Warum die Linken die erodierende Demokratie verteidigen müssen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es ist schon irgendwie paradox,wenn die Linken heute unsere Demokratie verteidigen müssen. Dabei ist deren Bedrohung nicht neu, sie ist heute nur mehrfacher.

Parteien freuen sich schon, wenn die Wahlbeteiligung die magische Marke von 50% übersteigt. Dass mehr als 40% der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht überhaupt keinen Gebrauch mehr machen, weil sie der Politik kein Vertrauen mehr schenken, spielt in der Betrachtung der politischen Parteien keine Rolle. Die Union und die SPD sind, die Gesamtheit aller Wähler als Berechnungsgrundlage genommen, unter 20% Zustimmung angekommen, die Grünen unter 10%, die Linke und die FDP unter 5%.Das politische System als Fundament unserer Demokratie erodiert.

Die Behörde, die unsere Verfassung schützen soll, lässt Neonazis in den Untergrund abtauchen. Ihre V-Männer sind unzuverlässig und veruntreuen Steuergelder. Das Misstrauen der Sicherheitsbehörden untereinander ist mit dem Verhältnis zwischen FBI und CIA vor 9/11 vergleichbar. Unprofessionell, unkoordiniert und ohne klare Führung agierten die Geheimdienste in einem undurchschaubaren Geflecht mit Länderpolizeien, Bundesbehörden und Meldeämtern. Für die bisher unerkannten gewaltbereiten Neonazis ist dies nur eine Aufforderung, weiter zu handeln und aus ihren Fehlern zu lernen.

Das heutige Treffen in Berlin hat nicht etwa die umstrittene Extremismusklausel zurück genommen, mit denen Initiativen gegen rechts geknebelt werden, sondern diese ausdrücklich verteidigt. „Wir dürfen Rechtsextremismus nicht mit Linksextremismus bekämpfen“, diese Aussage des Bundesinnenministers steht in einer Linie mit seinem Vergleich von Linkspartei und NPD. Eine realistische Lageeinschätzung sieht anders aus, Herr Minister!

Der Bundespräsident wirkt durch die Kraft des Wortes und seine moralische Autorität. Na wunderbar, wie will der Herr Wulff dies umsetzen? Moralisch verschlissen, die Gewalt des Wortes noch nie beherrschend und verquickt mit den Mächtigen des Geldes bietet diese moralische Instanz Deutschlands ein mehr als jämmerliches Bild.

Und dass frei gewählte Abgeordnete des höchsten deutschen Parlamentes durch den Verfassungsschutz überwacht werden, darf bei dem erodierten Zustand der Demokratie nicht einmal verwundern. 390.000 Euro kostet die Schlapphutaktion allein für die 27 Bundestagsmitglieder, die vom Bundesamt überwacht werden, die Kosten der Landesämter sind hier noch nicht ein mal eingerechnet. Dass mit Steffen Bockhahn ein Mitglied des Parlamentarischen Vertrauensgremiums, das für die Finanzierung der Geheimdienste mit verantwortlich ist, auf der Überwachungsliste steht, ist dabei besonders heikel, genauso wie die Überwachung des Vertreters der Linken in der PKK, Wolfgang Nescovic, eines früheren Bundesrichters.
Hinzu kommen mindestens 11 linke Landtagsabgeordnete, die von LfV-s überwacht werden.

Die Legislative im Visier der Exekutive, das ist wohl unbestritten eine Gefahr für die Demokratie.
Insofern ist der Brief Gysi`s an den Bundespräsidenten, die Kanzlerin und den Bundestagspräsidenten auch ein eindringlicher Appell für die Verteidigung unserer Demokratie vor ihren Feinden, auch wenn es Teile des Staatsapparates sind.

Eine erodierende Demokratie, von rechts bekämpft, von der Mitte unterhöhlt und von links verteidigt, es ist weder paradox noch nicht nachvollziehbar. Es ist nur Realität in Deutschland.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden