Staatsfinanzen in der Krise, wie weiter, eine Diskussion

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Zum Thema Staatsfinanzierung in der Krise – Alternativen zu Neoliberalismus und Neokeynesianismus?“ , hatte die grüne Heinrich Böll Stiftung gestern Abend geladen . Auf dem Podium hatten neben dem Berliner Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum auch die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus und die Zeit-Journalistin Petra Pinzler Platz genommen. Moderiert wurde der Abend vom Vorstand der Stiftung Ralf Fücks.

Dr. Nußbaum begann seine Ausführungen damit, dass er oft gefragt werde, ob es nicht ein harter Job sei, der oberste Kassenwart des hoch verschuldeten Berlins. Nein, sagte er weiter, wir haben in Berlin ein jährliches Haushaltsvolumen von 22 Mrd. Euro, da bleiben Handlungsspielräume. Aus seiner früheren Tätigkeit als Unternehmer wisse er, dass es darauf ankomme, „ aus gleichem mehr herauszuholen“. Erfahrungsgemäß gäbe es immer etwa 15 % des vorhandenen Geldes, was einfach effektiver eingesetzt werden könne, Umschichtungen zur sinnvolleren und Gewinn bringenderen Verwendung seien notwendig und möglich. Die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse bezeichnete er als richtig und mutig, weil internationale Erfahrungen gezeigt haben, dass dadurch eine weitere Verschuldung zumindest gebremst werden könne. Aus seiner Sicht muss eine Konsolidierung des Haushaltes sowohl durch sinnvolle Ausgabenkürzungen als als auch durch eine Erhöhung der Einnahmen erfolgen. Eine nur radikale Kürzung der Ausgaben habe bisher noch kein Land ausgehalten, so der Senator weiter. Er halte es für möglich, dass das Land Berlin eine Nullverschuldung erreichen kann, das vorhandene Haushaltsvolumen gebe die dafür notwendigen Spielräume her.

Die Grüne Lisa Paus bezeichnete die Schuldenbremse als „durch und durch keynsianisch“. Sie forderte eine ökologische Transformation der Wirtschaft. Um das Ziel, bis 2050 den CO2 Ausstoß um 75 -90 % zu verringern, zu erreichen, wie im Kyoto Protokoll vereinbart, seien auch staatliche Förderprogramme nötig, welche die Wirtschaft auch immer wieder einfordere. Allerdings setzten auch die Grünen auf eine Erhöhung der Einnahmen des Staates. Wenn die Vermögenden in Deutschland , die mehr als 1 Mio Euro Nettoeinkommen jährlich erzielen, davon nur 1% jährlich als Vermögensabgabe zahlen würden, so ihre Rechnung, würden in 10 Jahren etwa 100 Mrd. Euro Einnahmen für den Staat zusammen kommen. Das wäre die Summe, welche die Wirtschafts- und Finanzkrise als Kosten verursacht habe, so Lisa Paus.

Dem hielt Senator Dr. Nußbaum entgegen, dass diese Vermögensabgabe nur ein Mal erhoben werden kann, und danach als Einnahmequelle ausfällt. Wovon aber, so seine Frage, sollen dann Bildung, ökologischer Umbau und vieles Andere finanziert werden.

Ralf Fücks moderierte zurückhaltend und sachlich. Dass es dringend darauf ankomme, die Beschäftigungsquote, besonders die der Frauen, zu erhöhen, würde gleich einen doppelten Effekt bewirken, warf er ein. Erstens würden die staatlichen Ausgaben sinken, besonders im Sozialbereich, zweitens würden die Einnahmen des Staates steigen.

Ein belebendes Element neben den beiden Politikern war die Journalistin Petra Pinzler. Diese brachte ihre Auslandserfahrung aus den USA und aus 4 Jahren Brüssel mit in die Diskussion ein und begann mit einem Rückblick. Der ehemalige Finanzminister Steinbrück habe das Ziel gehabt, die Neuverschuldung auf Null zurück zu fahren und war damit auf einem guten Weg, bis die Finanzkrise alle seine Arbeit zunichte machte. Außerdem wollte er den zügellosen Hedgefonds, welche diese Krise ja maßgeblich mit ausgelöst haben, Zügel anlegen, sie stärker kontrollieren. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, so Frau Pinzler, entweder man lässt den Euro zusammen krachen, indem den Iren nicht geholfen wird, oder der Rettungsschirm wird noch mehr aufgespannt. Das aber würde eine strengere Kontrolle der nationalen Haushalte durch die EU-Kommission bedeuten, mithin eine weitere Preisgabe von Souveränität auch nationaler Parlamente. Außerdem würde dies eine viel engere Zusammenarbeit erfordern. Die Journalistin äußerte Zweifel daran, dass Deutschland die Schuldenbremse einhalten kann, weil noch keiner wisse, was da an notwendigen Milliarden auf den deutschen Staat noch zukommt. Sie zitierte einen deutschen Manager des Rettungsfonds, der gesagt hat, dass die Lehrbücher jetzt neu geschrieben werden. „Nicht mehr Geld ausgeben, sondern sparen“. Dieser Manager bezog sich dabei auf die unterschiedlichen Herangehensweisen der Krisenbewältigung durch die USA und die Eurozone. Während die Amerikaner immer mehr frisches Geld in Umlauf bringen, sparen, auch unter dem Druck der Regierung Merkel, die Euroländer immer mehr.

Senator Dr. Nußbaum wies auf einen wesentlichen Unterschied zwischen Griechenland und Irland hin. Während die Griechen ein strukturelles Problem haben, weil sie von Beginn an den Stabilitätspakt unterlaufen und falsche Zahlen an die EU übermittelt haben, sind die Iren lange Musterschüler gewesen. Nur muss Irland seine in bedrohlicher Schieflage befindlichen Banken jetzt mit einer riesigen Summe ( etwa 350 Mrd. Euro, der Autor) stützen. Im übrigen, so der Senator weiter, wäre sogar die Schweiz, der Leuchtturm der Währungsstabilität, nicht in in der Lage gewesen, eine solche Situation allein zu bewältigen, wenn ihre UBS in diese Situation gekommen wäre. Die Schweiz hätte die Bilanzsumme dieser Bank nicht allein absichern können, und sie haben noch ihre Franken. Dr. Nußbaum war der erste auf dem Podium, der klar aussprach, dass die Politik den Gläubigern klar sagen muss, dass sie ihr Geld unwiderruflich verloren haben. Er wies darauf hin, dass trotz aller Ups and Downs die Staatseinnahmen in den letzten 40 Jahren durchschnittlich um 2,7 – 2,8 % gestiegen sind und fragte, warum dies nicht so bleiben solle? Außerdem rechnet er langfristig auch damit, dass die Inflation die Entschuldung der Staatsfinanzen weiter beschleunigt.

Es war die Journalistin Pinzler, welche darauf hinwies, dass bei geringerem Wachstum die Verteilungsfrage immer wichtiger wird, vor allem deren soziale Ausgewogenheit.

Es gehört wohl dazu, dass öffentliche Diskussionen von Politikern von deren Gegnern genutzt werden, um diese anzugreifen. Es war ein Vertreter des „Berliner Wassertisches“, der diese Rolle gestern Abend übernahm. Jener Berliner Wassertisch, der ein Volksbegehren auf den Weg brachte, um eine Offenlegung der geheimen Privatisierungsverträge der Wasserbetriebe zu erreichen. Diese wurden ja kürzlich von der Berliner „TAZ“ veröffentlicht, womit dem Blatt ein echter Coup gelungen ist. Warum jetzt seitens des Berliner Senates Summen von 2 - 3 Mrd. Euro im Gespräch sind, die ein Rückkauf kosten würde, fragte er.

Senator Dr. Nußbaum bestätigte Überlegungen des Senates, eine Re-Kommunalisierung Berliner Unternehmen anzustreben, verwies aber darauf, dass die Preise von unabhängigen Experten errechnet werden. „Und dann kommt es darauf an, klug zu verhandeln, und davon verstehe ich etwas“, sagte er.Dann kam er zum Thema zurück und bestätigte, dass es in Deutschland zu viele Gesetze gibt, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Steuerlast zu drücken. Im OECD – Vergleich, so Dr. Nußbaum, sind wir ein Niedrigsteuerland für Unternehmen.

Ein wenig Wahlkampf erlebten die interessierten Zuhörer auch noch. Die Grüne Paus lobte den parteilosen Senator für die personelle Ausstattung der Berliner Finanzämter und warf den allesamt schwarz – gelb regierten Bundesländern Hessen, Baden-Würtemberg und Bayern vor, eine Standortpolitik der Ansiedlung von Unternehmen auch durch eine Minderausstattung ihrer Finanzämter zu betreiben. Dann stellte sie die Frage, wie der Staat, nicht nur der deutsche, sondern die gesamte Eurozone, aus den Schulden heraus käme. Als Antwort darauf forderte sie einen Schuldenschnitt, also eine milliardenschwere Abschreibung.

Frau Pinzler pflichtete ihr bei, indem sie die Frage stellte, wie mehr Gerechtigkeit in die Debatte kommt. Es dürfe nicht nur unten weh tun, auch die Verursacher der Finanzkrise, also die Spekulanten, müssten sich daran beteiligen.

Die Grüne Paus konnte es sich nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wir Deutschen mitten in der Krise eine Regierung gewählt haben, die im Vorfeld eben keine Deregulierung der Finanzsysteme versprochen hat, von daher könne man jetzt Frau Merkel auch keinen Vorwurf machen. Auch sie als MdB kenne das System der Verquickungen der Banken untereinander und staatlicher Beteiligungen nicht. „Hat ein Euro keinen Staat mehr, ist er nichts mehr wert“, sagte sie in Anspielung auf die Aussage eines Zuhörers, der von dem Wertverlust des Euro sprach.

Senator Dr. Nußbaum wies zu Recht darauf hin, dass die Menschen eine zunehmende Ohnmacht nationaler Politik erleben, das brutale Versagen der Politik werde nun durch die Finanzkrise deutlich aufgezeigt. Dies fordere und schaffe eine notwendige Transparenz, eine Chance für ein anderes Handeln auf europäischer Ebene.

Diese wachsende Ohnmacht bezeichnete Ralf Fücks als gefährlich, weil sie das politische System, „ es gibt kein besseres“, von innen erodieren könne. Er rief dazu auf, den Streit über politische Alternativen sachlich zu führen, ohne zu denunzieren.

Einig waren sich alle im Saal, dass eine Antwort auf diese schwere Krise eine europäische sein muss. Die Handlungsfähig der Nationalstaaten innerhalb der Eurozone muss erhalten bleiben und die Verursacher der Krise müssen an der Aufarbeitung ihrer Folgen beteiligt werden. „There is no alternative“, diese Worte fielen in den spannenden 100 Minuten immer wieder.

Nach der Diskussion fragte ich die Bundestagsabgeordnete Frau Paus, welche für die Grünen im Finanzausschuss sitzt, ob es stimme, dass sie über die ihr bekannten Zahlen der Rettungsschirme öffentlich keine Auskunft geben dürfe. Die Antwort war frappierend. Diese Zahlen könne sie gar nicht einsehen, dafür gebe es ein spezielles Gremium, analog der Parlamentarischen Kontrollkommission PKK, welche die Geheimdienste kontrollieren soll. Nur dieses spezielle Gremium aus Vertretern aller Fraktionen könne diese Zahlen einsehen und mit Regierungsmitgliedern darüber reden. Dessen Mitglieder seien aber, das stimme, zu strengster Geheimhaltung verpflichtet.

Auf die Frage, was dies mit Transparenz zu tun habe, schließlich ginge es um etliche Milliarden Steuergelder, bekam ich eine sehr offene Antwort. „Nichts“, antwortete Frau Paus mir, „reinweg gar nichts“.

Die Regierung Merkel übergeht ganz offen sogar die gewählten Volksvertreter des höchsten deutschen Parlamentes. Die von Senator Dr. Nußbaum beschriebene Transparenz ist bei der Regierung Merkel ganz offensichtlich noch nicht angekommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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