oder: Der halberwachte Quade in der Quadenfabrik
Verdeutlichen wir uns einige Fakten und Ausblicke:
1. In Deutschland leben ca. 82 Millionen Menschen, davon 20% mit Migrationshintergrund. Wir sind eine Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Über 70% der Arbeitsplätze befinden sich im Dienstleistungssektor. Die Veränderungsdynamik in einem weltweit globalisierten Kapitalismus ist enorm. Von den Beschäftigten werden zunehmend hochentwickelte, differenzierte Kompetenzprofile in allen Beschäftigungssektoren erwartet.
Das deutsche Bildungssystem müsste hier endlich vorausschauend agieren, ist bisher aber habituell noch nicht in einer globalisierten multimedialen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts angekommen. Die Zukunft wird so verschlafen.
2. Etwa 12 Millionen Schülerinnen und Schüler (9,2 Mio. in allgemeinbildenden Schulen und 2,8 Mio. in beruflichen Schulen) werden täglich von ca. 700.000 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. In jeden Hauptschüler, Realschüler und jeden Gymnasiasten werden wöchentlich 35 bis 37 Unterrichtsstunden gepumpt. Der Erfolg ist spärlich: Wir erreichen im Bundesdurchschnitt eine Abiturientenquote von 28%, ca. 260.000 Schüler pro
Jahr. Dem stehen gegenüber ca. 80.000 Schüler ohne Hauptschulabschluss (vor allem Sonderschüler, abgebrochene Hauptschüler) und 280.000 mit Hauptschulabschluss, der aber zunehmend arbeitsmarktpolitisch wertlos wird. Unter Berücksichtigung aller Schulformen, insbesondere der Berufsschulen und nachholender Abschlüsse auf dem 2. Bildungsweg, kommen wir deutschlandweit auf eine Abitur-/Fachabiturquote von 40 bis 45%. Ca. 35% eines Jahrgangs nehmen tatsächlich ein Studium auf. Damit sind wir auf Dauer international nicht konkurrenzfähig.
3. Das deutsche Bildungssystem ist unterfinanziert. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist seit Jahren rückläufig und liegt unterhalb des OECD-Durchschnitts. Das meinen z.B. nicht nur die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, sondern auch die OECD-Beobachter und die deutschen Arbeitgeberverbände. Allerdings: Analysen sind das eine, praktische Strategien und Maßnahmen der politischen Umsteuerung und die Finanzierung des Umbaus das andere.
4. In den nächsten 8 bis 10 Jahren scheiden etwa 50% der derzeitigen Lehrer (über 300.000 durch Früh-/Pension) aus dem Schuldienst aus. Ab 2013 zeigt sich verstärkt die demografische Lücke, d.h. ein deutlicher Rückgang der Schülerzahlen ist vorhersehbar.
Die Folge wird sein: eine drohende Facharbeiter- und Akademikerlücke. In 5 Jahren verfügen z.B. in einer Großstadt wie Frankfurt mehr als 60% der Kinder in der Grundschule über einen Migrationshintergrund. Das stellt alle Beteiligten vor neue
Herausforderungen und zwingt zu einem radikalen Umbau des Schulsystems. Der Teufelskreis aus – niedriger sozialer Schicht, Migrationshintergrund, geringwertiger Schulbildung, niedriger Ausbildungsquote, steigenden Integrationskosten als Folge einer verfehlten Bildungspolitik – muss durchbrochen werden. An der Einführung der flächendeckenden Ganztagsschule (min. 70% der Schulen) mit systematischer Förderung des Einzelnen führt kein Weg vorbei. Präventive Bildungspolitik macht einen Großteil der späteren sozialpolitischen Reparaturmaßnahmen überflüssig. Gleichzeitig brauchen wir aber auch mehr Mittel in der Spitzenförderung. Deutschland ist das Land der Dichter, Denker und intelligenten Maschinenbauer – eine effiziente Förderung neuer Ideen und Kreationen durch die öffentliche Hand ist angesagt. Almosen und kleine »Stiftungspreise« sind hier der falsche Weg.
5. Die Weichen können tatsächlich jetzt neu gestellt werden. Wir brauchen einen Masterplan »Bildung bis 2016« mit einer klaren Rahmenorientierung:
- Flächendeckende Frühförderung aller Kinder, insbesondere Deutsch, Musik, Sport und interkulturelles Lernen (keine neuen Programme, sondern Taten!)
- Neue Lernkulturen und Qualitätsverbesserungen in allen öffentlichen Schulen; besonders hervorstechende Qualitätsschulen werden als Referenzpunkte gesetzt
- Eine neue Lehrerausbildung: Persönlichkeiten braucht die Schule, keine ferngesteuerten Modulrealisierer, Erbsenzähler und Paragraphenreiter
- Eine neue Prüfungsdidaktik und neue Maßstäbe einer Leistungsbeurteilung
- Mindestens 75% Abitur in einer Jahrgangsbreite
- Mindestens 50% Universitäts- und Fachhochschulabschlüsse
- Deutliche Reduzierung der Abbrecherquoten an Universitäten (zurzeit etwa 30% der Studierenden!)
- Ein zusätzliches 100-Milliarden-Bildungsprogramm als bedeutsame Zukunftsinvestition, das Bund, Länder und Kommunen gemeinsam stemmen.
6. Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass dem Bildungssektor eine Schlüsselfunktion für Wachstum und Wohlstand in unserer Gesellschaft zukommt. Ausweitung hochwertiger, formaler Schulabschlüsse ist das eine und qualitative Steigerung der Kompetenzen das andere. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität der Erwerbsbevölkerung ist ohne einen politisch initiierten Bildungsausbau nicht zu haben. Neue Tätigkeits- und Kompetenzprofile sind unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen zügig umzusetzen. Entgegen der Reform-Rhetorik und der Betonung der Bedeutung des »lebenslangen Lernens« (seit mindestens 10 Jahren!) sind die Weiterbildungsausgaben des Staates und der privaten Unternehmen reduziert worden. Die Weiterbildung verharrt auf niedrigem Niveau. Je früher wir aus dieser Sackgasse umkehren, desto besser. Die Arbeitgeber tragen hier eine besondere Verpflichtung und Verantwortung für Bildung, Aus- und Fortbildung der (zukünftig) Beschäftigten. An einer Neuerfindung der Berufsschulen als »Kompetenzzentren für Aus- und Weiterbildung« mit nachhaltiger Bildungswirkung wird keine Landesregierung vorbeikommen. Die selbstverantwortliche, qualitätszentrierte Schule steht auf der Tagesordnung.
Schulen als bürokratisch überformte Anstalten gehören endgültig der Vergangenheit an. Moderne Schulen besitzen volle Rechtsfähigkeit, regeln weitgehend Bildungsprogramm und Organisation selbstständig, haben Personal- und Budgethoheit.
Zu allen sechs aufgezeigten Punkten sollten zügig politisch-pragmatische Lösungen gefunden werden. An Konzepten mangelt es nicht, es fehlt am engagierten Gestaltungswillen in der Politik und am konsequenten Aufbruch von vielfältigen Bürgerbewegungen, die einfach mit gezielten Reformen anfangen und nicht allein auf den »Staat« als Allheilmittel setzen. Die Bundestagswahl 2009 ist eine Form der Willensbekundung. Der Souverän entscheidet oberflächlich mit, mehr nicht.
Nachtrag:
Einige Milliarden Euro sind für Gebäudesanierung und Innenausstattung für Hochschulen und Schulen genehmigt, sozusagen als Konjunkturprogramm zur Abdämpfung der Wirtschaftskrise (nicht aus Überzeugung zur Bedeutung von Bildung!). Von einem pädagogisch-didaktischen Aufbruch keine Spur.
Gleichzeitig erhält allein die Hypo Real Estate weit über 100 Milliarden Euro an Subventionen, um den Zusammenbruch abzuwenden. Noch vor 9 Monaten wussten 98% der Bevölkerung gar nicht, dass es die HRE überhaupt gibt. Die Netto-Neuverschuldung beträgt allein beim Bund 2010 weit über 90 Milliarden Euro. 2011 wird eine Verschuldung in ähnlicher Höhe anstehen. Alles andere – nämlich die (geplante?) Absenkung weitere Neuverschuldung ab 2012 – sind reine Spekulation. Einnahmen und Ausgaben driften immer weiter auseinander. Steuerpolitik ist letztlich Machtpolitik.
Was wird durch solch eine Realpolitik erreicht? In welchem Zustand befinden sich die halberwachten Quaden? Wird hier Zukunft gestaltet?
Kommentare 31
"In jeden Hauptschüler, Realschüler und jeden Gymnasiasten werden wöchentlich 35 bis 37 Unterrichtsstunden gepumpt."
Jetzt versteh ich das Problem. Wäre es nicht einen Versuch wert mal Wissen zu pumpen? :)
Die bewusst herbeigeführte Überschuldung des Staates ist die Basis für eine umfassende Privatisierung des Bildungssystems. Und nicht nur des Bildungssystems.
Mit den Steuergeldern, welche den Banken in den Rachen geworfen werden, wird letztendlich die Privatisierung bezahlt.
Der Steuerzahler bezahlt also selber dafür, dass ihm anschließend nichts mehr gehört. Selbstfinanzierter Ausverkauf.
So gesehen wäre mehr Bildung schon ganz gut.
Interessante Pump-Überlegung deinerseits.
Streifzug schrieb am 25.06.2009 um 11:27
"In jeden Hauptschüler, Realschüler und jeden Gymnasiasten werden wöchentlich 35 bis 37 Unterrichtsstunden gepumpt."
Der Nachsatz bei mir heißt jedoch: "Der Erfolg ist spärlich."
Öffentlich versus privat im Bildungswesen beträgt das Verhältnis: 93 zu 7%, also weit unterhalb des europäischen Durchschnitts.
Apropos Wissen: beim Wissen müßten wir endlich differenzieren in Wissensformen, Wissenarten, Wissentypen und wie diese jeweils mit Kompetenzen verknüpft sind.
Gruß BW
Übrigens: Nicht alles, was in Privatschulen läuft ist schlecht und das sog. Öffentliche automatisch gut. Vgl. z.B. Montessori-Schule als Schulen mit freiheitlich-liberalen Pädagogikansätzen, davon träumen die meisten öffentlichen Schulen.
Es geht mir weniger um gut oder schlecht sondern um Aneignung.
So allgemein können wir das schlecht verhandeln. Was heißt hier "Aneignung" als Form des Lernens, als Prozess?
Vgl meinen Hinweis auf "Wissen".
Selbstverständlich geht es immer auch um Bewertungen. Es ist eben nicht alles Jacke wie Hose.
Den Unterschied sehe ich in der Motivation. Wenn man eine Privatschule gründet, weil man mit den öffentlichen Schulen nicht zufrieden ist und "seinem" Kind eine gute (Aus)Bildung ermöglichen will, kann sicher viel gutes dabei herauskommen. Wenn man aber eine Schule übernimmt um damit Geld zu verdienen kann wenig gutes dabei herauskommen. Streifzug hat beim Thema Gesundheit bereits darauf hingewiesen.
Frage von BW: "Wird hier Zukunft gestaltet?"
Gegenfrage: Wessen Zukunft?
Zweite Rückfrage: Wo bleibt die Frage/Forderung nach Durchlässigkeit der Gesellschaft zu höheren Bildungszielen von unten nach oben?
Vorerst letzte Frage: Was macht man den arbeitsmarktpolitisch (scheinbar) Überflüssigen? Alleine durch mehr Bildung entsteht nicht automatisch mehr Arbeit. Im Gegenteil durch mehr Technik statt Handarbeit durch Bildung wird die nicht automatische Arbeit weniger. Auch für die mit mehr Bildung.
Lieber MisterL,
sagen wir besser. Gegenwart für alle. Gegenwärtigkeit, Wachheit, Fülle und Tiefe im Leben - jetzt.
"Zweite Rückfrage": Antwort steckt implizit in Punkt 5. Wie will man sonst 75% Abiturientenquote realisieren?
"Vorletzte Frage": Der technologische Sinn ständig steigender Arbeitsproduktivität ist radikale Arbeitszeitverkürzung. Wenn derzeit die Aufstrebenden 30-40 Jährigen, gut Ausgebildeten wieder 50 und 60 Stunden arbeiten, ergeben sich automatisch die "Ausgeschlossenen". Auch die Geringsqualifizierten könnte man beschäftigen, sinnvolle Tätigkeiten und Arbeit gibt es genug. Sie will bloß keiner Bezahlen.
Gruß BW
Korrektur:
Ausgeschlossenen meint "Überflüssigen", da sie keiner beschäftigen will.
Das sind Grundsatzentscheidungen in einer Gesellschaft, Ausdruck von Machtverhältnissen.Alternativen gibt es immer, ob sie sich durchsetzen, das ist eine andere Frage.
"Sie will bloß keiner bezahlen",weil sie keinen Profit versprechen.
Oh ja natürlich gibt es Alternativen, aber wie sagte Peachum in der Dreigroschenoper doch so schön "Die Verhältnisse, die sind nicht so"
"Die Verhältnisse, die sind nicht so" - und das einzig Konstante ist der Wandel.Teils blind, teils bewusst herbeigeführt.
Damit keine Mißverständnisse aufkommen:
"Der technologische Sinn ständig steigender Arbeitsproduktivität ist radikale Arbeitszeitverkürzung." heißt selbstverständlich richtig: "Der gesellschaftspoltische Sinn ..." - war so ein kleiner Test von mir.
Gruß BW
tja da bin ich wohl voll auf deinen Test reingefallen, weil ich wieder mal nicht präzise genug gelesen
Was mir hier ein bischen zu kurz kommt ist, die Bildung nur als ökonomisch verwertbare zu betrachten. Sicher ist die Qualifikation der Arbeitskraft immer schon ein wichtiger Bestandteil der Bildung gewesen. Aber heute wird nicht ein mehr an Wissen etc. gebraucht, sondern eine Bildung, die das sebständige kreative und generell das abstrakte Denken fördert. Die heutigen und zukünftigen Arbeitsbedingungen verlangen eine weniger gegenständliche denn abstrakte Denktätigkeit, nicht nur der Informatiker, auch die Buchhalterin muss tendenziell wissen wie SAP3 funktioniert.
Dies ist aber bloß die berufsorientierte Seite der Bildung. Unsere gesamte Wirklichkeit ist deutlich komplexer und unüber- undurchschaubarer geworden.
Hierfür benötigen heutige Schüler Kompetenzen, die das drei-sieben-gegliederte Schulsystem nicht leisten kann. Alle internationalen Studien zeigen dass heterogene Lerngruppen zu besseren Lernergebnissen führen.
Für ein selbstbestimmtes Leben brauchen die Schüler eine höhere Bildung, die sich nicht darin erschöpft mehr zu wissen , sondern Wissen darauf hin abzufragen, ob es meinen Interessen nützt oder wer denn hinter den scheinbar neutralen Anforderungen in allen Lebensbereichen steckt.
Hallo goch,
wie sähen "heterogene Lerngruppen" in der Praxis aus?
Du schreibst es besteht weithin Konsens über die Schlüsselfunktion von Bildung für Wachstum und Wohlstand der Gesellschaft. Ja ,warum macht denn das so rationale Kapital das nicht ? Gibt es ideologische Gründe, die im Widerstreit mit ökonomischen Erwägungen stehen? Warum wäre es denn irrational für die Herrschenden, wenn sie nur noch 10 - 20 Prozent Qualifizierte brauchen und der Rest eigentlich (im Sinne der Produktion) überflüssig ist.Beißt sich hier nur kurzfristiges Profitdenken mit langfristigem oder ist das mehr ?
Was zur Hölle ist SAP3?
Ein sehr guter Ansatz
Ich bin auch der Ansicht, das Bildung zur zeit eigentlich nur als Vorbereitung eines späteren Jobs gesehen wird.
Was auf jeden Fall fehlt ist z.B. die Fähigkeit zu Kritik und Argumentation. Auch das Hinterfragen von gesellschaftlichen Dogmen und Zuständen wird nirgendwo in der Schule gelernt. Eine kritische Sicht auf die Gesellschaft ist dem Schüler kaum möglich.
Heterogene Lerngruppen sind solche, die alle Lerntypen ohne leistungsmäßige Sortierung zusammenlassen. In Grundschulen gibt es keinen Gymnasialen, Realen, und Hauptschulzweig. Das auch hier durch sozial-unterschiedliche Wohn-Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich zusammengesetzte Grundschulen zu unterschiedlich guten Lernergebnissen kommen , ist klar.
Generell braucht jeder Unterricht Schüler, die den Unterricht voranbringen, kritisch hinterfragen, die so den anderen Perspektiven eröffnen . Je kleiner die Heterogenität desto geringer die gegenseitige Befruchtung oder Anregung der Schüler unterreinander und des Unterrichts.
Also eher wie in den skandinavischen Ländern?
Nein eher wie in meinem Kopf
Heterogene Gruppen gibt es in fast allen Ländern der Erde in den ersten 8 - 9
Schuljahren. Lediglich in Deutschland, Österreich und auf den Fidschi-Inseln nicht.
Die skandinavischen Länder vor allem Finland praktizieren einen total individuell orientierten Unterricht, der einen Lehrplan auf den einzelnen Schüler abgestimmt enthält. Da unterrichten 2 Lehrer ca. 18 Schüler und Sozialpädagogen, Ärzte, Psychologen sind in die Schule integriert.
@chrisliegtinderSonne
Nach Lehrplan haben das alle Gymnasiasten reichlich im Unterricht gehabt.
Das war so eine klassische Konsensformulierung. Das Einzelkapital, sprich das einzelne Unternehmen kümmert sich nur um sich. WEnn es seine qualifizierten Mitarbeiter gefunden hat, genügt das. Die Überflüssigen sind immer das Problem der Anderen.
Das Profitdenken ist immer nur kurzfrisitg. Langfristig sind nur wage Absichten oder wenn der Staat sozusagen kostenfrei langfristige Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt. Oder im großen Stil Auslandsgeschäfte durch die Politik vorbereitet werden.
Insofern gibt es immer nur eine beschränkte Rationalität des Einzelkapitals.
Jeder Schüler braucht grundlegend positive Lernerfahrungen (kein Gerede darüber), diese sind vorwiegend subjektiv. Er will in der Küche stehen und mitkochen und nicht nur in der Kantine sitzen und auf Geheiß Fertigkost löffeln.
Vom Grundgedanken stimme ich zu.
"einen Lehrplan auf den einzelnen Schüler abgestimmt enthält" - darin steckt eine heimliche Falle des subjektenteigneten Lernens - immer brav nach "individuellem Lehrplan".
@Bildungswirt du schreibst dass sich das Einzelkapital nur um seine Interessen kümmert. Das war ja nicht mein Ausgangspunkt. Das hießige politische Personal hat doch über jahrzehnte und bis heute die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems gestützt und unhinterfragbar als Axiom gesetzt.
Die "besseren" Schulsysteme der anderen kapitalistischen Länder haben Einheitsschulsysteme bis ca 9 - 10 Klasse und wie Finland ca 90 % Abiturienten.
Trotzdem sperrt sich der konservative Normalo ( vergleiche Botoxen der Großhirnrinde) gegen ein aus kapitalistisch notwendiges effizienteres System. Von linker Pädagogik will ich gar nicht erst anfangen.
Vorwiegend CDU und CDU/FDP geführte Bundesländer.
Nur mit "Einheitsschulvorstellungen" kommen wir auch nicht weiter.
lieber bildungswirt:
wir leben in einer gesellschaft, die sich ihre wirtschaftsordnung als wesentlichen sinnstifter ausgesucht hat. mit "Der gesellschaftspoltische Sinn ..." ist somit automatisch gemeint nicht die arbeitszeit zu reduzieren, sondern die kosten für die noch notwendige arbeitszeit.
bildung ist zunächst (und vielleicht auch lange nichts anderes als) ein (volks-)wirtschaftsfaktor. sein einsatz dient nicht der gesellschaft in gänze, sondern nur denen die (noch) daran teilhaben dürfen, weil man glaubt sie (noch) zu benötigen.
damit ist logischer.- wie konsquenterweise gute bildung für alle keine ernsthafte zielsetzung. es zu verfolgen wäre faktisch zu teuer. die begündung liefert absatz eins.
der rest wird privatisiert. eigeninteresse und -verantwortung belohnt bei zeiten das system. ;-)
persönliche anmerkung.
ich bin nicht wirklich dümmer geworden in den letzen 25 jahren. gleichwohl - mit meinem bildungsweg abgeschlossen heute vor der beruflichen entwicklung: ich wäre auch vor der finanzkrise ohne chance gewesen trotz angeblichen fachkräftemangel. will zu frage zwo meinen: bildung ist keine frage eines stück papieres. solange man sich auf diese ansicht reduziert, sollte man das thema bildung auf repeat stellen. bis etwas begriffen wurde.
ich kann mit:
"sondern Wissen darauf hin abzufragen, ob es meinen Interessen nützt oder wer denn hinter den scheinbar neutralen Anforderungen in allen Lebensbereichen steckt."
nicht wirklich etwas anfangen. ab wann ist wissen nutzvoll bzw. nutzlos? hat bildung etwas mit egoistischen interessen zu tun oder ist bildung nicht doch auch ein solidarisches "produkt"? was sollen "neutrale Anforderungen" sein?
zu SAP und anderen erp produkten, die allesamt organisatorisch feste prozesse also an sich schematische (wenn auch komplexe) wiederholungen als bildungsergebnis erwarten, sind an sich das gegenteil von bildung so wie ich sie verstehe. bei bildung wie ich sie verstehe geht es nicht darum möglich viele (fast) atomisierte dialoge zu behalten und zu bedienen, sondern mit unerwarteten dialogen/ereignissen umgehen zu können. ihren sinn und zweck zu verstehen, zu hinterfragen und bei bedarf auch aktiv agieren zu können.
Das ist richtig. Das die Einheitsschule allein nicht reicht. Aber ohne ein Gesamtschulssystem, dass diesen Namen verdient , sind viele Einzelforderungen auch nur Stückwerk.In deinem Punkt 5 sind ja wesentliche Forderungen genannt.
Fehlt vielleicht noch die Schüler-Lehrer-Relation oder ist das in demPunkt: Neue Lernkulturen und Qualitätsverbesserungen in allen öffentlichen Schulen;
gemeint ?
Aber ich wage es zu bezweifeln, dass all diese Forderungen in Punkt 5 ohne eine gemeinsame Schule für alle tatsächlich entscheidendes bewegt. Die Abschiebung innerhalb des Schulsystems inklusive der Förderschulen sind doch ein Kernstück schwarzer Pädagogik. Sortieren, von einamder abgrenzen, nicht gemeinsam lernen voneinander lernen.
Lierb MisterL,
Der gesellschaftliche Sinn einer steigenden Arbeitsproduktivität ist radikale Arbeitszeitverkürzung - sagen wir, zumindestens in einer Demokratie.
Oder meinst du weitere Plackerei von immer wenigeren. Es geht um Menschen im Zentrum von Politik und nicht um Kostenreduktion für einzelne Unternehmen.
Dass es faktisch änders geht, zeigen viele empirische Untersuchungen.
Ich redete auf der Ebene von Philosophie und Politikgestaltung - wie wollen wir leben? Was heißt Lebensqualität usw.
Bildung wird deshalb vom Subjekt her gedacht und nicht als REssource oder Faktor für die Wirtschaft. Vgl. dazu auch Ausführungen von @ goch
"bildung ist keine frage eines stück papieres."
Stimmt. Die Papiere sind notwendig, um Selektion zu begründen.
"sollte man das thema bildung auf repeat stellen. bis etwas begriffen wurde."
Von wem redest du?
Gruß BW
Unterscheiden wir in äußere und innere Schulreform.
Das viergliederige Schulsystem wird in Deutschland noch einige Jahre halten. Realisitisch kann ein zweigliedriges durchgesetzt werden.
a) Gymnasium
b) Neue Schule oder VErbundschule oder Stadtteilschule - Etikette
Gruß BW
Lieber Bildungswirt.
"Ich redete auf der Ebene von Philosophie und Politikgestaltung - wie wollen wir leben? Was heißt Lebensqualität usw."
Ich schreibe vom hier im heute und sicherlich auch morgen. In diesem Sinne stellt zB "PISA" ja nicht ein philosophische Grösse dar, zu der es gilt zu streben für mehr Lebensqualität, sondern um bessere (Wirtschafts-)Perspektiven der aktuellen und kommenden Schülergenerationen auf einem immer heißer umkämpften, internationalen Arbeitsmarkt.
Deine Rückfrage zu meiner "repeat Frage" beantortet sich an sich mit Deiner Antwort auf meine Frage: "Wie will man sonst 75% Abiturientenquote realisieren?"" Wo dass das Ziel ist, ist die Frage nach "was ist Bildung?" laufend zustellen, bis das Ziel als absurd angesehen wird.