Tsa-Lung in Arambol

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oder: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten

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Nein, Woody Allen hatte Mario, der Geigen-Schamane, im goanischen Dorf Arambol im Februar 2010 nicht getroffen. Dafür Woody Woodbaker, den Gründer der German Bakery-Kette in Indien und Nepal, der, soweit als möglich, einfach lesend, sinnierend, dösend, aber auch meditativ in seiner Hängematte abhing. Definitiv eine coole Aussteigertype mit Grips, ein Ashaver, aber das wäre wieder eine andere Geschichte, mit Tsa-Lung hat das fast nichts zu tun.

Tsa Lung ist eine spezielle tibetische Technik der Energiearbeit, eine Kombination aus dynamischen Körperbewegungen, Atem- und Meditationsübungen, ein Öffnen der blockierten Kanäle (Tsa), damit der Wind (Lung) wieder frei fließen bzw. wehen kann; alles fließend ein ausgewachsener Ableger aus dem angeblich 8000 Jahre alten Ju Jong, das die erleuchteten Meister, Schamanen, Gurus, Lamas zur Gesunderhaltung und Bewusstseinserweiterung praktizierten und immer noch praktizieren. Naja, so ganz genau wußte dies Mario auch nicht, spielte auch in der illustren Aramboler Strandgruppe mit einem Hang zum Lach-Yoga keine entscheidende Rolle. Man hatte durchaus einschlägige Erfahrungen mit buddhistischen Sichtweisen und Methoden – niemand zweifelte ernsthaft an der Vergänglichkeit aller Dinge, den Ursachen des Leidens und der Wesenslosigkeit auch des eigenen Ich, ja, die Weisheit der Leerheit keimte auf – aber Tsa-Lung in Arambolischer Schöpfung war etwas Neues. Alle Aktivisten waren ganz entspannt im Hier und Jetzt, hatten Marios betörenden Geigenton vom Vorabend noch im Ohr und lauschten seinen Geschichten der tibetischen Heiligen, die selbst bei 30 Grad minus unter freiem Himmel, mit nacktem Oberkörper, ihre Hitzearbeit durch Tsa-Lung vollziehen würden. Ganz spontan dachte ich mir: gut, dass wir hier 30 Grad plus haben, man weiß ja nie bei der ganzen Vergänglichkeit der Hüllen und Scheinsubstanzen. Mario hörte ich noch sagen: „Alle fünf Übungenreihen werden im Lotussitz oder Schneidersitz mit tief eingesogenem, angehaltenem Atem ausgeführt, damit die Bewegung intensiver wirkt. Die Ausatmung erfolgt nach Beendigung der einzelnen Übungen.“

Übung 1:
Mach' deinen Kopf frei; tief die Luft einziehen (Bauch-, Zwergfell, Brustatmung), Fäuste in die Hüften gestützt, dann Kopf in kleinen Kreisbewegungen links und rechts herum drehen, nach 30 bis 60 Sekunden ausatmen, nachspüren. (Da kann einem schon mal die Luft ausgehen vor lauter karmischen Windbewegungen, die sich in Weisheitswind im feinstofflichen Bereich umwandeln) Da Sexblockaden vor allem im Kopf zu lokalisieren sind und oft mit Kurzatmigkeit einhergehen, beginnt die erste Übungsreihe konsequent beim Kopf als Hindernis (kann ich, kann ich nicht, bin ich attraktiv genug,...?) Guter Sex beginnt im Kopf und pradoxerweise muss man dazu den Kopf verlieren.

Übung 2:
Öffne deine Brust, kreise und schüttle dich frei durch die sog. Helicopterübung.
Die linke Hand wird halbkreisartig über den Kopf geführt, dann streckt sich der Arm und in den letzten 10 Zentimetern der Streckung die Hand leicht ausgeschüttelt und der Kreis vollendet. Diese Bewegung wird fünfmal wiederholt und anschließend mit dem rechten Arm ausgeführt. Im Anschluss, bei weiter gehaltenem Atem, werden die Schultern vorwärts und rückwärts gerollt und ebenfalls ausgeschüttelt. Schulterverspannungen lösen sich, die Last des Lebens fällt von den Schultern …

Übung 3:
Öffne deine Brust noch weiter durch die dynamische Bogenspannübung mit vorhergehender Energieübertragung. Führe mit ausgestreckten Armen beide Hände klatschend über dem Kopf zusammen. Reibe schnell, etwa 8 Sekunden, die Händflächen gegeneinander und verteile dann durch sanfte Berührung die „Energie“ über den Körper – erst Gesicht, Arme, Brust, Bauch und Lenden. Anschließend spanne den gedachten Bogen mit ausgestrecktem linken Arm. Die rechte Hand mit gedachtem Pfeil und ausgestreckten Arm zieht dynamisch den Pfeil nach hinten bis zum Anschlag und entsprechender Armbeugung. Fünfmal wiederholen, dann Wechsel mit dem rechten ausgestreckten Arm als Bogenhalter. Nach der fünften Wiederholung Fäuste in die Hüften und Luft lang ausströmen lassen. Die anstrengendste Übungsreihe mit fünf Wiederholungen. Nach dieser Brustöffnung bist du bereit zur Aktion, der Pfeil des Amor ist gespannt.

Übung 4:
Die Tiefenzentrierung von Bauch und Becken
Nach bewusstem Spüren der Bauchatmung durch Kreisbewegung, links und rechts, das Becken lockern. Der Bauch ist das Zentrum wie beim Bauchtanz, alles rhythmisch, drehend, animierend. Bei dieser Übung am besten die Augen schließen. Die Ausatmung erfolgt langsam, die Luft strömen spüren.

Übung 5:
Locker-kräftige Becken-Stoß-Bewegung.
Beide Hände werden auf das linke Knie abgelegt, die Augen schließen sich. Der Stoß der Erleichterung aus dem Beckenbereich pumpt Feuerenergie durch den Körper. Fünfmal wiederholen, dann das Gleiche mit Händen auf dem rechten Knie. Du bist Leib, du nimmst dich als sexuelles Wesen wahr, Lockruf der Evolution, Arterhaltung, Lustgewinn, Gen- und Seelenwanderung....Genußvolles Ausatmen, meditatives Nachspüren.

Während Mario nach getaner Energiearbeit unendlich lange auf den Ozean schaut, erkennt er die Arambol-Welle, die wahrscheinlich im Moment ihrer Erleuchtung realisiert, dass sie Wasser ist, Teil des denkenden Ozeans, Teil der Rhizom-Welt, Teil des Kosmos, Teil des Polyversums. Zeitgleich erscheinen Gedankenwolken von ganz eigenen Triebfedern des Sexus bis zur kürzlich gelesenen Geschichte 'Als black magic woman erwachte'. Die Gedankenspuren lösen sich auf, alles fließt gleichzeitig, nicht-dualistisch, das Anhaften an das eigene Ich schwindet.

Bekannt ist, dass seine Heiligkeit, der Dalai Lama, gern lacht. Vielleicht stammt sogar folgender Witz von ihm. Flüstert ein Lama zu seinem Schüler: Weißt du, dass du nicht wirklich existierst?“ Der Schüler antwortet: „Mit wem sprechen Sie?“ Bekannt ist auch, dass der Stadtneurotiker und Sexkomiker Woody Allen privat weniger lacht, dafür das psychoanalytische Dauergespräch und seine Filmrollen genießt. So besteht die Möglichkeit, dass jeder sein persönliches Tsa Lung finde, Hauptsache die Kanäle öffnen sich und die Energie fließt ungehemmt.
Wer sich noch immer schlecht beraten fühlt, dachte ich, kann es ja mal mit erotisch-therapeutischem Tantra nach Poona-Art, im Geiste Oshos, probieren. Wem das immer noch nicht genügt, der kommt um das ursprüngliche ( indische) buddhistische Tantra nicht herum. Aber das wäre schon eine andere Geschichte.

Nachtrag:
Woody Woodbaker hing am 13. Febr. 2010 immer noch dösend in seiner Hängematte, im 1. Stock der German Bakery am Strand von Arambol, während gegen 18.45, zur selben Zeit, die Bombe in der German Bakery in Poona explodierte. Ein Drama: Neun Tote, zahlreiche Verletzte, abgerissene Körperteile, entsetzte Gesichter. Das wäre aber schon wieder eine andere, traurige Geschichte von Märtyrern, fundamentalistischem Wahn und unendlich tiefem Hass auf die Stadt als Symbol von Macht und Freiheit.

Bild: Der Geigenschamane mit meditierender Frau im Hintergrund

Analogien mit lebenden Personen entspringen der Phantasie des Lesers. Der Autor hat gesagt, was er sagen wollte und bittet darum, auf keinen Fall Black Magic Woman in ihren Wachschlaf zu stören.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Bildungswirt

Bildungsexperte, Wissenschaftscoach, Publizist, Müßiggänger, Musiker

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