Volksentscheid erfolgreich, Wasserpreise sinken?

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Nun ist das eingetreten, womit die wenigsten gerechnet haben. Der Volksentscheid über die Offenlegung der Wasserverträge war erfolgreich, als erster von bisher drei in der Bundeshauptstadt. 678247 Berliner, das sind 27,5% der Wahlberechtigten, stimmten für die Offenlegung, das war ausreichend. Doch wie nun weiter? Im rot-roten Senat ist man sich offen uneinig. Während die Linkspartei das Berliner Verfassungsgericht anrufen möchte, ist der SPD Innensenator Körting dagegen. Linke Partei- und Fraktionschef Lederer, ein studierter Jurist, argumentiert damit, dass " Rechtsicherheit hergestellt werden muss". Körting, ebenfalls Jurist, hält dagegen. Er hält das Gesetz für überflüssig," weil die Veröffentlichung der Verträge bereits erfolgt ist".

Tatsächlich hat der Senat nach monatelangen öffentlichen Druck im November 2010 etwa 700 Seiten der Privatisierungsverträge ins Internet gestellt. Einem Prüfbericht zufolge sollen aber noch 5 Unterverträge, welche bisher nicht veröffentlicht wurden, existieren. Der Regierende Bürgermeister Wowereit spricht sich deshalb dafür aus, einen unabhängigen Sachverständigen hinzuzuziehen und ist" gerne bereit", die Transparenz noch weiter zu erhöhen.

Doch was bedeutet dies alles für die Berliner, sinken nun die Wasserpreise? Dies könne nach den Worten des Berliner Wirtschaftssenators Wolf von der Linken schon 2011 oder 2012 passieren, weil das Kartellamt die Tarife überprüft. Sollte diese Behörde eine Senkung verfügen, hätte dies laut Wolf eine unmittelbare Auswirkung.

Und die privaten Investoren? Michel Cunnac, der Chef von Veolia Wasser:" ich wiederhole gern, was ich dem Land seit anderthalb Jahren anbiete, Veolia steht für eine Modernisierung der Verträge bereit". Und RWE kündigte an, noch in diesem Monat ein Angebot für die Rekommunalisierung vorzulegen. "Wir sind bereit, einen fairen Marktpreis zu zahlen", so noch einmal der Wirtschaftssenator.

Die Opposition wittert durch den erfolgreichen Volksentscheid bereits Morgenluft. Frank Henkel, der CDU Landes -und Fraktionschef, forderte offen eine Senkung der Wasserpreise. Der Senat, so der Christsoziale, habe jahrelang 100 Mio Euro aus der Gewinnabführung im Haushalt verplant, ohne an die Verbraucher zu denken.

Doch hat der Volksentscheid über die Berliner Landesgrenzen hinaus Wirkung Richard Hilmer, der Chef des Meinungsforschungsinstitutes Infratest Dimap:" Politiker in ganz Deutschland sind gut beraten, wenn sie die Angst der Bevölkerung vor dem Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge ernst nehmen. Die Bürger lehnen es ab, dass Grundressourcen wie Wasser an einen privaten Monopolisten übertragen werden".

Ein warnendes Beispiel liegt jedoch nur wenige Kilometer vor der Berliner Haustür. Potsdam hatte 1997 49% der Anteile des kommunalen Wasserversorgers für 85 Mio € an den französischen Konzern Eurawasser verkauft. Dieses Geld floss in die Sanierung des Stadthaushaltes. Nur 3 Jahre später wurde der Wasserbetrieb rekommunalisiert, weil den Bürgern ein Aufschlag von 66 Cent auf 4,40€ drohte. An den für den Rückkauf aufgenommenen Krediten zahlt Potsdam heute noch.

Der Berliner Wassertisch als Initiator des Volksentscheides möchte deswegen ein weiteres Volksbegehren als Vorstufe eines Volksentscheides auf den Weg bringen.So sollen die Privatisierungsverträge von 1999 für nichtig erklärt werden, sollten sie sittenwidrige Nebenabsprachen enthalten. Danach, so Thomas Rudek, der Sprecher der Initiative, könnten die Gewinne, welche die privaten Anteilseigner in den vergangenen Jahren erhalten haben, auf den gezahlten Kaufpreis verrechnet werden. Diese liegen nach Rudek bei 1,3 Milliarden Euro, bei einem Kaufpreis von 1,69 Milliarden Euro. Anschließend möchte Rudek die vorhandene Differenz durch die Offenlegung weiterer Absprachen in der Holding über verdeckte Gewinne weiter reduzieren und so die Wasserbetriebe zu einem Schnäppchenpreis zurückkaufen.

Der Berliner Senat und sein Wirtschaftssenator Wolf, der seit Monaten mit RWE über eine Rekommunalisierung verhandelt, räumen diesem Plan allerdings kaum Chancen ein. Der zweite private Anteilseigner, Veolia, ist bislang nicht einmal bereit, über einen Rückkauf zu verhandeln.

Es bleibt also spannend um das Berliner Wasser. Dass dieses Thema auch im Berliner Wahlkampf keine unwesentliche Rolle spielen wird, steht allerdings heute schon fest.

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Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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