Sind Parteien wirklich unverzichtbar?

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Es war ein interessantes Gespräch, welches der Fernsehjournalist Heiner Bremer gestern ab 17.30 auf ntv mit dem Bundesumweltminister Norbert Röttgen führte. Und es war nur ein Nebensatz des Ministers, als er auf die Rolle von Bürgerinitiativen angesprochen wurde, als er sagte, er halte Parteien für unverzichtbar.

Ein kurzes Innehalten bei mir, was war das? Unverzichtbar?

Und so mache ich mir meine Gedanken. Auf kommunaler Ebene sind sie es schon lange nicht mehr, um die Demokratie, in der wir leben, zu repräsentieren. Freie Wähler entsenden Abgeordnete in kommunale Parlamente, es gibt Gemeindevertretungen, in welchen die Freiwillige Feuerwehr des Dorfes die größte Fraktion stellt. Erst ab der Ebene der Landtage sind nur noch Parteien vertreten. Bricht deshalb in Städten und Gemeinden unsere Demokratie zusammen, weil neben den etablierten Parteien auch andere Zusammenschlüsse vertreten sind , die ebenfalls Interessen der Bürger vertreten? Derartiges hat es noch nie gegeben.

Selbst im Bayerischen Landtag sind die Freien Wähler inzwischen vertreten, auch wenn sie sich dafür als eine Partei registrieren lassen mussten.

Die meisten Landes und Bundespolitiker haben heute das hinter sich, was oftmals als "Ochsentour durch die Partei" bezeichnet wird. Sie sammelten kommunale Erfahrungen, ehe sie als Abgeordnete in die Landtage oder den Bundestag einzogen oder in der Exekutive verantwortliche Positionen einnahmen.

Die Parteien stellen sich mit unterschiedlichen Programmen zur Wahl und der mündige Bürger entscheidet, welche der von den Parteien angebotene Politik Regierungspolitik werden soll. Soweit die Theorie.

Norbert Röttgen wies in dem Gespräch darauf hin, dass auch unter dem grünen Umweltminister Trittin und dem SPD Ressortchef Gabriel die Atommülltransporte nach Gorleben rollten. Ohne es offen auszusprechen, bestätigte er damit eine längst bekannte Tatsache. Egal wer die Regierung stellt, bestimmte Prozesse laufen unabhängig von politischen Vorstellungen ab. Atommüll muss entsorgt und zwischengelagert werden, ob der Umweltminister nun von den Grünen, der SPD oder der CDU gestellt wird. Dieses Beispiel lässt sich problemlos auf andere Bereiche erweitern.

Warum muss der Zustand, dass Parteien die politischen Rahmenbedingungen unseres Landes bestimmen, also unabänderlich sein? Stuttgart 21 und der Protest in Gorleben beweisen an zwei Orten, dass die Bürger andere Vorstellungen davon haben, wofür die knappen Mittel der öffentlichen Kassen ausgegeben werden sollen und unter welchen Bedingungen sie leben wollen.

Vor einigen Jahren fragte ich einen Berliner Kommunalpolitiker, warum er nicht wieder kandidieren wolle, seine Partei würde ihn ja wieder nominieren und 550 Euro monatlich als Aufwandsentschädigung wären ja auch nicht zu verachten. Die Antwort war sehr deutlich. Selbst in der Bezirksverordnetenversammlung gäbe es Parteienstreit, obwohl "nur" kommunale Angelegenheiten zu entscheiden seien. Doch werde um die wenigen frei verfügbaren Finanzmittel hart gerungen, weil es eben auch um parteipolitische Prestigeobjekte gehe.

Wäre es da nicht sinnvoller, externen Sachverstand, den Berufspolitiker oftmals nicht haben, in die Politik zu holen? Was spricht gegen die Teilnahme von Bürgerintitiativen an Landtagswahlen, ohne dass diese erst den Anforderungen von Wahlgesetzen genügen müssen?

Die ständig sinkenden Zahlen der Wahlbeteiligung sprechen eine deutliche Sprache, der Souverän, das Volk, verliert zunehmend das Interesse an der Politik. Bei diesen Zahlen davon zu reden, dass Parteien unverzichtbar seien, zeugt nicht gerade von Achtung gegenüber dem Souverän.

Parteien sind Auslaufmodelle einer parlamentarischen Demokratie, die einer grundlegenden Erneuerung bedarf. In dieser Erneuerung muss Volkes Wille wieder das Entscheidende sein. Parteien sind nicht für immer unverzichtbar, nur, weil sie es bisher waren.



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Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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