Ich war am Wochenende nicht zu Hause, kam erst heute vormittag wieder und entdeckte im Briefkasten unter anderem die Junge Freiheit , eine Wochenzeitung für Politik und Kultur seit 25 Jahren. Beim Aufschlagen fiel mir ein zusammgefaltetes Blatt entgegen, auf dem mir ausführlich erklärt wird, warum meine Spende unbedingt notwendig ist, um dieses Bollwerk der publizistischen Meinungsfreiheit gegen die Allmacht großer Verlage zu erhalten. Naja, ich habe einen Kaffee angesetzt und mich darin vertieft, wissend, dass die JF ein Organ intellektueller Rechter ist. Nur hatte ich dieses Blatt nicht bezahlen müssen und es ist ja mal ganz interessant, zu lesen, wie man rechtskonservatives Gedankengut seriös verpacken kann. Der erste Artikel handelte von Angela Merkels Aufstieg in das Zentrum der Macht den sie " mit 5 Mark Halskette vom Centrum Warenhaus am Berliner Alexanderplatz und Pagenschnitt wie ein DDR Relikt " begann. Unter "Schlierers letzte Chance " erfahre ich alles wichtige vom Parteitag der Republikaner und wie diese " demokratische Rechte" sich selber zerfleischt und sich von der NPD abgrenzen, mit Pro NRW aber partiell zusammen arbeiten möchte. Dass die Kieler SPD noch linker als die sowieso schon linkslastige Landespartei ist, wusste ich vorher auch nicht, und deswegen verwundert es den Redakteur auch nicht, dass die Sozialdemokraten zusammen mit Grünen und Linken eine Strasse nach dem Kommunisten und Arbeitersänger Ernst Busch benennen wollen, was " ein kleiner Schritt voran in die DDR light " ist. Moniert wird, dass es in Kiel keine Strasse mit den Namen des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, und seines Wehrministers Gustav Noske gibt. Mir fällt ein "Manifest gegen den Linkstrend " auf, das Linkstrend in Rot gedruckt. Hier fordern CDU und JU Mitglieder und Funktionäre ein Ende des Linksrucks in der CDU , darunter kommunale Mandatsträger und ein ehemaliges MdB. Unterfüttert wird dieses Manifest durch einen redaktionellen Beitrag, in dem über das Ende der schwarz -grünen Koalition im Frankfurter Römer berichtet wird, welches der CDU Stadtverordnete Patrick Schenk durch seinen Austritt aus Partei und Fraktion herbeigeführt hat. Schenk beklagt den zunehmenden Linksschwenk der Christsozialen, beispielweise in der Familien und Bildungspolitik, der durch den Druck der Grünen enststanden sei. Unter "Frisch Gepresst" wird das dritte Buch des Franzosen Stephane Courtois mit dem Titel " Handbuch des Kommunismus " vorgestellt , in dem auf 846 Seiten für 49,95 Euro " noch einmal zu einer lexikalisch strukturierten Reise in diese Finsternis " eingeladen wird.
Nach einer halben Stunde, der Kaffee war inzwischen kalt geworden, legte ich die Zeitung nachdenklich zur Seite. Ich hatte eine auf den ersten Blick ansprechend gestaltete , journalistisch gut recherchierte Zeitung gelesen. Das ist das gefährliche daran, sie kam nicht mit platten , dumpfen Sprüchen daher, sie verfängt mit ihrer Seriösität. Dass viele Autoren Professoren oder Doktoren sind, unterstreicht diese Seriösität noch. Es bedarf des zwischen den Zeilen Lesens , des Nachdenkens und Aufbrechens des Gelesenen , um das dahinter steckende Gedankengut zu erkennen. Und es bedarf der Aufklärung, immer wieder, gibt sich die politische Rechte doch gern intellektuell. Wer auch immer mir diese Zeitung in den Briefkasten gesteckt hat, ich danke demjenigen, dass er mir diesen Blick ermöglicht hat.
Kommentare 8
danke fürs mit reingucken lassen
und die treffende zusammenfassung der halbstündigen erfahrung im letzten absatz.
gern geschehen, ich denke, so etwas sollten wir uns immer wieder mal " antun", und die gelegenheit war heute günstig...:)
Dazu noch mein lieber rolf ein Zitat aus dem "Netz gegen Nazis", das einige der von dir beschriebenen subtilen Methoden bei der Nutzung des Internets beschreibt:
"Die wachsende Begeisterung der Rechtsextremen für das bei ihnen als "Weltnetz" bezeichnete Medium ist verständlich. Bei Netz-Nazis paart sich der ihnen eigene Fanatismus mit dem Gefühl, im Internet endlich Meinung bilden zu können, wie es im wirklichen Leben - wegen mangelnder Rhetorik oder mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz - niemals möglich wäre. Deshalb ist die Entwicklung folgerichtig, dass intelligentere Neonazis versuchen, Diskurse etwa in Foren, Chat oder auf Pinnwänden sozialer Netzwerke an sich zu reißen, Themen zu verschieben, Andersdenkende zu verdrängen und politische Gegner anzupöbeln."
Und hier dann auch noch der Link auf die Website:
www.netz-gegen-nazis.de/artikel/am-gefaehrlichsten-sind-netz-nazis-wenn-sie-subtil-bleiben-2919
lieber luggi, danke für die ergänzung. dass die junge freiheit bereits seit 25 jahren erscheint, ist schon ein zeichen für die langjährige akzeptanz rechter meinungen in der pressevielfalt, und dass nazis inzwischen auch das internet nutzen, ist nur folgerichtig, bietet dieses doch eine möglichkeit, schnell und mit geringem aufwand meinungen zu verbreiten und zu manipulieren...
luggi, danke für diesen link
Danke!!
lieber rolf, danke auch für dein aufklärendes blog.
neulich im papierladen lag ein neues stück magazin aus. titel: "Zuerst", untertitel: "Deutsches Nachrichtenmagazin".
ich musste nicht lange blättern und überlegen, ob das bunte blatt rechts ist. denn die sprache ist verräterisch.
wer so wenig sprachgefühl besitzt, dass er/sie die wortfolge in titel und untertitel so wählt und drucken lässt, ist entweder stumpf oder rechts. was so ziemlich das gleiche ist.
sag mir also bitte nichts von rechten intellektuellen. die hat es nie gegeben.
wohl gab und gibt es reichlich viele deppen und ahnungslose bzw. von aufklärung unbeleckte, die auf "rechtes Gedankengut" reinfallen. die zeitungen etc. kaufen und lesen.
schon die wortkombination "rechtes Gedankengut" ist so schräg, dass es in den ohren schrillen müsste. in den medien aber durchaus gängig. das kommt, wir leben in einem rechtslastigen land. noch immer. denk nur mal an die (berührungs)angst der spd vor den linken.
ich stimme dir nur zum teil zu, was mein konkretes beispiel betrifft. ich habe nur wenige artikel als beispiel genommen, um zu demonstrieren, was ich meine. die rezension beispielsweise zu der matthäus passion von bach, aufgeführt in würzburg, hätte auch im kulturteil des tagesspiegels stehen können. dass in dieser rezension auf eine aufnahme der deutschen grammophon mit peter schreier als evangelist hingewiesen wird, , zeigt, wie hier versucht wird, zu täuschen, war peter schreier doch einer der besten ddr - opernsänger. diese zeitung bringt eben auch beiträge, die in anderen, seriös - bürgerlichen blättern auch zu lesen sein könnten, und das macht sie so gefährlich, weil es einlullt.