Frankfurt/ München/ Berlin: Der international berühmte Philosoph Jürgen Habermas feiert am 18. Juni seinen 80.Geburtstag im Telos der weltumspannten „kommunikativen Vernunft“. Gratulation an ihn und die Millionen WeltbürgerInnen, die ebenso ihren Tag der Geburt feiern. Alle werden auf die neue Weltmacht Habermas schauen, umrahmt von Millionen Buchrücken in der Kirchenkuppel, insbesondere „(J)oint Next Generation“. Ein Fest der Verständigung und kooperativen Wahrheitssuche wird ausbrechen. Der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ wird selbst am Nordpol und in Nordkorea gespürt, der Aufbruch zur WeltbürgerInnengesellschaft ist in Sicht.
Die UNO fordert die neue Weltmacht auf, noch einmal den gesammelten autobiografischen Geist bis in die letzten Nanoblitze des Gehirns anzustrengen, seine unübertreffliche Synthese-Meisterleistungen in den oszillierenden Raum zu werfen, um die Utopie einer radikalökologischen Weltwende bei gleichzeitiger psychosozialer Subjekt-Ego-Monster-Abrüstung für die Nachwelt herauszufiltern. Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Wissenschaft und Technik als Ideologie und die Theorie des kommunikativen Handelns sollten unter einer radikalökologischen Brille neu formuliert werden, neue Faktizität und Geltung in der Demokratie erlangen.
Glauben wir nicht alle an die unübertreffliche Gutheit – von Platon, Plotin, Meister Eckhart, Kant, Goethe bis Habermas - glauben an die Umkehr des Menschen, weg vom ökologischen Mörderwesen und industriellen Massenmord untereinander, hin zum einsichtigen, verständigen und liebvollen Geisttier auf dem Weg zur friedfertigen Zivilisation?
Obama als Chef der alten Weltmacht, so eine dpa-Meldung, bekomme das erste handsignierte Exemplar der neuen Jahrtausend-Vision aus dem Habermasschen Weißen Haus am Starnberg: Arbeitstitel: Der Homo symbolicus-ökologicus im Zeitalter der kommunikativen Streuung. („Wenn einer uns heute die Wirklichkeit erklären kann, dann ist es Jürgen Habermas“. Die Zeit, 10.Juni 2009, Titelblatt)
Hintergrund: Letzte dpa-Meldungen um 13.56:
a) Selbst die wieder gewinnträchtigen Hedge Fonds wollen in dieses Habermassche Zukunftskapital investieren.
b)Es ist nicht die titelfälschende habermasische Gartenzwerg-Kolonie des ehemaligen roten Wedding Berlin, nicht die Villen-Starnberg-Blick-Community und auch nicht die Freitag-Blogger-Community, sondern tatsächlich die WeltbürgerInnengesellschaft gemeint.
c) Habermasianer wollen sich in Zukunft nicht mehr vor einem neuen Werk in den Staub werfen, ihre autoritäre Fixierung und Personenkultverehrung reduzieren, so der Mehrheitsbeschluss der Gemeinde.
Kommentare 5
Der Jürgen kann Sätze zwirbeln, die selbst nach 37-maligem Lesen holpern. Lockerer ist er da in seiner geschmeidigen Anpassung an neoliberales Gedankengut und die kommunizierte Notwendigkeit unsere Kultur notfalls mit militärischen Mitteln verteidigen zu wollen. Und schon sind wir wieder beim Kopfkissen ;-)
Na, ganz so simpel ist das nicht. Neoliberal war Habermas nie. In 'Faktizität und Geltung' eben gut linksliberal, Bekenntnis zu Rechtsstatt und Demokratie bei funktionierender Bürgeröffentlichkeit.Er sieht das ähnlich wie Richard Rorty.Das ist schon ein gravierender Unterschied zum heutige Geschwätz der neoliberalen Verkäufer.
"Notfalls mit militärischen Mitteln" - ja, schwerer Fehler von ihm zur Einschätzung auf dem Balkan. In dieser heiklen Frage sollte aber keiner den Kopf all zu hoch tragen.
"Kopfkissen-Anspielung"? Versteht kein anderer Leser, hatten wir das bei "Rettung der SPD" oder beim Grundrecht Internet"? Egal,das Kopfkissen ist mir eben lieber als die Guillotine. "Am 17. März 1792 legte Louis einen Entwurf vor, der das Fallbeil von Halifax zum Vorbild hatte. Im Gutachten hieß es: „Eine solche, niemals versagende Maschine wird sich leicht herstellen lassen." Erst rollen die Köpfe geistig, dann real.
Was die ZEIT allerdings dazu bewegte, ihm als WELTMACHT zu titulieren bleibt schleierhaft.
Lieber Jürgen Habermas,
Gratulation zum biblischen Alter und zu einem augenscheinlich gelungenen Leben.
Die international auf Sie gesungenen Lobeshymnen sind unüberhörbar und die "ZEIT", die in diesem Fall dem FREITAG und der FAZ voraus war, erblickt in Ihnen gar die neue "Weltmacht". Selbst Obama als alte Weltmacht ist beeindruckt und will kontrafaktisch an der Idee der kommunikativen Vernunft zukünftig festhalten, auch wenn man dies in China, im Sudan oder im Iran noch anders sieht. Die iranische Bloggerszene übt in der gegenwärtigen Staatskrise die Guerillataktik des "herrschaftsfreien Dialogs".
Dennoch, lieber Herr Habermas, die kommunikative Vernunft endet i.d.R. im Vorhof der Macht. Und die "Diktatur des Sitzfleisches" bricht in homersches Gelächter aus ob dieser Narren. Immerhin: Kinder und Narren sagen die Wahrheit. Das motiviert mich jeden Tag von Neuem, gegen die Überwucherungen der paranoiden Systeme anzukämpfen, sagen wir besser: ein Schnippchen zu schlagen, damit immer wieder Frischluftströme für die Lebenswelten entstehen.
Heute, an Ihrem großen Tag, nimmt auch der FREITAG, das einflussreichste Meinungsmedium der Zukunft mit einer heiter-anarchistisch-demokratisch-intelligenten Community, Notiz vom Meisterdenker der Republik, bisweilen werden gar lebenssaftstrotzende Huldigungen entgegengebracht.
Gern lade ich Sie in mein öffentliches Wohnzimmer im Frankfurter Nordend ein. Habermas-Oberseminar konnte ich es nicht nennen, deshalb habe ich mich abgekürzt für ODYSSEE entschieden.
Shake-Hands und beste Grüße vom Bildungswirt
PS. Kleinere Irrtümer Ihrerseits zur Medienkraft und Wirksamkeit des Internets wollen wir heute nicht diskutieren. Champagner und Schnittchen für alle heißt das Gebot der Stunde.
Lieber Jürgen Habermas,
das hatte ich fast vergessen:
Frankfurt, heute 17 Uhr, unsere gemeinsame Stadt, Willy-Brandt-Platz, Europäische Zentralbank, Demo der Bildungsstreikenden - Polizeiaufgebot als ob die Wandalen und Hunnen gleichzeitig anrücken würden. Man spürte sozusagen kontrafaktisch den herrschaftsfreien Dialog.
Die Studenten hätten sich sicher gefreut, wenn Sie vor der Europäischen Zentralbank-Kulisse ein paar Worte im Stil von - Ach, Europa - zu Ihnen gesprochen hätten. Eine Mikroanlage gab's, dezente Musik auch. Sekt und Pizza für das Geburtstagskind wäre drin gewesen.Bestimmt.
Gut das es Freunde gibt, die einen an das Geburtstagsdatum einer Respektsperson erinnern, das man sonst unhöflicherweise vergessen hätte!
Meine Geburtstagskarte an den Jubilar:
"Geschrieben steht: 'Im Anfang war das Wort!'
Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muss es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Dass deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh’ ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!"
Wenn's nicht so holprig und reimfeindlich wäre, könnte man 'Wort' gegen 'Kommunikation' und 'Tat' gegen 'Produktion' austauschen...
Schöne Sektparty noch!