, als Vorbildhaftigkeit zu fordern oder die Guardian Angels zu reanimieren.
Ich fürchte, daß das menschliche Programm reichlich Blutdurst enthält und der zivilisatorische Firnis darüber sehr dünn ist. Und bleibe damit auch einigermaßen ratlos zurück, da das etwas ist, daß nur und in Ausschließlichkeit jeder bei sich selbst verändern könnte. Wozu ich Ihre Ausführung darüber, daß der beste Kampf der ist, der nicht stattfindet, einen sehr guten Ansatz finde, was auch ganz ohne Kampfsport geht, nämlich mit persönlicher Präsenz und Autorität beim Eingreifen in schräge Situation. Vielleicht ist aber auch genau Kampfsport sehr gut geeignet, um sich mit dem eigenen Gewaltpotential gründlich auseinander zu setzen.
Sie haben mit jedem Ihrer pragmatischen Vorschläge irgendwie recht. Vielen Dank, daß Sie auf meinen etwas grätigen Kommentar so entspannt reagiert haben...;-)...
Für die sich in frühem Alter solidarisierenden Menschen, gibt es nur sehr selten nutzbare Möglichkeiten daran fest zu halten, was sich ihnen aufschließt. Die Kultur bedingte Wanderung durch die Institutionen beginnt für sie. Nebenbei vielleicht auch die Grundsteinlegung für die durch Sesshaftigkeit bedingten Zivilisationskrankheiten.
Einen Satz für eine beispielhafte Arroganz.
" Ich umgebe mich nur noch mit Menschen, die mir gut tun."
Schon haben sie die schönsten Probleme. Weil Solidarisierung erlernt werden muß, obwohl sie
anscheinend ein natürlich angeborenes Schema ist.
Unsere Patchwork Gesellschaft lernt erst langsam mit dieser Herausvorderung zu leben. Weg von dem archaisch zentralistischen System, bei welchem alles aus dem Nichts stammt.
Dieser Prozess zeigt sehr eindringlich, wie ich finde, dass es so etwas wie eine einzige "Wahrheit" in einem Komplex unterschiedlichster Systeme (Zeugen, Täter, Opfer) nicht gegeben kann, und es ist doch eine wahrhaft alltäglich Erfahrung, dass Abläufe und Situationen komplexer sind als das, was davon übrig bleibt, vor allem wenn mehrere Personen unter großer Spannung daran beteiligt sind.
Das Urteil und vor allem seine Begründung wird auf hohem Niveau nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Lebenserfahrung erfolgen müssen, soll es denn sowohl dem Herrn Brunner, als aber auch den Angeklagten im wahren Wortsinne gerecht werden.
Ich bin darauf sehr gespannt, wie groß wird wohl die Bereitschaft aller Beteiligten und auch der medialen Öffentlichkeit sein, eine komplexere Urteilsfindung zu akzeptieren und sich damit durchaus positiv auseinanderzusetzen? Denn etwas anderes hat der Prozess ja jetzt bereits auch gezeigt dass derartige Konfliktsituationen, wie sie ja auch leider Gottes mittlerweile sooft entstehen, nicht mit einem einfachen gut-böse Schema zu klären sind; weder juristisch, noch vermutlich direkt im Moment des Geschehens vor Ort. Was wird man also daraus lernen können? Und lernen wollen?
@Dame.von.welt
Ja der Gedanke über diese krankhafte Blutrünstigkeit kommt mir eigentlich jeden Tag in den Kopf, wenn ich sehe, was so abgeht auf diesen verrückten Planeten.
Gewalt ist immer das Ende der Argumente. Das ist, glaube ich, auch das Problem. Menschen haben verlernt , das andere vielleicht auch mal bessere Argumente haben. Aber das zählt heute nicht mehr. Wir perversieren Darwins Theorie.
Wir wollen immer besser und schneller und stärker als der andere sein, weil uns das als Kind von Anfang an eingetrichtert wird. Und dafür gehen wir über Leichen...sei es der Geschäftsmann an der S-Bahn oder die tagtäglichen Vergewaltigungen von Frauen und Kindern (Ja Männer werden auch vergewaltigt...bevor wieder von irgendwoher der Einspruch kommt!) oder das Morden in Ländern, wo wir noch nicht mal die Haupstadt kennen. Wir sind auf besten Wege aus dem Leben ein ewiges Besiegen zu machen...bis wir uns eines Tages alle selbst besiegt haben. Vielleicht wäre das ja aber auch die Lösung? Perfekt für einen Neustart ;)
Natürlich leben wir in sicheren Umgebungen, verglichen mit anderen Teilen dieser Welt, und sicherlich jammern viele auf hohen Niveau, und vielleicht langweilen sich die Menschen auch und die tagtägliche Gewalt ist so eine Art Ventil...aber mir macht die Vorstellung Angst, dass wir alle Berserker geworden sind.
Sind wir das?