Thälmann muss gehen -- ein Nachruf

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Heute beginnen in Ziegenhals vor den Toren Berlins die Abrissarbeiten an der historischen Gedenkstätte, und das unter Polizeischutz. Hier sprach der Vorsitzende der KPD am 07. 02.1933, wenige Tage nach der Machtergreifung Hitlers, das letzte Mal vor seinen Genossen, bevor er den Nazis in die Hände fiel. Ist es ein Zufall, dass wenige Tage vor dem 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus diese Abrissmaßnahmen beginnen? Über die historische Bewertung der Person Thälmanns kann man streiten, wie bei jeder Person öffentlichen Interesses. War er der unbeugsame Arbeiterführer, als der er in der DDR dargestellt wurde, oder war er derjenige, der die KPD "stalinisiert " hat? Manche seiner Ansichten und Entscheidungen sind heute kritisch zu hinterfragen. Es steht der Vorwurf im Raum, er habe durch seine Kandidatur als Reichspräsident Hindenburgs Wahl erst ermöglicht und damit seinen Slogan " Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg" ad absurdum geführt. Historisch wahr ist, dass er im zweiten Wahlgang mit nur 7% der Stimmen keine Chance mehr hatte und der Abstand des bürgerlichen Kandidaten Brüning zu Hindenburg weniger als diese 7% betrug. Nur hätten kommunistische Stammwähler einen Brüning gewählt? Ernst Thälmann polarisierte, die nicht entstandene Einheitsfront der Arbeiterbewegung gegen das immer mehr Erstarken der Nazis ist ihm mit anzulasten. Oder ist es einfach ein Stück DDR Vergangenheit, die verschwinden muss, wurde dieser Ort doch im Rahmen von Jugendweiheexkursionen und Klassenfahrten oft besucht? Nur laden Gedenkstätten ja auch zum Nachdenken ein, sind Orte nicht nur der Stilisierung zum Helden, als welcher Ziegenhals in der Zeit der DDR benutzt wurde, sondern auch der historischen Betrachtung. Dass Thälmann in den Untergrund ging, dass er den Widerstand aus Deutschland organisieren wollte und nicht, wie andere führende deutsche Kommunisten, vom sowjetischen Exil aus, spricht für ihn, wurde er doch gedrängt, Deutschland zu verlassen, solange dies noch möglich sei. Die Gedenkstätte Ziegenhals wurde jedenfalls nach 1990 neu gestaltet und erinnerte an ein historisches Ereignis, ohne die DDR Glorifizierung Ernst Thälmanns.

Der Streit um das Grundstück und die darauf befindliche Gedenkstätte dauert bereits seit den 90 er Jahren, als ein damaliger Mitarbeiter des Brandenburger Bauministeriums das Grundstück kaufte. Ein jahrelanger Rechtsstreit folgte, es ging auch um Denkmalschutz. Ein Verein gründete sich, der die Gedenkstätte als Ganzes bewahren wollte als einen Ort der Zeitgeschichte. Utensilien aus der Gedenkstätte hat die Stadt Königs Wusterhausen eingelagert, deren SPD Bürgermeister Franzke auch einen Ort des Gedenkens in Aussicht stellt. Nur ist dies dem Verein zu wenig, dessen Anwältin heute mit einem Antrag vor dem Landesverfassungsgericht einen letzten Versuch unternimmt, den Abriss zu stoppen.

Fazit, während in den letzten Jahren sogar neue Gedenkstätten wie das Stelenfeld im Zentrum Berlins entstanden, wird ein kleines Haus, das historisch bedeutsam ist, einfach abgerissen. Der Verein zur Erhaltung möchte jetzt die zeitliche Nähe zum 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus nutzen, um ausländische Gäste, die aus diesem Anlass Deutschland besuchen, auf das Schicksal der Thälmann Gedenkstätte Ziegenhals aufmerksam zu machen, soll hier doch ein Stück Zeitgeschichte verschwinden, dass an einen deutschen Politiker erinnert, der in einer schwierigen Zeit agierte und als einer der Hauptgegner der Nazis galt, von ihren jahrelang in Einzelhaft gesteckt wurde, ehe er 1944 im KZ Buchenwald mit einen Genickschuss ermordet wurde. Ich denke, dieser Abriss ist unnötig , weil auch diese Stätte der Erinnerung und des Gedenkens ihre Daseinsberechtigung besitzt.

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Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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