Gewalt im Stadion? Nicht nur dort!

Gewalt und Fussball Gewalt ist nicht nur ein Problem des Fussballs, sondern ein gesamtgesellschaftliches

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

33.000 Amateurfussballspiele werden in den Niederlanden am kommenden Wochenende nicht gespielt. Damit will der Königlich-Niederländische Fussballverband an den 41-jährigen Linienrichter erinnern, der am letzten Wochenende von 15- und 16- jährigen B-Jugend-Fussballern nach dem Spiel und außerhalb des Platzes!! so schwer mißhandelt wurde, dass er an den Folgen der erlittenen Verletzungen starb.
So tragisch diese brutale Gewalt von Sportlern ist, denen jedes Fairplay und jede Achtung vor dem Leben fehlt, es bedeutet auch ein Signal an die deutschen Fussballfunktionäre. Das Sicherheitskonzept von DFB und DFL umfasst bisher nur den Spielbetrieb des Profifussballs. Und es soll knallhart von oben verordnet werden, ohne dass Hunderttausende Fans und deren Interessenvertretungen einbezogen werden.
Drei Probleme werden dabei deutlich.
Erstens: In Gesprächen mit Schieds - und Linienrichtern aus dem Amateurbereich ist immer wieder zu hören, wie diese angepöbelt, bespuckt und auch körperlich attackiert werden. Auch krankenhausreif wurden Offizielle auf Bolzplätzen schon geprügelt. Eine Fokussierung nur auf den Profibereich ist realitätsfremd und negiert die ausufernde Gewalt in den unteren Ligen.
Zweitens: Immer wieder sind es Fans ihrer Vereine, die Randalierer und Chaoten auf den Rängen stoppen, sie identifizieren und, auch diese Fälle sind bekannt, sogar festhalten und der Polizei übergeben. Die Masse der Fans ist gegen Gewalt und engagiert sich dafür. Warum binden DFB und DFL dieses Potential nicht mit ein in die Erarbeitung des Sicherheitskonzeptes?
Drittens: Die Tendenzen von Rechtsextremen, wieder in den Stadien Fuß zu fassen, werden völlig ausgeblendet. Dabei sollte doch die Erinnerung an die "Borussenfronten" in Dortmund und Mönchengladbach noch existieren. Oder sind die gemeinsamen Anstrengungen von Vereinen, Fanvertretern, Kommunen und Sicherheitsbehörden, die Stadien nazifrei zu bekommen, schon vergessen?
Doch ist der tragische Tod des Familienvaters, der vor den Augen seines Sohnes totgeprügelt wurde, nicht von einer zunehmenden Verrohung der Gesellschaft zu trennnen.
Kein Polizeibericht nach dem größten deutschen Volksfest auf den Münchner Wies´n kommt ohne eine Aufzählung von Schlägereien aus. Die Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln, überhaupt im öffentlichen Raum, nimmt zu. Und sie wird brutaler, selbst der Tod der Opfer wird billigend in Kauf genommen. Jüngstes Beispiel ist der Tod von Jonny K. auf dem Berliner Alexanderplatz.
Die Diskussion über mehr Sicherheit in deutschen Fussballstadien muss also zwingend eingebettet werden in eine breite gesellschaftliche Debatte über einen fairen Umgang miteinander, über Toleranz und Akzeptanz, über Mittel und Wege, gewaltfrei miteinander umzugehen.
Das mag sich utopisch anhören, nur zeigt sich der Grad der Zivilisation einer Gesellschaft auch an der Art des Umgangs der Individuen miteinander.
Auch darüber muss im Zusammenhang mit einem brutal getöteten Hobbylinienrichter und Familienvater gesprochen werden.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden