Ich kenne nur wenige Hartz-IV-Empfänger, die das Hickhack um die Höhe der Regelsätze noch im Detail verfolgen. Wobei ich einschränkend sagen muss, dass das politische Interesse in dieser sozialen Schicht tatsächlich unterdurchschnittlich ausgeprägt ist.
Politiker, deren Geldbeutel ja auch nach Rücktritt, „Abschuss“ (als Parteivorsitzender) etc. gefüllt ist, nutzen das Thema Hartz-IV zu gern, um sich als Wohltäter zu profilieren; zumal in Wahlkampfzeiten (wann sind in Deutschland mal keine Wahlkampfzeiten?). Nun geht es also um die Frage „Erhöhung um 5 € oder darf’s etwas mehr sein?“.
Meine Sichtweise: Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts lautet, allen Menschen „diejenigen materiellen Voraussetzungen“ zu garantieren, „die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind“ impliziert die Frage nach diesen materiellen Voraussetzungen. Fast ausnahmslos – Politiker, Journalisten – werden diese als reine Barleistungen betrachtet. Richtig ist, dass ich Geld benötige, um meine Miete (bruttowarm) und die täglichen Dinge des Lebensunterhalts zu bezahlen. Dafür reichen tatsächlich 5 € mehr. Natürlich muss sich mich hierbei bescheiden, was technische Konsumgüter betrifft. Was manchem Hartz-IV-Empfänger schwer fällt. Um ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen und besonders kulturellen Leben zu gewährleisten, sind auch 8 € zu wenig. Dass ich dennoch dieses Mindestmaß . . . – bis jetzt ! – wahrnehmen kann, liegt an der Regelung (im bettelarmen Berlin!), mit dem Sozialticket für 3 € Eintritt Oper- und Theateraufführungenund zu ermäßigten Preisen (teilweise kostenfrei) Museen besuchen zu können.
Fazit: Ich halte eine Einigung auf der Basis einer Erhöhung von 8 € + flächendeckender Möglichkeit des verbilligten Kulturgenusses für realisierbar (im Sinne von Der Realität entsprechend). Allerdings sollte es eine gleitende Erhöhung in Abhängigkeit von der Entwicklung der Wohnkosten sein.
Abschließend sei noch vermerkt, dass es die Sichtweise eines Berliner Single ist.
Kommentare 4
Teilhabe am politischen und kulturellen Leben kann man aber nicht allein mit Museums- Theater- und Opernbesuchen gleichsetzen. Sie können dazu gehören, müssen es aber nicht. Kultur würde ich viel weiter fassen. D.h. im Billard- oder Fußballverein Mitglied sein, ins Kino gehen, in der Disco tanzen gehen, gutes Essen, Zeitung lesen, in der Stad einen Kaffee trinken gehen, das Alles würde ich unter kulturelle Teilhabe fassen. Man kann nun darüber streiten, was davon existinziell ist. Museums oder Opernbesuche sind es für die meisten Menschen auch nicht.
Kein Widerspruch; nur der Hinweis, dass ich mir eine Kombination aus relativ geringer Barerhöhung des Hartz-IV-Satzes + Ermäßigungen (im Sinne von sachwerten Leistungen ) vorstellen kann. Und Rabatte in der Disco oder im Restaurant halte ich für schwieriger als Ermäßigungen in Kulturstätten, die der Staat subventioniert.
Rein hypothetisch ist es natürlich Jacke wie Hose, ob Kosten durch Einkommen gedeckt werden, oder wenn das Einkommen dafür nicht ausreicht, der Preis für ausgewählte Dinge gesenkt wird.
Dagegen spricht erst mal:
1.) All das, was hier über Berlin gesagt wird, gilt zum Beispiel in München nicht. Wer also in München sein Arbeitseinkommen verliert, sollte also schleunigst nach Berlin umziehen, um die Gnade der berliner Armutssubvention zu enpfangen.
So wird eine Separierung in arme und weniger arme Städte beschleunigt.
Berlin als Hartzstadt und München, Frankfurt etc. als "Leitungsträgerstädte".
Die Bundesregierung müsste dann halt noch mal umziehen, z.B. nach Frankfurt, um deutlichen Abstand zur Hartzstadt herzustellen.
2.) damit knüpfe ich an mabli an: Wer entscheidet darüber, welches "Kulturgut" Armen erlaubt ist und welches nicht? Die Obrigkeit. Auch wenn es eine flächendeckende Preisregulierung im gesamten Gebiet der Armutsverwaltung gäbe: Nichts gegen einen Opern- oder Theaterbesuch. Aber anschliessend mit Freunden noch in ein Restaurant: Das ist geht eben nicht.
3) die Intention von Bundesregierungen ist bekannt. Es haben schon schon Regierungsmitglieder laut darüber nachgedacht, dass Nahrungsmittelversorgung durch die Tafeln eigentlich ein regelsatzwidriger Zufluss sei und auf den Regelsatz angerechnet werden müsse. Ich vermute, dass das mit einer der nächsten „Reformen“ kommen wird.
Das Gleiche würde passieren, wenn sich eine Mehrheit der Städte der Berliner Subventionierung anschlösse.
Solange die Gesellschaft separiert in Gehaltsempfänger und solche, die hinausgekündigt wurden und draussen bleiben oder nach einer Ausbildung gar nicht erst hineinkommen, werden verordnete "Lebensstile" erhalten bleiben.
Deswegen halte ich Konzepte zur Verteilung der gesellschaftlich nötigen Arbeit (nach Fähigkeiten und soweit wie möglich Neigungen) für günstiger. Wobei jede gesellschaftlich nützliche Arbeit es wert sein muss, mit Teilhabe an den Arbeitsergebnissen belohnt zu werden. Das würde natürlich bedeuten, dass ein BGE als reines „Couponschneiden“ nicht möglich wäre, andererseits aber bislang „wertlose“ Tätigkeiten wie Erziehungsarbeit ebenfalls bedürfnisentsprechende Teilhabe rechtfertigen….
"Deswegen halte ich Konzepte zur Verteilung der gesellschaftlich nötigen Arbeit (nach Fähigkeiten und soweit wie möglich Neigungen) für günstiger. "
Volle Zustimmung! Nur - darum geht es bei der derzeitigen Hartz-IV-Rund eben nicht. Meine Vorstellung daher kurzfristig; obiges Konzept wohl frühestens mittelfristig, wenn überhaupt.