Sonnenkönig Wowereit?

Wie ich Berlin sehe Hannes Koch beschreibt Berlin etwas anders als ich

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Da lese ich doch heute im aktuellen "Freitag" einen Artikel des Berliner Wirtschaftsjournalisten Hannes Koch. Er spannt den Bogen über das Berliner Flughafendesaster und das Versagen des Regierenden Bürgermeisters Wowereit, der ja auch Aufsichtsratchef ist, bis hin zu den Erfolgen des Berliner Senats. Die Touristen kommen in Scharen nach Berlin, die Clubs florieren und die Ansiedlungen kleiner innovativer Unternehmen der letzten Jahre sind beachtlich. Dieser Boom, so Koch weiter, wäre so oder ähnlich allerdings jedem Regierenden Bürgermeister passiert.
Koch`s Resümee aber ist deutlich. "Wahrscheinlich verlangen die Berliner von ihrer Landesregierung nur dies: sie soll sie einfach in Ruhe lassen."
Verlangen wir das wirklich? Oder erwarten wir von unserem Senat nicht mehr? Doch wer soll dieses Mehr erbringen?
Wenn Koch schreibt, "Berlin ist wie Belgien, auch hier kommt man ohne eine funktionierende Regierung zurecht. Die Bürger haben ihre Erwartungen in die Effektivität des Senats und ihres Bürgermeisters erheblich reduziert. Oder sie haben sich ganz abgewöhnt, auf Besserung zu hoffen.", so beschreibt er einen realen Zustand zunehmender Hoffnungslosigkeit. Doch ist dieser Zustand alternativlos, gottgewollt und unabänderlich? Wowereit ist ersetzbar, nur wann und durch wen, scheint zur Zeit noch die Frage zu sein.
Die Berliner Politik befindet sich seit der letzten Wahl in einem Zustand der Starre. Der Regierende ist angeschlagen, seine SPD in einem schleichenden Prozess der Distanzierung von ihm, ohne eine überzeugende Alternative zu ihrem Schwergewicht. Die CDU sitzt endlich wieder an den Fleischtöpfen der Macht und möchte diese nicht mehr verlassen. Ihr Chef und Innensenator Henkel hat in nicht mal einem Jahr schon zwei Senatoren verloren und gerät nun in den Sog der NSU-Affäre. Die Grünen lecken immer noch ihre Wunden von der Künast`schen Bruchlandung. Die Linke bewegt sich bei um die 10% Wählerzustimmung und stellt kaum eine ernsthafte Opposition dar. Die Piraten sind immer noch in der Phase, sich als ernstzunehmende politische Kraft zu etablieren. Und Wowereit tront über allem als der Sonnenkönig einer Stadt, die arm, aber sexy ist.
Was aber erwarten wir Berliner? Wollen wir einfach nur in Ruhe gelassen werden von "denen da oben"? Das erfolgreiche Volksbegehren zur Offenlegung der Verträge des Verkaufs der Wasserbetriebe, die Proteste gegen den BER und die Flugrouten sind nur zwei Beispiele, dass zumindest einige Berliner mehr erwarten.
Schlüssige Konzepte für eine Weiterentwicklung der Stadt liegen nach fast einem Jahr neuer Senat nicht vor. Die Wirtschaftssenatorin hat das Erbe ihres Vorgängers Wolf nicht weitergeführt. Der öffentliche Personennahverkehr ist mehr und mehr eine Katastrophe für die Berliner, die auf ihn täglich angewiesen sind. Die gefühlte Unsicherheit beim täglichen Bewegen durch unsere Stadt nimmt zu.
Das sind nur einige Probleme, für deren Lösung von einem Senat Antworten erwartet werden dürfen. Ein Senat, der seine Bürger einfach nur in Ruhe lässt, macht es sich zu einfach. Und Bürger, die ihn aus seiner Verantwortung für ihre Stadt entlassen, machen es sich ebenfalls zu einfach. Nein, sie müssen ihren Senat in seine Verantwortung zwingen, für die er gewählt wurde. Sie müssen einfordern, was sie verlangen und erwarten dürfen von ihrer Regierung.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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