Nun soll der Bundespräsident eine Entscheidung treffen, wie es mit dem umstrittenen Ex Finanzsenator Berlins weitergehen soll. Christian Wulff hat die Bundesregierung um eine Prüfung gebeten. Möchte er Zeit gewinnen? Ahnt er, dass es in diesem Trauerspiel nur Verlierer geben kann?
In einem Interview mit dem "Focus" sagte Sarazzin : " Der Bundespräsident wird sich genau überlegen, ob er eine Art politischen Schauprozess vollenden will, der anschließend von den Gerichten kassiert wird. " Die Meinung der Verfassungsrechtler sei in dieser Frage auf seiner Seite.
In der Tat ist die Situation verzwickt. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank ist seit dieser Woche ohne Geschäftsbereich und der Bankvorstand hat einstimmig ( mit der Stimme Sarrazins??) den Bundespräsidenten gebeten, Sarrazin abzuberufen. Allein dies ist ein bisher einmaliger Vorgang. Greift der ranghöchste deutsche Politiker aber hier ein, greift er auch in die Unabhängigkeit der Bundesbank ein, was ebenfalls einmalig wäre. Auf Dauer ist es aber auch untragbar, dass die Bank der Bundesrepublik Deutschland ein Vorstandsmitglied hat, das hohe Bezüge bezieht, ohne dafür etwas zu tun. Am anständigsten wäre es von Thilo Sarazzin, freiwillig zurückzutreten, was freilich einem Eingeständnis gleichkommen würde, etwas getan zu haben, was zu der jetzigen Situation geführt hat. Das aber sieht der ehemalige Bahnvorstand, Berliner Senatsmitglied und jetzige Banker ganz anders, er wird also seinen Posten nicht freiwillig räumen.
Ausserdem bekommt er inzwischen auch aus der Politik Unterstützung. Der bayerische Innenminister Herrmann etwa sagte, Sarrazin dürfe nicht verdammt werden. Manche seiner Thesen seien zwar unsäglich, wo Probleme seien, müssten diese aber klar angesprochen werden. Selbst die Bundeskanzlerin, welche Sarrazin vorher heftig kritisiert hatte, warnte, vor der Gewalt ausländischer Jugendlicher zurückzuschrecken.
Wie also aus der Sackgasse wieder herauskommen? Sollte Sarazzin wirklich abberufen werden, würde er klagen und hätte gute Chancen, diesen Prozeß zu gewinnen. Würde er auch nur einen Teil seiner Kompetenzen wieder erhalten, würde dies einen erheblichen Gesichtsverlust auch für den Präsidenten der Bundesbank, Axel Weber, persönlich bedeuten. Dieser aber strebt nach Höherem, dem Chefsessel der Europäischen Zentralbank.
Egal wie dieses Drama ausgehen wird, ohne Schaden mit Sicherheit nicht, egal für wen. Währendessen kann sich Sarazzin beruhigt zurücklehnen, finanziell hat er sowieso bereits lange ausgesorgt, und sich das Trauerspiel, was da um seine Person gespielt wird, ansehen.
Kommentare 5
Sie vermischen zwei unterschiedliche Fragen: die rechtliche in Bezug auf die Absetzung von Sarrazin und die allgemein politische über Integration. Dass aus der Politik Stimmen laut geworden sind, Integration erneut zu thematisieren, lässt sich nicht einfach als Unterstützung von Sarrazins Thesen werten.
Die Bundesbank hat ihrem Gutachten nach die Rufschädigung als zentralen Faktor angeführt - Sarrazin hatte vertraglich zugesichert, sich in der Öffentlichkeit maßvoll und zurückhaltend zu verhalten, um nicht die Bundesbank über seine Person in Skandale zu verwickeln. Wie die rechtliche Frage ausgeht, ist allerdings offen. Der Bundespräsident hält sich offenbar an den Rat von Rechtsexperten und bezieht die Institutionen ein, die auch bei einer Berufung eines Vorstandsmitgliedes einzubeziehen sind. Man wird sehen.
Völlig unberücksichtigt blieb bislang, was denn unter Integration zu verstehen ist. Folgt man Sarrazin, so könnte man z.B. für eine staatlich sanktionierte Genmanipulation von bestimmten Bevölkerungsgruppen eintreten. Doch er ist nicht der einzige Mensch, der sich bislang über Intergration geäußert hat. Sein Buch ist bloß aufgrund der unhaltbaren biologischen Thesen hochgespült worden. Man darf gespannt sein, wie sich die weitere Debatte, falls denn eine entsteht, konkret entwickelt.
Wenn emand in solcher Position nicht die "richtigen" Worte findet hat er eben Pech gehabt. Kontroversen zu schaffen macht manchmal Sinn aber wenn es allen Leuten in Deutschland, bzw. dem Ansehen Deutschlands schadet müssen eben die Konseqenzen gezogen werden und die Type muss gehen. Für Primadonnen ist kein Platz.
Aus der Huffington Post:
German Banker, Under Fire For 'Racist' Jewish Remark
tiny.cc/moegb
Aus der Jerusalem Post:
German bank votes to expel Sarrazin after racist words
tiny.cc/oc5za
BBC:
Germany central banker condemned for 'racist' book
tiny.cc/tzpmp
Es ist doch erstaunlich, dass eine Nation nicht weiss, wie sie ein Vorstandsmitglied los wird, dass dem Unternehmen schaden zufügt, indem es das Unternehmen negativ in die Schlagzeilen bringt, die mit dem Geschäftszweck nichts zu tun haben. Eine Kassiererin hingegen wird wegen eines Pfandbons fristlos entlassen! Was wäre passiert, wenn Sarazzin im Vorstand bei Lidl oder Schlecker arbeiten würde?
Herr Sarazzin hätte mit 65 in Pension gehen können und dann sein Buch verkaufen können.
Die potentiellen Wähler der Sarazzin Partei, bei über 20% des Volkes doch eher Kassiererinnen als Bundesbankvorstände, sehen das offensichtlich nicht so.
Sarrazin hat der Bundesbank nicht geschatet, das ist Fakt. Die Bundesbank schadet sich selbst, in dem sie nicht die Form der Diskussion sucht, sondern lediglich die Distanz. Mehr noch: Sie will ihn los werden und nimmt dabei auch in Kauf, gegen das Grundgesetz zu verstoßen.Die Abberufung macht auch keinen Sinn, weil die Bundesbank, wo möglich der Steuerzahler, sein Gehalt weiter zahlen muss. Wir leben in einen, hatte ich zumindest immer gedacht, in einem rechts- und demokratischen Staat, in dem vor allem die freie Meinungsäußerung groß geschrieben wird. Man kann doch niemand aus einem Vorstand oder Partei werfen, nur weil er sein Recht wahrnimmt und seine Meinung sagt. Ob man seine Meinung teilt oder nicht, steht auf der anderen Seite. Nur diskutieren und sich mit seiner Meinung auseinandersetzen, sollte man schon.
Auch der Bundespräsident ist jetzt dabei einen Fehler zu machen.
Natürlich sollte man diese Thesen diskutieren, und nicht (nur) in den üblichen 30 Sekunden statements. Man sollte eine Liste der Sachthemen/Probleme mit Fachleuten, Betroffenen, Politikern, ... abARBEITEN. Das benötigt aber Zeit und bringt dafür wenig Medienpräsenz.
Wichtig ist, auch subjektiv empfundene Probleme ernst zu nehmen und Lösungen zu finden. In Wien wurde eine Bürgerinitiative von Anrainern, die sich am Anfang mit Verkehrsproblemen um ein islam. Gebetshaus befasste, sofort von der extremen Rechten instrumentalisiert, was mit Aufrufen zum "Anzünden" endete. Das Rathaus hatte die Anrainer nicht ernst genommen.
Wäre es nicht eine bessere Ausgangsgrundlage für einer ernsthafte Diskussionen gewesen, wenn Herr Sarazin seine Behauptungen schlicht als Fragen publiziert hätte?