Yma - zu schön, um wahr zu sein

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Mitten im Herzen von Berlin, auf der berühmten Friedrichstrasse, steht es, das größte und modernste Revuetheater Europas, der Friedrichstadtpalast. Er lädt jetzt ein zu einer neuen Show, genannt Yma.

Das erste, was auffällt, wenn der Gast im Zuschauerraum Platz genommen hat, ist das große, weiße Gesicht, welches von der Decke in den Raum hineinblickt. Eine riesige Maske, oder ist es doch projiziert? Die Augen und der Mund bewegen sich, die Augen aber nicht nur statisch von oben nach unten, nein, von rechts oben nach links unten. Maske oder Projektion, das Rätsel bleibt ungelöst, bis der Vorhang sich hebt und etwas, das aussieht wie ein Thron, langsam von der Decke nach unten schwebt. Eine, nennen wie sie Moderatorin, begrüßt uns, lädt uns ein in eine Reise in das Land der Liebe, der Phantasie und, ja, auch des Sex`.

Das Bühnenbild bleibt während der gesamten Revue sparsam, abgesehen von einer gewaltigen Konstruktion von Lautsprechern, die über - und nebeneinander aufgebaut sind und langsam auf die Bühne rollen, damit Trampolinkünstler darauf ihre Sprünge vollführen können. Überhaupt sind für diese Revue viele Darsteller von außerhalb des Stammensembles engagiert worden, wohl auch deshalb ist es die nach Aussage der Intendanz teuerste Produktion in der Geschichte des Hauses.


Zurück zum Geschehen auf der Bühne. Tanzeinlagen wechseln sich mit Artistik und Sologesängen ab, alles sehr anzüglich. "Die Männer haben das Feuer vielleicht entdeckt, doch die Frauen haben gelernt, damit zu spielen", dieser Satz leitet eine erotische Szene ein, in der Tänzer sich ihrer Kleidung spielerisch entledigen um am Ende hinter milchig - weißen Glasscheiben nackt zu tanzen. Später werfen ihnen die Tänzerinnen ihre Kleidung lässig zu, ehe das Ensemble gemeinsam die Bühne verlässt. Generell ist die Kostümierung sparsam, eben dem Thema angepasst, eine Tänzerin ist barbusig, im Kreise von vielen Männern, die sie umkreisen, lüstern anfassen, dazu eine Musik, erotisch-knisternd, immer wieder ist ein "Touch me..." zu hören. Vor der Pause ist die musikalische Untermalung sehr rockig. Ein rotes Plüschsofa rollt langsam mit einer leichtbekleideten Dame auf die Bühne. Herbert Grönemeyers "Männer" wird verfremdet gesungen, während aus der Lehne des Sofas Männerhände hervorkommen und am Ende ein Mann neben der Tänzerin sitzt, der sich anhören muss, dass Männer zwar Düsentriebwerke reparieren können, aber von Frauen keine Ahnung haben." Wir fühlen uns wie 25, ehe eine echte fünfundzwanzijährige die Bühne betritt und uns brutal auf den Boden der Tatsachen zurückholt". Der Mann verläßt das Sofa und läuft, lässig mit den Hüften schwingend, der schönen Tänzerin hinterher...

Weiter geht es, frivol und frech. Das Tanzensemble wechselt sich mit engagierten Künstlern ab, die an Seilen hängend atemberaubende Akrobatik bieten. Witzig die Szene, in der Frauen mit Kleiderständern tanzen, an denen Sackos hängen, imitierte Männer. Das hat Pfiff, das gefällt. Marianne Rosenbergs "Marlene" wird eingebaut, als sich die Moderatorin, die auch Sängerin und Tänzerin ist, mit ihrer Freundin unterhält und feststellen muss, dass das Date dieser Freundin am Abend ihr eigener Mann ist. Klasse gemacht.

Überhaupt ist die Dramaturgie der Revue von Anfang bis Ende in sich stimmig, das Bühnenbild, die Musik, die nach der Pause ruhiger wird, balladesker, alles passt. Tänzerinnen steigen langsam in das Wasserbecken, es wirkt wie ein Schlammcatchen, was dort auf der Bühne geboten wird. Alles in allem eine sehr modern gehaltene Revue, viele der Songs werden auf englisch interpretiert, das Thema, Frauen, Männer, die Beziehung zwischen beiden, wird locker und unterhaltsam, immer mit einem Schuss Ironie, auf die Bühne gebracht.

Der Schlussapplaus aus dem bis auf den letzten Platz gefüllten Zuschauerraum war langanhaltend und stark, und alle Darsteller haben ihn sich verdient. Eine Revue in bester Tradition des Hauses, unbedingt empfehlenswert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

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