"Pirina": Traurig-schön und zeitlos

Von Florian L. Arnold In seinem jüngsten Roman erzählt der Autor eine Fluchtgeschichte, die durch ihre besondere Sprache überzeugt.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Wir sehen sie jeden Tag in unseren Städten und Dörfern: Junge Männer meist, die ziellos durch die Straßen treiben, auf der Suche nach sich selbst, auf der Suche nach Verlorenem, auf der Suche nach einer Zukunft. „UmA`s“ nennt man sie im nackten Behördendeutsch, „Unbegleitete minderjährige Ausländer“, junge Leute, kaum der Kindheit entwachsen, ohne Familie, ohne eine Hand, die hält, in ein fremdes Land gespült. In seinem neuesten Roman vermag der Schriftsteller und Zeichner Florian L. Arnold einem dieser Suchenden eine ganz besondere Stimme zu geben.

Florian L. Arnold erzählt – übrigens wie in seinem Vorgängerroman „Die Ferne“ – in Pirina von Menschen, die in die Welt geworfen werden, von einer Odyssee durch namenslose Länder und Städte. Vom Suchen und Ankommen: Erst als der junge Mann neben einer Unbekannten eine Wohnstatt findet, erst als eine Annäherung zwischen diesen beiden jungen Menschen stattfindet, erst dann wagt er es, seinen Namen auszusprechen, die Bedeutung seines Nachnamens zu erklären: SCHWARZES LAND UNTER WEISSER WOLKE.

Geschichte einer Liebe auf Zeit

Er und Pirina, so heißt die Nachbarin, tauschen ihre Geschichten aus, erzählen einander vom frühen Verlust und der allzu frühen Begegnung mit Gewalt und Grausamkeit.

„Er war ohne Namen und ohne Sprache in dieses Land gekommen. Wenn er Familien zusammen sah, wenn die Eltern ihren Kindern über die Köpfe strichen, trösteten oder tadelten, sah er sich, sah sich in diesen Eltern, er sah sich in den Kindern. Er schlüpfte hinein in Fremdes und Niegewesenes, träumte sich durch die Tage. Was er vermisste, konnte er nicht sagen. Manchmal glaubte er, den Gedanken an alles Verlorene nicht ertragen zu können, erfühlte sich krank und schwach, wenn er an die eigene Familie dachte.“

Wie die beiden Menschen sich annähern, sich für eine abgemessene Zeit Trost und Halt zu geben vermögen, wie in diese Liebesgeschichte aber auch schon ein Ende eingeschrieben ist, das beschreibt Florian L. Arnold ein einer wundersamen poetischen Sprache, die Orte und Zeit der Handlung in etwas Mystisches einwebt. So aktuell das Thema ist, so zeitlos, ja beinahe auch überzeitlich wird es geschildert: Die Länder haben keine Namen, die Namen der Menschen dagegen wirken archaisch, geheimnisvoll, Figuren, wie aus fernen Vergangenheiten kommend. Aber auch das ist stimmig: Den Krieg, Gewalt, Flucht sind überzeitliche Themen, prägen die Welt, seit es Menschen gibt.

Doch nicht nur in die ganz individuelle, eigentümliche Sprache des Autoren kann man sich beim Lesen förmlich einspinnen – bereichert wird das Buch durch die Bilderwelt Arnolds, Illustrationen, die die Magie der Sprache wiedergeben und spiegeln.

Bibliographische Angaben:

Florian L. Arnold
Pirina
Mirabilis Verlag 2019
18, 00 Euro, 192 Seiten, Klappenbroschur, mit zahlreichen Illustrationen
ISBN 978-3-947857-00-5

https://mirabilis-verlag.de/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Birgit Böllinger

Journalistin + PR für unabhängige Verlage, Literaturjunkie mit eigenem Blog (birgit-boellinger.com/blog).

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden