Ist Punk politisch? Ein Exkurs in die, auch, (DDR)-Musikgeschichte

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In der aktuellen Ausgabe des FREITAG rezensiert Florian Schmidt das Buch von Gerritt Hoekman "Pogo, Punk und Politik", erschienen im Unrast Verlag 2011.

Der erste Satz der Rezension lautet:" Ist Punk eigentlich politisch?". Er geht auf die Sex Pistols und die deutsche Band Slime ein, deren Debütalbum mit dem Song "Bullenschweine" 1981 auf dem Index landete. Punk, so lautet das Fazit dieser lesenswerten Rezension, gab es nicht nur in Europa, sondern bis heute auch in der arabischen Welt, wie die Band Mazhott aus Damaskus, in Lateinamerika wie Los Saicos aus Peru, quasi weltweit in unterschiedlichen Variationen.

Ja, Punk ist politisch, das zeigt schon seine Entstehung. In London Ende der 70-er, Anfang der 80-er entstanden die ersten Punkbands, zeitgleich in den USA, wie die Ramones, die sich schon 1974 gründeten. Nun werden die Sex Pistols immer als das Beispiel genannt, dabei sind sie nur ein Beispiel dafür, wie gut sich der Punk von den großen Plattenfirmen, immer auf der Suche nach neuen Trends, verkaufen ließ. Authentischer blieben da Bands wie 999 oder Shame 69, beide auch aus London, die nie bei einem Major Label unterschrieben haben und sich selber und ihren Ursprüngen immer treu blieben.

Slime oder die Band Abwärts aus Hamburg sind Beispiele für authentischen deutschen Punk . Bei deutschem Punk muss zwischen dem Punk in der Bundesrepublik und dem Punk bis 1990 in der damaligen DDR unterschieden werden. Gerade letzterer ist ein deutliches Beispiel für politische Artikulation in einer Zeit beginnender Agonie.

Der bundesdeutsche Punk ist untrennbar mit zwei Gruppen verbunden, die ihn öffentlichkeitswirksam präsentierten, den Düsseldorfer Punkrockern der Toten Hosen und der Berliner Band "Die Ärzte". Gerade die Düsseldorfer um ihren Frontmann Campino zelebrierten in ihren Anfangsjahren Punk mit allem, was für sie damals dazugehörte, Krawall, Schlägereien, Polizeieinsätze, Drogen und Alkohol. Sie waren aber auch immer politisch aktiv, spielten in Wackersdorf und setzten ihre beginnende Popularität für den Kampf gegen rechte Gewalt ein. Ihr Song "Sascha, ein aufrechter Deutscher" ist ein eindringliches Plädoyer gegen Nazis.Ihr Engagement gegen Ungerechtigkeit und für eine bessere Welt ist bis heute geblieben. "Schrei nach Liebe" von den Ärzten ist ebenfalls ein Titel, der mit den Mitteln der Punkmusik auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam macht. Bis heute sind nicht nur diese beiden Gruppen, sondern auch die vielen nur lokal/regional bekannten Punkbands ein Beispiel für das politische Bewusstsein vieler Punkmusiker.

Besonders deutlich wird das ab 1986 in der DDR. Hier entstanden abseits des staatlich geförderten Musikbetriebes, für den stellvertretend die Bands Karat, Silly oder City stehen, Bands, die die Realität des bereits in Agonie fallenden sogenannten real existierenden Sozialismus schonungslos beim Namen nannten. Sie spielten Anfangs unter dem Schutz der Kirchen in Gotteshäusern und waren verboten. Sie traten auf Privatkonzerten auf, wurden nicht im Radio gespielt und mussten immer mit Schikanen der Staatsmacht rechnen, bis hin zur Verhaftung.

Und doch hatten sie ihr Publikum, weil sie authentisch waren, weil sie die Lebenswirklichkeit in harte Musik und Texte packten, weil sie von dem sangen, was sie selber jeden Tag erlebten. Politischer geht es nicht.

Feeling B ist so ein Beispiel, eine Band, in der mit Flake Lorenz und Paul Landers zwei Musiker auf der Bühne standen, die heute bei den Megastars RAMMSTEIN spielen. Feeling B waren Stars der aufkommenden Punkszene der DDR, auch dank ihres Mitgliedes Aljoscha Rompe, der einen Schweizer Pass besass, der ihm einen gewissen Schutz vor der Staatsmacht bot.

Die Skeptiker um Eugen Balanskat waren eine weitere Band, die Punkrock aus dem DDR-Nischendasein führte. Sie waren auch Begleitband des Liedermachers Gerhard Gundermann, der zu Beginn seiner Karriere rotzig-freche Texte sang, in denen er ungeschönt das Leben, sein Leben, in der End-DDR beschrieb.

Als dritte Band, es gab natürlich noch viel mehr, sei SANDOW erwähnt, eine Cottbusser Gruppe, die mit "BORN IN THE GDR" eine der bekanntesten Punkrockhymnen schrieb.

All diese Bands artikulierten das Lebensgefühl einer Jugend, die ausbrechen wollte und nicht konnte. Sie beschrieben eine Lebenssituation, die sie selber täglich erlebten, ein Eingesperrtsein in einem System, das ihnen keine Freiheit gab, sich selber zu verwirklichen.

Und damit stehen sie in einer Tradition zu den Punkbands der 70-er und 80-er Jahre, die eben dieses Lebensgefühl ja auch in einer erfrischend anderen Musik, laut, schrill, mit harten Riffs, provokanten Texten und Auftritten artikulierte.

Punk ist im Ursprung deshalb politisch, weil er das Lebensgefühl einer jungen Generation artikuliert, die in den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen keinen Platz findet, weil diese Gesellschaft ihr keinen adäquaten Platz geben möchte. Punk ist Ausdruck einer Revolte mit musikalischen Mitteln von jungen Menschen, die so ihre Wünsche, Sehnsüchte und Vorstellungen von einer Welt, wie sie sie sich wünschen, auch herausbrüllen, die sich auflehnen gegen erstarrte Vorstellungen einer Generation, von der sie sich nicht verstanden fühlen.

Und, Punk hat natürlich auch die Pop- und Rockmusik beeinflusst, ihr neue Impulse gegeben und sie weiterentwickelt.

Punk wird es immer geben, und mit ihm auch immer politische Botschaften.Die Geschichte des Punk nicht nur als Musikrichtung, sondern auch als eine Lebenseinstellung mit entsprechendem Outfit hat gezeigt, dass es Punkern immer auch um Veränderung bestehender Verhältnisse ging, dass sie sich ihren Platz nach ihren Vorstellungen im Leben erkämpfen wollten. Die Musiker brachten diese Lebenseinstellung auf die Bühne, die Punker lebten es. Um Missverständnissen vorzubeugen, damit meine ich nicht die Punker auf der Strasse, die betteln, das ist wieder ein anderes Thema, sondern diejenigen, die nicht alles hinnehmen, die hinterfragen, die ihr eigenes Leben in die Hand nehmen und gleichzeitig für andere da sind, die helfen ohne auf den eigenen Vorteil zu schielen. Dabei ist das Alter der Menschen völlig egal, es gibt auch über 50-jährige, die diese Musik immer noch hören, sich nie haben verbiegen lassen und einfach so leben, wie sie es wollen.

Und dieser Punk wird immer existieren, als Menschen, die ihn leben und als Musik, die diese Einstellung auf die Bühne bringt, laut, mit harten Riffs, provokanten Texten, aber manchmal auch sehr einfühlsam wie die Toten Hosen mit "Auflösen", einem wunderbar melancholischen und nachdenklichen Song.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden