Am 22. März wird über das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat entschieden. Befürworter sehen in dem Kompromiss-Entwurf ein vereinfachtes und modernes Ausländerrecht: das "beste, das Deutschland je hatte" (Marieluise Beck). Auf der Seite der Ablehner stehen neben der CDU/CSU, der die Begrenzung von Einwanderung nicht weit genug geht, Menschenrechts- und Ausländervertreter, die das niedrige Nachzugsalter von Jugendlichen (zwölf Jahre) kritisieren sowie mangelhafte Integrationsbemühungen und drastische Verschlechterungen im Umgang mit Flüchtlingen ablehnen. Kommt es zu einem Vermittlungsverfahren, bringt das die Grünen, die weitere Zugeständnisse vollständig ablehnen, in eine prekäre Lage.
In Halberstadt treten Asylsuchende Anfang Mä
nfang März in Hungerstreik: Sie protestieren dagegen, dass die "Zentrale Anlaufstelle für ausländische Flüchtlinge", die ZASt, in der sie zur Stellung ihres Asylantrags untergebracht sind, zukünftig gleichzeitig auch als so genanntes "Ausreisezentrum" dienen soll. Tatsächlich kommt das Land Sachsen-Anhalt mit diesem Vorhaben schon heute einem Vorschlag entgegen, wie ihn der Gesetzentwurf zur Zuwanderung enthält: Die Länder werden ermutigt, Ausreisezentren einzurichten, um darin abgelehnte Flüchtlinge unterzubringen, die bisher noch als "Geduldete" in Gemeinschaftsunterkünften der Kommunen oder in eigenen Wohnungen leben durften. Ein Plan, der bisher in der breiten Öffentlichkeit auf wenig Opposition gestoßen ist - obwohl die Folgen einer solchen Lagerpolitik gegenüber Flüchtlingen desaströse Folgen hat - das zeigt nicht nur das besonders drastische Beispiel Australien. Auch in Großbritannien ist unlängst ein Aufnahme- mit einem Abschiebelager zusammengelegt worden. Schon einen Monat später - im Februar diesen Jahres - brannte ein Drittel des "Flüchtlingszentrum" ab, als sich die unterdrückte Wut der 400 Weggesperrten daran entzündete, dass eine kranke Frau in Handschellen dem Arzt vorgeführt werden sollte. Aus Protest steckten sie ihre Zimmer in Flammen. Modell-"Ausreisezentren" in kleinerem Maßstab gibt es seit 1998 in Niedersachsen und seit 1999 in Rheinland-Pfalz. In diese Modellprojekte werden ausreisepflichtige Asylsuchende eingewiesen, die sich weigern, an der Beschaffung von Passersatzpapieren zur Durchführung ihrer Abschiebung mitzuwirken. Durch Kantinenverpflegung und den Entzug jeden Taschengeldes wird den Flüchtlingen jede Möglichkeit zur selbstbestimmten Lebensführung genommen. Gleichzeitig werden regelmäßige "Gespräche" zur Vorbereitung der Ausreise geführt - eine Zermürbungstaktik, die die Flüchtlinge zur Kooperation zwingen soll. Die Regierungsparteien begründen den Paragraphen zu "Ausreiseeinrichtungen" im Zuwanderungsgesetz folgendermaßen: "Die Unterbringung in einer zentralen Gemeinschaftsunterkunft ermöglicht eine intensive auf eine Lebensperspektive außerhalb des Bundesgebiets gerichtete psycho-soziale Betreuung; sie stellt gegenüber der Abschiebungshaft ein milderes Mittel dar. Die intensive Betreuung trägt zur Förderung der Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise oder zur notwendigen Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten bei." Der Leiter einer Ausländerbehörde in Rheinland-Pfalz findet eine noch süßere Formulierung: "Durch die psycho-soziale Betreuung soll den Betroffenen geholfen werden, die durch die Perspektivlosigkeit ihres Aufenthaltes in Deutschland allgemein und in der Einrichtung speziell auftretenden Probleme und Frustrationen in positive Ansätze für eine Reintegration in ihrer Heimat umzuwandeln." Recherchen für den Niedersächsischen Flüchtlingsrat ergeben ein ganz anderes Bild. Flüchtlingsunterstützer interviewten Insassen und erhielten bittere, deprimierte Antworten: "Wir verließen unser Land, weil unser Leben in Gefahr war und suchten hier Sicherheit. Stattdessen fühlen wir uns physisch und psychisch gequält. Hier wissen wir nicht, ob wir im Gefängnis sind oder nicht." Wenn die erfolgte Abschiebung oder freiwillige Ausreise Erfolgsmaßstab sein sollte, dann sprechen die Zahlen aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen jedenfalls nicht eben für sich: Von den rund 270 Eingewiesenen in Niedersachsen kehrten ganze 30 Personen in ihre Heimatländer zurück. Fast 130 Flüchtlinge aber verschwanden aus der Statistik - sie tauchten unter. Der Flüchtlingsrat folgert: "Der Effekt, der durch die Strategie der Isolation und Zermürbung in Ausreisezentren erzielt wird, besteht vor allem in einer Illegalisierung der Flüchtlinge." Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz hat jetzt dem allzu repressiven Umgang mit Ausreisepflichtigen einen Riegel vorgeschoben: In Rheinland-Pfalz hatte ein Flüchtling aus dem Iran gegen seine Einweisung nach Ingelheim geklagt und Recht bekommen. Der abgewiesene Asylsuchende hatte sich wiederholt geweigert, einen Antrag zur Passbeschaffung zu unterschreiben und sollte deshalb nach dem Willen der Behörde in die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Ingelheim eingewiesen werden. Das Gericht widersprach. Da eine Änderung des Verhaltens des Klägers auch zukünftig nicht zu erwarten sei, würde die "Wohnsitzaufnahme" in Ingelheim den Charakter einer Schikane annehmen, und eine derartige "Beugung des Willens durch psychologische Maßnahmen (wäre) rechtsstaatlich nicht vertretbar", urteilten die Richter. Die Auflage, in einer Einrichtung wie der "Landesunterkunft für Ausreisepflichtige" in Ingelheim zu wohnen, sieht das Gericht gleichwohl dann als zulässig, wenn eine "realistische Chance" bestehe, dadurch Ausweispapiere beschaffen zu können. "Zum erfolgreichen Abschluss der beabsichtigten Abschiebemaßnahme" im vorliegenden Fall müssten sich die Behörden darum bemühen, so folgern die Richter, die "zwangsweise Abschiebung" zwar ohne Reisepapiere, dafür aber "unter Mitwirkung des ausländischen Staates" durchzuführen. "Auch zur Erleichterung dieses Verfahrens wäre eine zentrale Unterbringung förderlich und zulässig."