Wozu brauchen wir eigentlich einen Bundespräsidenten?

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Noch nie hat ein deutscher Spitzenpolitiker, weil es sein Privatleben betrifft, so massiv versucht, die Pressefreiheit zu beugen, wie Christian Wulff. Rechtsexperten sprechen bereits von dem Straftatbestand der Nötigung. Ist der deutsche Präsident also ein Gesetzesbrecher?

Die politischen Wellen schlagen hoch in Berlin und Hannover. Doch bleibt eine Frage bisher völlig ungestellt. Wozu brauchen wir überhaupt einen Bundespräsidenten?

Dass die Gründungsväter der Bundesrepublik sich 1949 auf die Traditionen der Weimarer Republik berufen haben und das Amt eines Präsidenten installierten, war damals richtig. Nach dem Zusammenbruch des monarchistischen Deutschen Kaiserreiches war es ein demokratischer Fortschritt, dass ein aus freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehendes Parlament, das aufgrund von Mehrheitsverhältnissen eine Regierung wählt sowie ein überparteilicher Präsident an der Spitze des neuen deutschen Staates stehen.

Doch hat sich die 1949 entstandene Bundesrepublik Deutschland immer als politisch wandlungsfähig erwiesen. Anfang der 50-er Jahre veränderte sich ihre föderale Struktur durch die Entstehung des Bundeslandes Baden-Würtemberg und die Einbeziehung des Saarlandes. 1990 kamen weitere 5 neue Bundesländer hinzu. Was also spricht dagegen, jetzt die Bedeutung des Bundespräsidentenamtes kritisch zu hinterfragen?

Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Mitglieder des Bundeskabinetts, einschließlich der Kanzlerin/des Kanzlers. Nur hat er hierbei keinen eigenen politischen Gestaltungswillen, dies passiert nur auf Vorschlag des Bundeskanzleramtes. Diese Ernennungen und Entlassungen könnte auch der Präsident des Bundesrates, ein mit weitreichenden exekutiven Befugnissen einschließlich einer Richtlinienkompetenz ausgestatteter Ministerpräsident eines Bundeslandes durchführen.

Bundesgesetze treten erst dann in Kraft, wenn sie vom Bundeskabinett gebilligt, den Bundestag und, so notwendig, den Bundesrat passiert haben sowie vom Bundespräsidenten unterschrieben und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden. Was spricht dagegen, wenn der Präsident des Deutschen Bundestages die Gesetze unterschreiben würde? Dies würde sogar die Bedeutung des höchsten deutschen Parlamentes steigern, dessen Gesetzgebungskompetenzen in der Vergangenheit im Zuge der Verlagerung politischer Entscheidungsprozesse nach Brüssel in EU-Gremien immer mehr abgenommen haben.

Der Bundespräsident wird ein mal in 4 Jahren von der Bundesversammlung gewählt. Diese setzt sich zur Hälfte aus den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zusammen. Die andere Hälfte sind von den Bundesländern entsandte Vertreter. Dabei gilt der Proporz der Zusammensetzung der jeweiligen Landtage. Die Bundesversammlung spiegelt also immer auch das zu dieser Zeit herrschende politische Kräfteverhältnis in Deutschland wider. So ist die Wahl des Bundespräsidenten auch immer parteipolitisch dominiert. Der damalige Bundeskanzler Schröder empfahl so seinen Parteifreund, den langjährigen SPD-Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Johannes Rau als Präsidenten und hatte keine Mühe, ihn in dieses Amt zu hieven, weil seine SPD über eine komfortable Mehrheit in der Bundesversammlung verfügte. Von einer Überparteilichkeit kann allein durch das Wahlprozedere also keine Rede sein. Diese Tradition der Weimarer Republik, in der der Reichspräsident vom Volk direkt gewählt wurde, haben die Gründungsväter der Bundesrepublik nicht weiter geführt.

Der Bundespräsident also als ein verdienter Parteipolitiker, der seinen letzten großen politischen Posten vor dem Ruhestand erhält? Diese These wird auch dadurch gestützt, dass kein einziger Amtsinhaber nach seinem Ausscheiden ein weiteres hohes politisches Amt innehatte. Alle haben sich danach in den politischen Ruhestand mit hohen Bezügen und komfortablen Privilegien verabschiedet.

Der Bundespräsident vertritt die Bundesrepublik gegenüber dem Ausland. Das stimmt, jedoch vertritt er sie nur repräsentativ. Völkerrechtlich verbindliche Verträge abzuschließen ist ihm untersagt, die dazu notwendigen exekutiven Befugnisse bleiben den Bundesministern und der Kanzlerin/dem Kanzler vorbehalten.

Nun hat es immer Bundespräsidenten gegeben, die ihr Amt genutzt haben, um sich politisch zu artikulieren. Richard von Weizsäcker etwa mit seiner berühmten Rede vom 08. 05. 1985, in der er die Verbrechen Nazideutschlands offen benannte, oder Roman Herzog mit seiner Ruck-Rede, in der er einen Ruck durch Deutschland forderte.

Solche Worte sind, und dies nicht nur nebenbei, von Christian Wulff bisher nie gesprochen worden. Deutlich wurde er nur gegenüber Journalisten, weil diese in seinem Privatleben recherchierten.

Was also spricht gegen eine Abschaffung dieses hochdotierten, jedoch politisch bedeutungslosen Amtes? Die politischen Entscheidungsprozesse könnten sogar gestrafft werden, ein politisches Vakuum würde nicht entstehen.

Wenn der Grund wirklich nur die Berufung auf eine Tradition und die Beibehaltung eines Postens wären, auf den verdiente Parteifreunde abgeschoben werden können, es wäre jämmerlich und unwürdig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

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rolf netzmann

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