Sehnsucht nach Antwort, eine Erwiderung auf Benjamin von Brackel

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Benjamin von Brackel schreibt in der aktuellen Ausgabe des FREITAG von den Versuchen der Menschheit, Signale von extraterrestrischen Wesen aufzufangen, eine Aufgabe, welche heute international angegangen wird.

Die Sehnsucht der Menschheit nach der Gewissheit, nicht allein in den Weiten des Alls zu existieren, ist uralt. In vielen Büchern und Filmen haben Künstler ihre Visionen von der Begegnung der Menschen mit Außerirdischen dargestellt, von den eher harmlosen wie in „ET“ bis zu gewalttätigen Angreifern wie in „Independence Day“. Betrachtet man sich allerdings das Spektrumder Kunstwerke zu diesem Thema, so fällt eines auf. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind es niemals friedliche Begegnungen der Menschheit mit anderen Zivilisationen. Eine dieser Ausnahmen ist die Trilogie des sowjetischen Schriftstellers Sergej Snegow „Menschen wie Götter“, welche bereits in den 60-er Jahren geschrieben wurde, oder „Solaris“ von Stanislaw Lem, beidesAutoren aus ehemals sozialistischen Staaten. Größtenteils jedoch kommen die Außerirdischen nicht mit friedlichen Absichten. Warum aber ist dies so?

Kriegerische Auseinandersetzungen begleiten die Menschen seit den Anfänger ihrer Zivilisation. In der Urgesellschaft war es das Feuer, um das die Horden kämpften, verhieß dieses doch Wärme und die Möglichkeit, das Fleisch erbeuteter Tiere zu braten, mithin also ein wenig Komfort. Später, mit der Entstehung der Klassengesellschaft, hatten Kriege andere Ursachen, esging um Ländereien, um Sklaven und auch damals schon um Rohstoffe.Wie ein roter Faden zieht sich der Kampf der Menschen gegeneinander durch ihre Geschichte.

So ist der Glaube, dass die Menschheit auch gegen Wesen von außerhalb der Erde kämpfen muss, tief verwurzelt, weil es nie eine Periode in der Menschheitsgeschichte ohne Kämpfe gab.

Der Autor zitiert den Astrophysiker Ulmschneider von der Uni Heidelberg mit der These, dass höher entwickelte Wesen uns nur beobachten würden. Unterstellen wir einmal, dass dies heute bereits passiert, was würde eine solche Zivilisation dann momentan sehen?

Für diese Beobachter geben wir ein jämmerliches Bild ab. Wir sind armselige Geschöpfe, unfähig, mit der Natur im Einklang zu leben. Wir leben exzessiv, als ob unsere Umwelt sich schnell vollständig regenerieren würde. Wir produzieren Atommüll mit Halbwertzeiten von mehr als 50.000 Jahren und wissen nicht, wo und wie wir ihn lagern sollen. Jeden Tag sterben Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich aus.Es kommt noch viel schlimmer. Wir verharren, bei allem technologischen, künstlerischen und wirtschaftlichen Fortschritt, zivilisatorisch auf dem Niveau der Urgesellschaft. Wir kämpfen immer noch gegeneinander, anstatt unsere immer akuteren Probleme gemeinsam anzupacken und dafür die begrenzten Ressourcen der Erde zu nutzen.

Höher entwickelte Wesen, was bedeutet dies? Diese Wesen werden nicht nur technologisch und wirtschaftlich der Erdbevölkerung haushoch überlegen sind. Nein, sie werden es auch in ihrer zivilisatorischen Entwicklung sein. Sie werden im Einklang mit ihrer Umweltleben und einen friedlichen Umgang miteinander pflegen.

Nun beobachten diese Wesen die Erde. Auch wennsie nicht alles verstehen und ihnen manche Zusammenhänge unklar bleiben werden, das Bild, welches wir abgeben, ist eindeutig. Welchen Grund sollten diese Wesen also haben, mit einer aus ihrer Sicht unterentwickelten Zivilisation Kontakt aufzunehmen? Es spricht aus ihrer Sicht vieles dagegen, zuerst die gewaltigen zivilisatorischen Unterschiede. Aber unsere schmutzige Erde könnte sie beispielsweise auch verseuchen, weil ihre Körper nicht resistent gegen irdische Keime und Bakterien sind.

Die Frage ist also auch zu stellen, ist die Menschheit schon reif für eine Begegnung mit Außerirdischen? Der Aufwand , den wir Menschen finanziell, personell und technisch betreiben, um diesen Kontakt herzustellen, entspringt einertiefen Sehnsucht, unsere Einsamkeit in den unendlichen Weiten des Weltalls zu beenden. Was aber , wenn diese Extraterresten uns für überhaupt nicht würdig halten, deshalb vielleicht bereits empfangene Signale nicht beantworten, obwohl dies möglich für sie wäre?

Und, was verspricht sich die Menschheit überhaupt von einem Kontakt mit einer anderen Zivilisation? Diese Frage hängt wesentlich von der Art des Kontaktes ab. Ist es nur ein Signal, welches zweifelsfrei einer anderen, vernunftbegabten Spezies zuzuordnen ist? Schon mehrfach waren Forscher soweit, dass sie dies verkündet haben, so wie am 15.08.1977 der Mathematiker Jerry Ehman. Dann wäre eine Gewissheit vorhanden, dass wir Menschen nicht allein in den Weiten des Alls existieren, dass es auf anderen, weit entfernten Planeten ebenfalls Bedingungen gab, welche die Entstehung vernunftbegabter Wesen ermöglichten. Diese tiefe Sehnsucht der Menschen wäre damit gestillt.

Wenn, was immer noch wie ein Märchen erscheint, es tatsächlich zu einem direkten Kontakt kommen würde, der friedlich verläuft, kommt es dann auch zu einem Wissens- und Erfahrungsaustausch? Geben die fremden Wesen ihre Technologie an uns Menschen weiter und helfen uns damit in unserer Entwicklung? Macht die Menschheit dann endlich einen Quantensprung in ihrer zivilisatorischen Entwicklung, eine Abkehr von den bereits Jahrtausende andauernden Kämpfen gegeneinander hin zu einem friedlichen, respektvollen Miteinander?

Diese Fragen klingen eher philosophisch, das stimmt. Doch eine Fokussierung nur auf das technologisch Machbare ist eine verkürzte Sichtweise, welche der Bedeutung möglicher Ergebnisse der Forschung auf diesemGebiet nicht gerecht wird.

Die Erfahrung beispielsweise der Atomforschung in den 40-erJahren des letzten Jahrhunderts sollte die Menschheit gelehrt haben, dass Forschungsergebnisse immer auch auf ihren Nutzen für die Allgemeinheit abgeklopft werden müssen. Hiroshima und Nagasaki haben gezeigt, wie verheerend neue wissenschaftlich-technische Erkenntnisse missbraucht werden können. Bei der Suche nach Kontakt mit anderen Zivilisationen dürfen zunächst nur philosophisch oder ethisch-moralisch erscheinende Fragennach dem Sinn und der späteren Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse zum Nutzen der gesamten Menschheit nicht vernachlässigt werden.

Diese Fragen werden bei der vorherrschenden Fokussierung auf die technischen Möglichkeiten der Menschenbisher ausgeblendet. Dabei sind sie, wie die Weiterentwicklung der Technologie, in der Frage der Kontaktaufnahme mit einer anderen Zivilisation genau so wichtig.

Und, um darauf noch einmal zurückzukommen, wer fragt danach, welches Bild wirfür mögliche Beobachter abgeben?

Es ist gut möglich, dass wir auf lange Sicht für eine andere, auf einem höheren zivilisatorischen Niveau lebende außerirdische Spezies uninteressant bleiben werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

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